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 Anamorph - Die Kunst zu töten (Blu-ray)


Cover
Gesamt ++++-
Action
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Brutalität
Extras
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton
Es war die Jagd auf einen Serienkiller namens "Onkel Eddie", die den New Yorker Detective Stan Aubrey zu dem gemacht hat, was er heute ist: ein Zwangsneurotiker und Alkoholiker, der versucht, die wirre Vergangenheit hinter akribischer Ordnung und stoischem Auftreten einzumauern. Fünf Jahre ist es her, seit der Mörder eine Bekannte von Aubrey ermordete, kurz darauf gestellt und erschossen wurde - so dachte man. Jetzt gibt es plötzlich neue Morde, die die gleiche Handschrift tragen. Ein Nachahmer? Oder hat man damals den Falschen getötet?
Diese Handschrift ist eine ganz spezielle: Onkel Eddie tötete, um aus den Opfern Kunstwerke zu machen. Die Leichen wurden auf immer unterschiedliche Weise angeordnet, verbunden mit kurzen Botschaften. Die neuen Morde gehen noch einen Schritt weiter: Ein Opfer wird zerstückelt aufgefunden und die Einzelteile hängen auf eine Weise von der Decke, dass sie aus einem bestimmten Blickwinkel ein sehr spezielles Muster ergeben. Eine andere Leiche wurde ausgeweidet, Aubrey findet darin einen Pinsel, mit dem er ein Kunstwerk an einer Wand vervollständigen muss. Das fällt ihm besonders schwer, denn das Opfer war ein Kollege, der damals mit ihm an dem Fall Onkel Eddie gearbeitet hat.
Aubrey findet heraus, dass der Mörder ein Künstler ist und seine Kunst sogar anonym in einer Galerie ausstellt. Weiterhin bekommt er über einen befreundeten Kunsthändler heraus, dass diese Kunst den Renaissance-Stil der Anamorphose wieder aufleben lässt: Bilder enthüllen, wenn man sie aus einem ganz bestimmten Blickwinkel betrachtet, ein Motiv, das oft im Kontrast zu dem offensichtlichen steht. Und langsam schwant Aubrey, dass der "Künstler" ihn in sein Gesamtwerk einbezogen hat ...

Der Film, der auf der Rückseite der Blu-Ray-Disc-Hülle als eng auf den Spuren von "Sieben" wandelnd präsentiert wird, ist zum Glück ausreichend vom berühmten Vorgänger emanzipiert, um nicht als bloßer Abklatsch daherzukommen. Mit "Sieben" gemein hat er die Tatsache, dass hier nicht die Morde, sondern nur die Leichen gezeigt werden und diese einer Symbolik folgend zugerichtet sind. Darüber hinaus gibt es gravierende Unterschiede, die sich besonders in Charakterzeichnung und Inszenierung zeigen.
Erwähnenswert ist vor allem die Hauptfigur, von der Vergangenheit gezeichnet und in ihrem Verhaltensmuster zwischen Ordnungswahn und Trunksucht, zwischen langweilig und faszinierend genauso anamorph wie die Arrangements der Mordopfer. Die Figur ist mit viel Liebe zum Detail ausgearbeitet worden und wird von Willem Dafoe überragend gespielt, da können Brad Pitt und Morgan Freeman sowie die Rollen, die sie spielen, einpacken.
Der Film wird weitgehend ruhig erzählt mit langen Kameraeinstellungen und einer stets etwas trist wirkenden Farbgebung, die aber die Atmosphäre des Films sehr gut betont. Der Film hat nicht viel Action aufzubieten, der Zuschauer folgt Stan Aubrey bei seinen Ermittlungen und seiner Reise in die eigene Vergangenheit, die immer wieder in farblich manipulierten und leicht verwischten Rückblenden aufgerollt wird. Auch die Inszenierung der Leichen ist nicht möglichst eklig wie bei "Sieben", sondern möglichst ästhetisch, da der Mörder ein Künstler ist. Deshalb gibt es auch keine wirklichen Schockeffekte und die Freigabe ab 16 Jahren ist gerechtfertigt.
Regie-Neuling Henry S. Miller macht seine Sache gut, was aber nicht nur an seinem Auge für wechselhafte Dramatik, sondern auch an dem Star-Aufgebot liegt, das er für seinen ersten Film hat gewinnen können. Scott Speedman, bekannt aus den "Underworld"-Filmen, spielt den Polizisten, der mit Aubrey zusammen den Mörder schnappen soll, von diesem aber nur dürftig mit einbezogen wird. Seine Rolle ist nicht gerade klein, leider ist sie nicht so wichtig für den Film, dass sie in einer Inhaltsangabe Erwähnung finden müsste. Weiterhin überzeugen Peter Stormare ("Prison Break") als schwer durchschaubarer Kunstgalerist und Clea DuVall ("Identität") als Prostituierte. All diesen Nebenrollen ist gemein, dass sie vorwiegend dazu beitragen, den Charakter der Hauptfigur zu verfeinern. Selbst der Kunstgalerist, der die Hauptfigur immerhin auf die Spur der Anamorphose bringt, gibt damit in erster Linie eine Interpretationsanleitung für den Charakter Aubreys zum Besten.

Sollte man diesen Film auf Blu-Ray sehen? Die hohe Auflösung kommt natürlich besonders gut bei den Szenen, in denen die Leichen-Kunstwerke aus der Hand von Special-Effect-Halbgott Richard Edlund ("Star Wars", "Ghostbusters", Alien 3") aufgefunden werden, hier ist jedes schaurig-schöne Detail zu erkennen. Auch bei dem beeindruckenden Anamorphose-Effekt am Ende des Films ist man dankbar über HD-Qualität. Der Rest des Films kommt auch ohne High Definition aus und wer nicht so auf Leichen-Details steht, kann beruhigt zur etwas günstigeren DVD-Version greifen.
Die Extras sind leider nicht so gelungen. Neben Originaltrailer und Bildergalerie ist ein 16-minütiger "Behind the scenes"-Film zu sehen, unkommentiert und unspektakulär. Und wenn in der halbstündigen Interview-Session mit den wichtigen Beteiligten erzählt wird, dass Willem Dafoe, den man aus den "Spiderman"-Filmen sehr agil und etwa aus "Shadow of the Vampire" ziemlich freakig kennt, sich tanzend und albernd von seiner ungewohnt zurückhaltenden Rolle entspannt, warum wird dann so was nicht gezeigt? Die Interviews sind darüber hinaus weitgehend langweilig und kreisen hauptsächlich um die anderen Crewmitglieder. Dafoe bildet die Ausnahme, er charakterisiert seine Rolle. Insgesamt hätte da mehr draus gemacht werden können.

Manchmal zahlt es sich aus, bei der Filmauswahl mal etwas zu wagen. "Anamorph" ist ein Wagnis, das sich für Fans ungewöhnlicher Serienkiller-Filme und ruhig erzählter Independent-Thriller auszahlen dürfte. Hervorragend inszeniert, gute Darsteller, eine stete unterschwellige Spannung und eine interessante Geschichte sind die Argumente für diesen Film, zu beanstanden wäre die Belanglosigkeit der umfangreichen Rolle Speedmans. Trotz aller Ästhetik braucht man jedoch in bestimmten Szenen einen guten Magen. Aber wer "Sieben" verkraftet, muss vor "Anamorph" nicht zurückschrecken. Guter Film.

Stefan Knopp



DVD | Disc-Anzahl: 1 | Erschienen: 1. Juli 2008 | FSK: 16 | Laufzeit: 103 Minuten | Originaltitel: Anamorph | Preis: 19,95 Euro | Untertitel verfügbar in: Deutsch | Verfügbare Sprachen: Deutsch, Englisch

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