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 Warum Robben kein Blau sehen und Elche ins Altersheim gehen

Pleiten und Pannen im Bauplan der Natur

Autoren: Jörg Zittlau
Illustratoren: Lucia Obi
Verlag: Econ

Cover
Gesamt ++++-


In der Evolution, so heißt es meist, hat alles einen Sinn und wenn man die Logik der Evolution versteht, dann versteht man nicht nur, warum Frauen immer Schuhe kaufen und Männer besser einparken, sondern zum Beispiel auch, warum Robben kein Blau sehen, was, wenn man ihren Lebensraum betrachtet, doch recht unnütz erscheint. Insbesondere bei menschlichen Geschlechtsunterschieden wird zur Zeit immer wieder gerne die Evolution zu Rate gezogen. Doch kann wirklich alles mit evolutionstheoretischer Logik erklärt werden und ist die Evolution tatsächlich ein kompromissloser Mechanismus, der nach dem Survival-of-the-Fittest-Prinzip alles ausradiert, was eben nicht fit und makellos ist? Nein, meint Jörg Zittlau und auch, dass wir unser traditionelles Bild von der Evolution überdenken sollten. Die Evolution ist nicht nur ein harter Überlebenskampf, sondern auch ein Spiel. Manchmal skurril und harmlos, manchmal tragisch. Auf jeden Fall ist die Evolution nicht unfehlbar oder frei von Irrtümern.

Die Strumpfbandnatter zum Beispiel liebt giftige Molche, zumindest auf ihrem Speiseplan. Die Natter stirbt zwar nicht an dem Gift, ist aber nach dem Verzehr eines Molches unglaublich langsam und damit potentielles Vogelopfer, was ganz sicher nicht im Sinne der Arterhaltung ist. Vielleicht schmecken ihr die Molche einfach. Ein anderes Beispiel, um beim Essen zu bleiben, ist der Koala. Der kleine Beutelbär ist recht wählerisch beim Essen und mag nur und ausschließlich Eukalyptus (und dabei nicht einmal alle Arten). Das ist gut, weil alle anderen Tiere einen großen Bogen um das kaum zu verdauende Grün machen. Das ist aber auch schlecht, weil die anderen Tiere diesen Bogen nicht grundlos machen. Eukalyptus ist nicht nur schwer verdaulich, sondern auch energiearm. Der Koala ist also neben dem Fressen des Eukalyptus vor allem damit beschäftigt, Energie aufzubringen, um diese Nahrung zu verdauen. Da ist es kaum verwunderlich, dass er zwanzig Stunden am Tag schläft. Das ist stressfrei und kostet wenig Energie. Aber ob das für den Koala gut ist, ist eine andere Frage, denn jede Aufregung führt zu Stress und der zu Infektionskrankheiten. Und aufregend ist für den Koala so einiges.

Aber es geht nicht nur um Essen in dem Buch. Man trifft zum Beispiel mit Kot um sich werfende Flusspferde; größenwahnsinnige Hornraben; Albatrosse mit Start- und Landeschwierigkeiten; Pandas, die erst nach heißen Videos die Lust packt; betrunkene Elche; außer Kontrolle geratene Marienkäfermännchen und natürlich den Menschen.

Und allen Beispielen gemeinsam ist, dass man fragen könnte: Was hat die Evolution sich bloß dabei gedacht? Sinnvoll scheint das nicht zu sein. Jörg Zittlau versammelt in seinem Buch einige Absurditäten und Unbegreiflichkeiten. Und wie das Wort Unbegreiflichkeiten schon andeutet, hat er auch keine Erklärungen parat, sondern stellt höchstens gängige evolutionstheoretische Hypothesen in Frage. Das ganze Buch ist sehr amüsant, was auch an Zittlaus ironisch-flachsigem Ton liegt. Mit Charme und den notwendigen Informationen lässt er den Leser staunen, schmunzeln und lachen. Jedem angesprochenen Tier ist ein eigener Abschnitt mit Überschrift gewidmet, so dass man das Buch auch kreuz und quer lesen kann oder mal eben ein paar Seiten in der Straßenbahn.

Zittlaus Buch ist kein Fachbuch, das evolutionstheoretische Kenntnisse vermitteln will, sondern das in erster Linie einige Informationen über ausgesuchte Tiere in eine unterhaltsame und witzige Form packt. Das Tolle an diesem Buch ist, dass es auf frische und kurzweilige Weise einlädt, die Evolution neu und anders zu betrachten. Vielleicht sind die Natur und ihre Evolution gar nicht so humorlos, wie oft gedacht wird. Vielleicht sind sie genauso, wie Zittlau sie schildert: sympathisch chaotisch eben.

Katja Maria Weinl



Hardcover | Erschienen: 1. Januar [Value3] | ISBN: 9783430300124 | 192 Seiten | Sprache: Deutsch

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