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 Dementophobia

Wahn und geistiger Verfall


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung


Dementophobia - Wahn und geistiger Verfall bilden den Abschluss der Cthulhu-Regelwerke. Neben den Grundregelwerken Spielleiterhandbuch und Spielerhandbuch wurden die Themen Monster und Kreaturen (Malleus Monstrorum), Mythoswerke (Necronomicon) und Magie (Arcana Cthulhiana) behandelt. Im vorliegenden Band geht es um den Wahnsinn, ein Schicksal, das Cthulhu-Charaktere früher oder später fast zwangsläufig ereilt. Dem kundigen Leser ist es bekannt, im Cthulhu-Rollenspiel gibt es einen Wert für geistige Stabilität und dieser Wert wird regelmäßig nach unten geschraubt. Dazu kommt, dass die maximale geistige Stabilität sinkt, je mehr die Charaktere über den Cthulhu-Mythos erfahren, das Spielziel erzwingt also den geistigen Verfall. Cthulhu ist ein Rollenspiel, das temporäre wie langfristige Traumata sowie geistige Umnachtung kennt. Da wundert es nicht, dass das Thema Wahnsinn ein eigenes Regelbuch bekommt, welches zusätzlich drei thematisch passende Abenteuer enthält.

Ein erster Blick in diesen Folianten des Wahnsinns zeigt ein thematisch sinnvoll gegliedertes Inhaltsverzeichnis und ein kurz gehaltenes Vorwort, welches die Autoren der einzelnen Beiträge nennt. Es folgt im Kapitel "Der große Überblick" ein interessanter Abriss über "Wahnsinn im Wandel der Zeit", der manchem Leser etwas zu lang, beziehungsweise zu weit zurück gehend erscheinen mag. Aber Cthulhu ist in allen Epochen spielbar und der größte Teil des Artikels ist für das Spiel in den klassischen Cthulhu-Epochen relevant. "Der Wahnsinn und der Spielleiter" gibt eben jenem Spielleiter dann einen gelungenen Überblick darüber, wie er den Wahnsinn ins Spiel einbauen kann, und auch Ratschläge, wie er seinen Spielern dabei helfen kann, den wachsenden geistigen Verfall darzustellen. Ebenfalls sehr gut gelungen ist die Abgrenzung vom "normalen" Wahnsinn im Vergleich zu dem durch den Mythos verursachten. Besonders hilfreich sind hierbei die Hinweise, welche mythosbezogene Dinge welche geistige Störung verursachen könnten. Das Kapitel endet mit einer Liste von Filmen, die sich mit dem Thema Wahnsinn in seinen diversen Facetten beschäftigen. Natürlich werden viele Leser ihren Lieblingsfilm zum Thema vermissen, aber aus Platzgründen konnte natürlich nur eine kurze Auswahl vorgestellt werden.

Das folgende Kapitel "Geistige Störungen" umfasst "Geistesstörungen im Spiel" und "Geisteskrankheiten". Den Anfang machen Regelerläuterungen und -erweiterungen, die es unter anderem ermöglichen, dass die Auswahl kurzzeitiger oder längerfristiger Traumata an objektiven Kriterien festgemacht wird. Außerdem wird die Auswahl der Störungen passender und damit auch weniger zufallsabhängig. Das wird erleichtert durch eine Übersicht der Anlässe von Wahnsinn bei Cthulhu und der sich daraus ergebenden Störungen. Das Kapitel "Geistesstörungen" beschreibt so ziemlich alle denkbaren derselben und ähnelt schon fast einem Einsteiger-Sachbuch. Den Unterschied machen die Spieltipps und optionale Regeln. Kein Artikel, den man mal so eben durchliest, aber ein wirklich informativer. Der Spielleiter kann sich danach über "Zwölf Dutzend Ängste" freuen. Aus einer Übersichtstabelle kann er gezielt eine Untergruppe aussuchen oder mit einem zwölfseitigen Würfel eine auswürfeln, zum Beispiel "Geschlechtliche Ängste". Und dann kann er erneut mit derselben Methode eine dieser zwölf Ängste in der Untergruppe bestimmen. "Besessenheit und religiöser Wahn" beendet das Kapitel.

Zwischen den Texten gibt es diverse Einschübe, zum Beispiel in "Wahnsinn im Wandel der Zeit" einen zum Thema "Der Umgang mit psychisch Kranken im Mittelalter". Leider zerreißen diese Einschübe manchmal das ansonsten gelungene Layout, zum Beispiel geht auf der Seite mit dem Einschub "Weltkriegsschädigungen" oben ein Satz von zwei Seiten davor zu Ende und nach drei weiteren Sätzen geht das Thema erst auf der nächsten Seite weiter. Elf Persönlichkeiten werden auch über die Kapitel verteilt vorgestellt, glücklicherweise optisch gelungener eingefügt, unter anderem Freud, Van Gogh, Jung und Reich. Sehr interessant und eventuell auch spielrelevant. In schwarz hinterlegten Kästen sind dann noch diverse Szenario-Ideen vertreten, die mal mehr, mal weniger gelungen sind.

Wie oben schon erwähnt, sind auch drei thematisch passende Abenteuer enthalten. Enthalten sind die Abenteuer "Das verlorene Gestern", "In Scherben" und "Das Sanatorium". Für wen es noch unklar ist, ob er die Abenteuer als Spieler oder Spielleiter erleben wird, zuerst ein kurzer Überblick:
Die ersten beiden Abenteuer spielen in Deutschland, dass dritte in den USA, aber Umsiedlungen sind mit mehr oder weniger Aufwand möglich. Nur beim zweiten Abenteuer spielt der geschichtliche Hintergrund eine größere Rolle, aber auch hier könnte man mit flexiblen Spielern das Abenteuer woanders spielen lassen, wenn es denn unbedingt so sein soll. Das erste Abenteuer ist eventuell nicht ganz einfach zu leiten, ob es wirklich gut funktioniert, muss ein Spieltest zeigen. "In Scherben" ist ein klarer One Shot und nur für erfahrene Spielleiter und Spieler geeignet. Andere Charaktere als die vorgegebenen sind nicht sinnvoll, denn diese sind aufeinander und auf die Handlung abgestimmt. Insgesamt gesehen ist es wirklich einfacher, das Abenteuer wie geplant (in München) zu spielen. "Das Sanatorium" spielt auf einer kleinen Insel, die das titelgebende Sanatorium beherbergt. Es ist von den drei Abenteuern das konventionellste, was nicht mit schlecht verwechselt werden sollte, und ist daher auch für eine nicht so erfahrene Gruppe geeignet.


Artikel zu den vorgestellten Themen sind natürlich nicht ganz einfach oder unterhaltsam zu lesen. Aber sie sind gut geschrieben, informativ und insgesamt gesehen in akzeptablen Umfängen. Alle relevanten Themen werden behandelt und den Unterschied zu einem Sachbuch machen die gelungen Mythosbezüge. Spielleiter wie Spieler bekommen auf Regel- wie auf Spielbasis eine Menge Tipps und Handwerkszeug an die Hand, um geistigen Verfall und Geistesstörungen anschaulicher und realistischer umsetzen zu können. Inhaltlich gesehen kann es dafür nur die Bestnote geben. Sehr löblich ist, dass der Spielleiter diverse Dinge auch für Abenteuer übernehmen kann, seien es Szenarioideen, Persönlichkeiten oder Anstalten. Die Abenteuer bilden eine gute Mischung zwischen konventionell und experimentell, obwohl Einsteiger-Spielleiter etwas benachteiligt sind. Was umso schwerer wiegt, weil ja wahrscheinlich der Band schon alleine wegen des Regelteils gekauft werden wird. Aber dieser bietet ja für alle Leser etwas.

Das Layout ist bis auf kleine Mängel gelungen und der klassischen Schiene zuzuordnen. Die Umschlagsgestaltung von Manfred Escher ist wie gewohnt super. Das Lektorat hat gute Dienste geleistet, es wurden nur wenige unbedeutende Rechtschreibfehler gefunden. So bekommt man ein stabiles schmuckes Hardcover, welches auch ein Lesebändchen enthält.
Insgesamt also ein wirklich gelungener Band mit einem sehr guten Regelteil und guten, aber teilweise schwierigen Abenteuern, die sich in der Praxis beweisen müssen. Die Bestnote in der Wertung gilt für Spielleiter, die die vorgestellten Sachen auch überwiegend umsetzen und die Abenteuer leiten wollen, beziehungsweise können. Wer das Thema Wahnsinn einfacher handhabt bis vernachlässigt und nur kurze einfache Abenteuer sucht, hat hiermit immer noch ein Viersternebuch in der Hand.


Nun folgt für Spieler verbotenes Wissen, wenn diese keinen Stabilitätsverlust von 1W100 riskieren wollen, sollten sie das Kursive nicht lesen.
"Das verlorene Gestern" von Stefan Franck ist recht unkonventionell, birgt aber auch Gefahren. Die Charaktere erwachen in einem Sanatorium und erfahren nach und nach, wie sie dorthin gekommen sind. Dies geschieht durch Schlüsselereignisse und Funde ausgelöste Rückblenden, welche von den Charakteren ausgespielt werden. Sicherlich nicht ganz einfach zu händeln, aber es gibt Tipps für schwierige Situationen. Inhaltlich dreht sich das Abenteuer um Inka-Mythen und es gibt ein paar schöne Wendungen sowie eine spannende Flucht inklusive Notwendigkeit zum heimlichen Auftreten. Sofern das mit den Rückblenden in der Praxis wirklich funktioniert ein einfallsreiches und spannendes Abenteuer.
Von Christoph Maser stammt das anspruchsvolle Abenteuer "In Scherben". Die vorgefertigten Charaktere sind Ziehkinder und mögliche Erben eines verstorbenen reichen Fabrikanten. Das Abenteuer hat viel zu bieten, zum einen die interessanten Charaktere und die Interaktion zwischen diesen und der Umwelt. Dazu kommt, dass der Tod der Fabrikanten kein natürlicher war und ein weiterer folgt. Da wir bei Cthulhu sind gibt es auch noch weitaus schlimmere Dinge für die Charaktere zu überstehen, wobei sogar die Realität in Frage gestellt wird. Mir einer erfahrenen und spielfreudigen Gruppe kann dieses Abenteuer sicherlich eine Menge Spaß machen, aber es ist ziemlich konsequent, denn so oder so ist das Leben der Charaktere am Ende in Scherben.
"Das Sanatorium" von dem bekannten Cthulhu-Autoren Keith Herber ist wie schon erwähnt konventionell, aber trotzdem noch lange nicht schlecht, im Gegenteil. Ein Vorteil ist, dass es keine großen Spielerfahrungen der Gruppe verlangt. Die Charaktere gelangen auf Einladung eines ihnen bekannten Arztes auf eine Insel mit einem Sanatorium. Dort angekommen stellen sie fest, dass das gesamte Pflegepersonal auf grausame Weise ermordet wurde und sie nicht mehr von der Insel fliehen können. Die Insassen sind das geringste Problem, denn außer einem mordenden Verrückten gibt es noch ein Mythoswesen auf der Insel ? Sehr schönes Abenteuer, denn die Insassen sind nicht nur Staffage, sondern müssen teilweise versorgt werden, damit sie keine Gefahr darstellen, wofür die Charaktere aber erst einmal heraus finden müssen, was den Insassen fehlt. Dazu der Thrill des Survival-Horrors und die Mörderjagd, garniert mit einem coolen Monster.

Bernd Wachsmann



Hardcover | Erschienen: 1. Oktober 2007 | ISBN: 9783939726776 | Preis: 29,95 Euro | 244 Seiten | Sprache: Deutsch

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