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 Letzte Tage mit Teresa

Autoren: Juan Marsé
Übersetzer: Andrea Rössler
Verlag: Wagenbach

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis


Barcelona in den fünfziger Jahren. Auf der einen Seite befinden sich die Bezirke mit den Villen der Reichen, die dem Müßiggang frönen. Sie verbringen ihre Tage am Strand und auf dem Tennisplatz und sind damit beschäftigt, ihr Leben zwischen den verschiedenen Wohnsitzen zu organisieren. Auf der anderen Seite sind die Viertel der Armen, in denen die Menschen Hunger leiden und sich kaum genug zum Überleben erarbeiten können. Es ist die Zeit der Studentenunruhen und Arbeiteraufstände. Reich und Arm leben in nächster Nähe zusammen, doch die Barrieren scheinen unüberwindbar.

Auf dem Monte Carmelo, einem Elendsviertel von Barcelona, lebt Manolo, ein junger Andalusier. Er hat Heimat und Mutter verlassen und sucht Unterschlupf bei seinem Bruder und dessen Frau. Zunächst arbeitet er in der Werkstatt des Bruders, doch dafür hat er seine Heimat nicht verlassen. Er beginnt, sich seinen Lebensunterhalt mit Motorraddiebstählen und kleinen Raubzügen zu verdienen und lässt sich von reichen Touristinnen am Strand aushalten. Eines Abends begibt er sich auf ein Fest in einer unbekannten reichen Villa und trifft dort Maruja und Teresa, zwei Freundinnen, wie es scheint. Manolo verliebt sich in Teresa, aber Maruja ist diejenige, die zunächst für ihn erreichbar ist. Es entwickelt sich eine komplizierte Dreiecksgeschichte zwischen den jungen Leuten. Regelmäßig trifft Manolo sich mit Maruja, aber seine Gedanken sind bei Teresa. Als Maruja einen Unfall erleidet und in einer Klinik im Koma liegt, scheint eine Beziehung zwischen Manolo und Teresa doch noch möglich zu werden.

Juan Marsés Roman erschien 1966 und wurde schnell zu einem Klassiker der modernen spanischen Literatur. Der Autor zeichnet gleich am Anfang des Buches das Bild der Geschichte: Es beginnt mit dem Ende eines Festes, Konfetti und Luftschlangen liegen auf dem Boden, das Podium ist leer, ein einsames junges Paar bleibt zurück, fehl am Platz, etwas verwirrt.

In dem Buch treffen sich drei junge Menschen für einen Sommer lang. Manolo rast auf geklauten Motorrädern und in der weißen "Floride", dem Sportwagen von Teresa, durch die Stadt. Ab und zu macht er Halt und holt Luft im Bett von Maruja, am Strand oder in einer Bar auf dem Monte Carmelo beim Kartenspiel. Maruja hofft auf das kleine Glück und erduldet das Leben mehr, während für Teresa die Welt mit all ihren Möglichkeiten scheinbar offen steht. Juan Marsé versteht es zu erzählen, und so vergehen die 450 Seiten wie im Flug.

Wie die anderen Romane von Marsé enthält auch dieser eine Vielzahl von Ebenen. Eine ist die Liebesgeschichte der drei so unterschiedlichen Menschen mit ihrer Sorglosigkeit, dem Drang und der Neugier der Jugend. Andere Ebenen sind die soziale Ungerechtigkeit zwischen den Gesellschaftsklassen, dann der Separatismus der Katalanen und die Demonstrationen der bürgerlichen Studenten und ihr Interesse für den Kommunismus, um nur einige zu nennen. Marsé beschreibt die Langeweile und den Überdruss in der bürgerlichen Gesellschaft und die Armut und das Elend der anderen, die sich nur mit kleinen kriminellen Aktivitäten am Leben erhalten können, und die von den jungen Widerstandskämpfern sonderbar romantisch verklärt werden. Die Geschichte nimmt ihren Lauf und scheint oft eine vorhersehbare Wendung zu nehmen, um dann doch anders als erwartet auszugehen. Alles bleibt offen und ist möglich.

Jedem Kapitel ist ein Gedicht oder ein Zitat vorangestellt; so beginnt der Roman mit dem Gedicht von Baudelaire: "Oft, zum Vergnügen, ...". In dem Gedicht beschreibt Baudelaire, wie Matrosen einen Albatros zum Vergnügen fangen und ihn misshandeln. Der Vogel, der in der Luft großartig und königlich wirkt, scheint auf den Planken des Schiffes plump und kläglich und zuletzt nach der erlittenen Pein lächerlich und hässlich. Es fasst die Geschichte von Manolo zusammen. Schön und groß zu Beginn verlässt er seinen Lebensraum, um seinen Träumen zu folgen. Für Teresa, die Tochter aus gutem Hause, und ihre Freunde ist er unterhaltsam und kurios. Sie liebt seine wilde Kraft und seine Unberechenbarkeit, ein Vergnügen einen Sommer lang. Auf den neuen Planken, dem Parkett der bürgerlichen Gesellschaft, wirkt Manolo unbeholfen und lächerlich und am Ende nach einem Missgeschick bleibt er kraftlos und hässlich zurück.

Sabine Seip



Taschenbuch | Erschienen: 1. April 2008 | ISBN: 9783803125873 | Originaltitel: Últimas tardes con Teresa | Preis: 14,90 Euro | 451 Seiten | Sprache: Deutsch

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