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 Eine Hexe mit Geschmack

Autoren: A. Lee Martinez
Übersetzer: Karen Gerwig
Verlag: Piper

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Eigentlich ist ihr Fluch ja gar nicht so schlimm. Das denkt zumindest die namenlose Hexe, die die Hauptfigur dieser Geschichte ist. Sie ist untot, beinahe unsterblich und dazu auch noch wunderschön. Zugegeben, das letztere Attribut ist ihrer Profession als Hexe gar nicht dienlich, schließlich hat man da hässlich, abstoßend und geheimnisvoll zu sein, nicht wundervoll und anziehend.
Das Leben der Hexe wird eines Tages völlig umgekrempelt, als ihre Mentorin umgebracht wird. Zusammen mit ihrem Vertrauten, der dämonischen Ente Molch, verlässt sie auf der Suche nach dem Verantwortlichen ihre Hexenhütte im Wald. Die Wege des Schicksals führen sie zu einem kleinen Fort, in dem sie ihr Dasein als örtliche Hexe beginnt. Dort, in der Nähe vieler Menschen, entdeckt sie auch das erste Mal die Schattenseite ihres Fluchs - einen unersättlichen Hunger auf Menschenfleisch.
Als eines Tages der Weiße Ritter Wyst in das Fort kommt, entfacht das ihren unheiligen Hunger, wie noch nie - offensichtlich hat sie sich in den tugendhaften Charmeur auch noch verliebt. So wird ihre Standhaftigkeit auf eine harte Probe gestellt. Denn großes Unheil kommt auf das kleine Fort zu, und sie wird mit Wyst zusammen arbeiten müssen, um es abzuwenden.


Wer nach den ersten beiden Romanen von A. Lee Martinez, "Diner des Grauens" und "Die Kompanie der Oger", dachte, der Mann würde nur trashige Fantasy-Komödien mit ultraschwarzem Humor schreiben, wird durch "Eine Hexe mit Geschmack" überrascht sein - Fans der letzten beiden Bücher vielleicht nicht unbedingt positiv. Hier geht es nicht mehr ganz so ruppig und frei von Moral zur Sache, hier zeigt der sonst so fiese Martinez gar eine erstaunliche Einfühlsamkeit.

"Eine Hexe mit Geschmack" ist so etwas wie eine leicht pervertierte Coming-of-Age-Story. Oder auch nicht, schließlich muss sich die junge Hexe, aus deren Perspektive der Roman erzählt ist, zwar einerseits mit ihrer aufkommenden Sexualität und dem damit einhergehenden Hunger nach Menschenfleisch auseinander setzen. Auf der anderen Seite zeigt sie jedoch ein Maß an Einsicht und hexenhafter Weisheit, das man sonstigen jugendlichen Charakteren dieses Genres wohl kaum zusprechen kann. "Eine Hexe mit Geschmack" dreht sich ganz und gar um die Ambivalenz des Fluchs, der die Hauptfigur der Geschichte getroffen hat. Einerseits ist sie wunderschön, unsterblich, magisch begabt; andererseits blutdurstig und im steten Konflikt mit sich selbst, den Mann, den sie liebt, nicht sofort anzuknabbern. Diesen inneren Kampf trägt Martinez freilich fast schon ein bisschen zu breit auf und ergeht sich in häufigen Wiederholungen des immer gleichen Dilemmas.

Immerhin vergisst er dabei nicht, dass er auch noch eine Geschichte zu erzählen hat. Gemächlich steuert die Erzählung so auf einen Höhepunkt zu, der der ultimative Test für die Standhaftigkeit und die Kräfte der Hexe sein wird. Und zwischendurch werden dabei viele esoterische Hexenweisheiten preisgegeben, von denen einige amüsant oder totaler Schwachsinn sind, andere jedoch tatsächlich tiefe Einsichten zeigen.

Doch bevor Martinez-Fans jetzt den Verlust seiner bisher bewährten Qualitäten beklagen, sei eine kurze Entwarnung gegeben. "Eine Hexe mit Geschmack" enthält auch wieder liebevolle Splatter-Einlagen, bescheuerte Ideen und Dialoge sowie einen fantasievollen Handlungsverlauf mit auf ihre finstere Art sehr sympathischen Charakteren. Wer einfach nur Spaß beim Lesen haben möchte, ist mit den anderen beiden Büchern von Martinez freilich immer noch besser bedient. Dafür ist dieses hier sein bisher reifstes Werk.

Julius Kündiger



Taschenbuch | Erschienen: 01. Mai 2008 | ISBN: 9783492266550 | Originaltitel: A Nameless Witch | Preis: 9,95 Euro | 392 Seiten | Sprache: Deutsch

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