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 Der Mann, der niemals lebte


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton


Der CIA-Mann Roger Ferris begeht einen entscheidenden Fehler: Er unterschätzt die Entschlossenheit der arabischen Fundamentalisten und versucht auf eigene Faust, ein als "Sicheres Haus" klassifiziertes Versteck der al-Qaida in Augenschein zu nehmen. Nicht nur, dass sein Kontaktmann grausam gefoltert und umgebracht wird, auch auf ihn wird ein Anschlag verübt. Sein Fahrer und Untergebener kommt dabei ums Leben, Ferris aber wird nur am Bein verletzt und kann im letzten Augenblick geborgen werden.
Damit ist sein Aufenthalt im Irak, der doch das Ziel seiner Träume war, zu Ende. Er wird in die CIA-Zentrale in Washington zurückberufen und stellt sich seinem Chef Ed Hoffmann. Der will von einer erneuten Mission im Nahen Osten nichts hören und versucht, Ferris in den Innendienst zu versetzen. Doch Roger will unbedingt wieder im Ausland eingesetzt werden. Da er der arabischen Sprache mächtig ist, schickt ihn Hoffmann schließlich nach Jordanien. Als Büroleiter und wichtigster Kontaktmann zu Hani Salaam, dem allmächtigen Geheimdienstchef des Landes, versucht er wieder Fuß zu fassen. Doch zwei Dinge erschweren dies. Erstens hat Ed Hoffmann eigene Pläne, die denen Hanis extrem zuwider laufen, und zweitens verliebt sich der mit einer sehr erfolgreichen Juristin verheiratete Ferris in eine Amerikanerin, die in Palästinenser-Lagern humanitäre Hilfe leistet.
Es kommt, wie es kommen muss. Ein als Undercover-Agent aufgebauter Mann Hanis wird durch das ungeschickte Verhalten von Hoffmann enttarnt und getötet. Hani verweist Ferris dafür des Landes und zeigt sich so erbost über die Amerikaner, dass er sogar die beginnende Freundschaft mit Roger aufkündigt. Der muss Land, Liebe und Job in Amman aufgeben und nach Washington zurück. Doch auf dem Flug nach Hause kommt Ferris eine geniale Idee. Wie wäre es, wenn man der al-Qaida weismachen könnte, man hätte bereits einen Doppelagenten in ihr Netz eingeschleust? Wie wäre es, wenn man einen Mann erfindet, der Informationen vom neuen al-Qaida-Chef Süleyman persönlich erhält, diesen sogar für die CIA rekrutiert hätte? Ferris und Hoffmann, der von der Idee eines "Mannes, der nie lebte" begeistert ist, beginnen, an Hani Salaam vorbei einen Unschuldigen aufzubauen und als Kontaktmann zu eben diesem Doppelagenten einzusetzen. Nun muss nur noch eine Leiche her, die man mit den nötigen Papieren versehen, auf dem Präsentierteller der al-Qaida serviert.

Agentenromane gibt es wie Sand am Meer. Unzählige CIA-Agenten tummeln sich - im Gegensatz zu ihren realen Vorbildern - äußerst erfolgreich in nahezu jedem Land der Erde. Amerikaner sind nun mal die besten, heldenhaftesten und unschlagbarsten Siegertypen, die es gibt. Und CIA-Agenten, die jede bildschöne, willige und von ihnen hingerissene Frau nach nur fünf Minuten im Bett haben, gibt es vielleicht noch mehr.

Nach den ersten Einblicken in dieses Hörbuch scheint dieses Klischee unverändert übernommen worden zu sein. Die Frau des "Helden" ist genau so, wie man es von James Bond her erwarten würde. Und seine bald darauf folgende Geliebte toppt dies auch noch in sämtlichen Eigenschaften. Auch die Erfolgsspur, die der CIA-Mann legt, kann sich sehen lassen.
Klischee pur und noch ein bisschen mehr? Nein, vordergründig beginnt diese Geschichte zwar so, doch schnell reibt man sich die Augen. Hier wird plötzlich schärfste Kritik an den Amerikanern und ihrer arroganten, herablassenden Art Arabern gegenüber geübt. Der Agent hat Skrupel, wird als Spielball benutzt, leidet unter den Aktionen seines Chefs und fällt letztendlich fast der Folter durch seine Gegner zum Opfer. Überhaupt - so deutlich, so grausam und vor allem so realistisch geht es in den "üblichen" Agentenromanen nicht zu. Hier wird geschlagen, Finger werden zermatscht, Augen und Zungen ausgerissen, Bomben gezündet. Und zwischen allem steht Roger Ferris nicht als Unschuldslamm daneben, sondern agiert ebenso verwerflich, ebenso menschenverachtend. All das unter der Flagge des Guten, des heilenden Amerikaners, des um den Weltfrieden besorgten CIA-Chefs. All das wird immer wieder begründet mit den Anschlägen der al-Qaida, ihren Aktionen, ihren Grausamkeiten.
Doch der Autor stellt beide Seiten bloß. Stellt nicht nur die al-Qaida als Netzwerk des Bösen dar, sondern auch die Handlungen der Amerikaner als zynisch und maßlos. Am erstaunlichsten aber ist die Darstellung des Islam und der Muslime. Hier zeigt David Ignatius ein tiefgreifendes Verständnis für diese uralte Kultur und Religion. Eigentlich, so klingt es immer wieder deutlich zwischen den Zeilen an, ist der gläubige, weltoffene Muslim ein besserer Mensch. Er verbindet Tradition mit Moderne und urteilt nicht über seine Mitmenschen - zumindest nicht, wie es die Amerikaner tun. Denn "die Amerikaner" kommen äußerst schlecht weg. Sie sind das eigentliche Problem in der arabischen Welt - zumindest wenn es sich um Regierungsbeamte und Agenten handelt.

Ignatius Roman weist deutliche Längen auf. Spannend geht es nur anfangs und ganz zum Ende hin zu. Dazwischen spielt eher die Seelenlage des Roger Ferris die Hauptrolle. Doch mit Johannes Steck hat der Audiobuch-Verlag einen Sprecher gewinnen können, der sowohl die gefühlsbetonten Passagen als auch die grausamen, menschenverachtenden Verhöre und Folterszenen, die spannenden Textstücke und die - scheinbar unvermeidbaren - Liebesszenen so abwechslungsreich gestaltet, dass zumindest beim Hören zu keinem Zeitpunkt Langeweile aufkommt.
Dank seines außergewöhnlich niedrigen Preises ist die sechs CDs umfassende Hörbuchausgabe von "Der Mann, der niemals lebte" ein echter Geheimtipp.

Stefan Erlemann



CD | CD-Anzahl: 6 | Erschienen: 01. Juni 2008 | ISBN: 9783899643022 | Laufzeit: 428 Minuten | Originaltitel: Body of Lies | Preis: 15,95 Euro

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