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 Der Joker

Autoren: Markus Zusak
Übersetzer: Alexandra Ernst
Verlag: cbj

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Ed Kennedy ist neunzehn Jahre alt, Taxifahrer, ledig, sexuell recht unerfahren, leidlich glücklich. Neben dem Türsteher, dem wahrscheinlich stinkendsten Hund der Welt, hat Ed noch drei enge Freunde, mit denen er sich regelmäßig zum Kartenspiel trifft: Ritchie, Marv und Audrey, in die er heimlich verliebt ist. Ein Banküberfall, den Ed mehr unabsichtlich als willentlich vereitelt, macht ihn zumindest ein paar Tage lang zum Held in den Schlagzeilen. Was Ed nicht beabsichtigt hat: Der Banküberfall wird seinem Leben eine völlig neue, überraschende Wendung geben. Er findet eine Spielkarte in seinem Briefkasten, auf die drei Orte und Zeiten geschrieben sind. Das Karo-As mit der rätselhaften Aufschrift ist nur die erste von vier Spielkarten, die Ed an neue Orte führen, zu neuen Leuten und neuen Taten. Ihm wird schnell klar, dass die Karten Anweisungen sind, nach denen er das Leben von anderen Menschen verändern und die er retten muss. Manche der Dinge, die Ed tun muss, sind schön - etwa gibt er sich einer verwirrten alten Frau gegenüber als ihr lange verschollener Mann aus und hilft ihr so aus ihrer Einsamkeit -, andere sind schrecklich. Als eine Spielkarte Ed zu einem Haus führt, in dem ein hünenhafter Mann Nacht für Nacht seine Frau vergewaltigt, weiß er nicht, was tun soll, denn Ed ist nicht stark, er hat keine außergewöhnlichen Fähigkeiten. Aber dass er trotz seiner Angst handeln muss, steht außer Frage.

Manche Bücher sind so wunderbar, dass man es fast nicht in Worte fassen kann. "Der Joker" von Markus Zusak ist eins von diesen Büchern. So wie Zusaks junger Protagonist Ed Kennedy die Menschen in seiner Stadt glücklich macht, so macht er auch den Leser glücklich. Man kann dieses Buch nicht aus Hand legen, bis man die letzte Karte und ihr Rätsel entschlüsselt hat. Sprachlich ist dieser Roman wunderbar, stellenweise fast experimentell, mit schlagfertigen Dialogen und massenhaft Situationskomik; ein einziges Feuerwerk an Gedanken und Gefühlen. Dennoch stehen stets ganz klar Eds Handlungen im Vordergrund. Sie erfüllen uns mit Staunen und Bewunderung: Wenn uns jemand wachrütteln würde, so dass wir aus unserem eigenen kleinen Leben ausbrechen und das Leben anderer Menschen um uns herum verändern - wäre das nicht eine wunderbare Geschichte? Der australische Schriftsteller Zusak führt uns aber nicht nur wunderbare Taten vor Augen, sondern vor allem auch Schmerz, indem er uns Menschen zeigt, die direkt nebenan wohnen könnten, die man aber normalerweise nicht kennen lernt. Einsame und Opfer von Gewalttaten, Gleichgültige und Arme, Verzweifelte und Verbohrte. Schnell ahnt man als Leser, dass die Spielkarten, die Ed von einem Unbekannten erhält, nicht nur das Leben anderer verändern sollen, sondern vor allem sein eigenes. Dass Ed stets das Richtige tut, dass er ein Gespür hat für realistische Lösungen, ist beeindruckend und erschreckend zugleich - fragt man sich als Leser doch ständig, ob man ebenso mutig und richtig handeln würde.
Einzig über das Ende dieses Buches lässt sich streiten. Einerseits wirkt es störend und wie eine surreale Deus-ex-Machina-Lösung, andererseits ist es, aus der Nähe betrachtet, die einzige in Frage kommende Lösung, nachdem die Geschichte sich so gewaltig aufgebaut hat und so sehr nach einem außergewöhnlichen Schluss schreit. Manche Leser werden den Kunstgriff des Autors auf den letzten Seiten lieben, für andere wird er die Schönheit der Geschichte schmälern.

"Der Joker" ist ein wunderbarer, unverbrauchter und nachdenklich machender Buchtipp für Jugendliche und Erwachsene. Ed Kennedy, der ziellose, schnodderige Taxifahrer, ist sicherlich eine der besten Romanfiguren des Jahres 2006. Ein cooles Plädoyer für Zivilcourage und Freundschaft, das aber nie kitschig oder belehrend ist, sondern komisch, spannend und außergewöhnlich. Unbedingt lesen!

Christina Liebeck



Hardcover | Erschienen: 01. September 2006 | ISBN: 9783570131077 | Originaltitel: The Messenger | Preis: 16,95 Euro | 443 Seiten | Sprache: Deutsch

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