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 Despereaux

Von einem der auszog das Fürchten zu verlernen


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Despereaux ist klein. Er hat viel zu große Ohren, kränkelt und verhält sich nicht richtig. Er liest in einem Buch, anstatt die Seiten zu fressen. Er huscht nicht davon, wenn er im Schloss gesehen werden könnte und er denkt nicht permanent ans Fressen.
Antoinette, seine französische Mutter und sein Vater, respektables Mitglied des zwölfköpfigen Rates, schütteln ein ums andere Mal den Kopf, wenn sie von Despereaux’ Brüdern und Schwestern erfahren, was ihr kleinster und letzter Sohn falsch macht. Doch heute geht der Kleine zu weit. Nicht nur, das sein Bruder ihn beobachtet, wie er vor der Prinzessin sitzt und der Stimme des Königs lauscht, er lässt sich sogar anfassen. Er scheint zu genießen, dass die kleine Prinzessin ihn bemerkt, mit ihm redet und ihm den Kopf streichelt.
Der Rat wird einberufen und Despereaux muss vor ihm erscheinen, um seine Sünden einzugestehen und zu bereuen. Doch Despereaux steigert das Unbehagen des Rates noch, indem er seine Liebe zur Prinzessin eingesteht und sein Verhalten als richtig bezeichnet. Der Mäuse-Rat beschließt, den kleinen Despereaux auf der Stelle ins Verließ zu bringen und dem Tod durch die dort herrschenden Ratten zu überantworten.

Szenenwechsel

Chiaroscuro will eine gute Ratte sein. Das heißt er will böse, niederträchtig und gemein sein. Doch als die Tür des Kerkers sich öffnet, um einen weiteren Unglücklichen ins dunkle Reich des Kerkermeisters zu bringen, sieht er starr vor Staunen den Lichtspalt der Tür. Nie in seinem kurzen Leben war es Chiaroscuro vergönnt, Licht zu sehen. Er starrt in die Strahlen und eine ungeahnte Sehnsucht steigt in ihm auf. Er muss ins Licht, muss die Welt dort oben erkunden.

Szenenwechsel

Miggery Sow ist traurig als ihre Mutter stirbt. Noch trauriger, als ihr Vater sie an einen Fremden verkauft und ohne sich umzudrehen davon geht. Ihr Leben besteht danach nur noch aus Arbeit und Ohrfeigen. Erst als der König Soldaten durchs Land schickt, um seine neuen Gesetzte zu verkünden, kommt sie frei. Sklaverei ist nicht erlaubt und der Soldat nimmt sie mit auf das Schloss. Dort kann sie zum ersten Mal in ihrem Leben essen und schlafen ohne geschlagen zu werden.

Despereaux findet sich im Kerker wieder, Chiaroscuro sehnt sich nach Licht und Miggery Sow träumt davon, eine Prinzessin zu sein. Keiner der Drei ahnt, wie eng ihr Schicksal verwoben ist und welch großes Abenteuer ihnen noch bevor steht bis - ja, bis im Königreich wieder Suppe gegessen werden kann. Die ist nämlich aus gutem Grund verboten.

Was für eine abenteuerliche, einmalige Geschichte. Kein Klischee passt, keine Wendung kommt dem Leser bekannt vor, kein Einfall wirkt aus anderen Abenteuern entlehnt.
Kate DiCamillo ist ein Märchen für Kinder und Erwachsene gelungen, das die seltene Qualität auszeichnet, einzigartig zu sein.
Idee, Verlauf und Schluss sind so märchenhaft, so zauberhaft, so lieb und süß, dass das Buch zu Recht mit Preisen bedacht wurde.
Die klaren, einfachen Sätze, die metaphernreiche Sprache der Autorin fügt sich zu einer schlichten und doch komplexen Geschichte zusammen. Schlicht, weil der Fortgang der Ereignisse ähnlich einem griechischen Epos etwas zwangsläufiges, schicksalhaftes hat und komplex, weil drei Handlungsstränge erzählt werden, die erst im vierten Teil des Buches zusammengefügt werden.
Dabei macht die Autorin nicht den Fehler, allzu schlicht zu sein. Schwierigere Wörter erklärt sie entweder oder sie ergeben sich aus dem Zusammenhang. Des weiteren spricht sie am Ende jedes Kapitels den Leser direkt an und gibt Ratschläge, sinnt über das Geschehene nach oder macht dem (kleinen) Leser Mut, weiter zu lesen. Denn spannend, teils grausam geht es zu in diesem Märchen. Das aber kennt jedes Kind aus zahlreichen Märchen zur Genüge und überschreitet nie ein erträgliches Mass. Zwar ist das Schicksal Despereaux’ traurig, das der Ratte Chiaroscuro hart und das des Mädchens Miggery deprimierend, aber der Sinn hinter den Ereignissen, die Moral der Geschichte ist nie zu dick aufgetragen, nie übertrieben oder schulmeisterlich. Mit sehr viel Gefühl umschifft DiCamillo diese Klippen und erweist sich als glänzende Erzählerin. Vor allem, wenn sie gefühlvoll über Sehnsüchte spricht, ob die der Maus, der Ratte oder des Kindes, erreicht sie beim Leser große Empathie für ihre Charaktere.

Die Illustrationen sind sehr realistisch, wirken wie aus einem uralten Buch entnommen und tragen zu dem besonderen Flair der Geschichte bei. Die Bilder von Timothy Basil Ering wirken zeitlos, klassisch und tragen mit Sicherheit dazu bei, dass der Käufer dieses Buch als eines der besten Kinder- und Jugendbücher der letzten Jahre empfindet.

Fazit: "Despereaux - Von einem der auszog das Fürchten zu verlernen" ist ein wundervolles Buch. Es eignet sich für Kinder und Erwachsene gleichermaßen. Die direkte Ansprache des Lesers am Ende jedes Kapitels ist zwar anfangs befremdlich, man gewöhnt sich aber schnell daran und lernt es später gar zu schätzen. Der Leser fühlt sich durch diesen Kniff in die Geschichte involviert und für Wert erachtet, an den Gefühlen und Fragen der Autorin teil zu haben.

Stefan Erlemann



Taschenbuch | Erschienen: 01. Oktober 2005 | ISBN: 3423709537 | Originaltitel: The Tale of Despereaux | Preis: 8,50 Euro | 240 Seiten | Sprache: deutsch

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