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 Der Schrecksenmeister


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton


In Sledwaya, der krankesten Stadt von ganz Zamonien, wo sich die Menschen nur niesend, hustend und röchelnd durch die Straßen schleppen, lebt Echo, die Kratze. Eine Kratze ist fast das gleiche wie eine Katze, allerdings können Kratzen denken und die Sprache aller Lebewesen sprechen.
Einst war Echo eine Hauskratze mit einem schönen und bequemen Leben, doch seit seine Besitzerin gestorben ist, schlägt er sich mehr schlecht als recht auf den Straßen von Sledwaya durch. Schließlich ist er dem Hungertod nahe, und in diesem Zustand höchsten Elends läuft ihm der Stadtschrecksenmeister Eißpin, der allerseits gefürchtet und gehasst wird, über den Weg. Er macht Echo ein so verlockendes wie furchtbares Angebot: Einen Monat lang will der Schrecksenmeister Echo mästen, ihm die unglaublichsten Speisen kredenzen und nebenbei auch für seine Unterhaltung sorgen. Zum nächsten Schrecksenmond aber will Eißpin das Krätzchen töten, um an sein Fett zu gelangen.

Eißpin ist nämlich nicht nur ein begnadeter Alchimist, er sammelt auch mit Leidenschaft das Fett von Lebewesen, je exotischer, desto besser. Und das Fett der höchst seltenen Gattung der Kratzen fehlt ihm noch in seiner morbiden Sammlung. Den baldigen Tod ohnehin schon vor Augen, willigt Echo in den seltsamen Handel ein. Im Schloss des Schrecksenmeisters, das drohend über Sledwaya aufragt, beginnt ein Monat voller Merkwürdigkeiten. Eißpin und Echo setzen einen Vertrag auf - und der Schrecksenmeister hält sein Versprechen. Er führt Echo ein in eine Welt der kulinarischen Genüsse, die alles bisher Dagewesene übertreffen, und weiht ihn außerdem in die geheimsten und begehrtesten Künste der Alchimie ein.
Der Monat schreitet voran, und Echo, der immer fetter und träger wird, sinnt nach einem Weg, den verhängnisvollen Kontrakt zu brechen, dem Schrecksenmeister zu entrinnen und sein Leben zu retten. Doch Eißpin ist ein furchtbarer Gegner - hochintelligent, boshaft und skrupellos ...

Wer Gottfried Kellers Novelle "Spiegel, das Kätzchen" kennt, wird hier verwundert aufhorchen; und tatsächlich ist "Der Schrecksenmeister" eine Hommage an Gottfried Kellers Werk, was man schon aus dem Namen des zamonischen Autors "Gofid Letterkerl" - ein Anagramm - herauslesen kann. In Gottfried Kellers Geschichte heißt die Katze Spiegel statt Echo, der böse Hexenmeister heißt Pineiß statt Eißpin, und auch er will der Katze, die in Moers Geschichte charmanterweise eine Kratze ist, an den Kragen. Kellers Erzählung spielt in Seldwyla, Moers? Buch trägt sich in Sledwaya zu. Und in beiden Geschichten taucht eine Eule - bei Moers ein Schuhu - als hilfreicher Freund auf.

Zamonien-Süchtige werden ohnehin alle Geschichten von Moers verschlingen, aber natürlich ist auch dieses Buch zu Recht von den Fans gefeiert worden. Zwar ist es nicht ganz so gut wie das grandiose "Die Stadt der Träumenden Bücher", aber dennoch ein toller, versponnener, bisweilen grausamer, immer aber kurioser Ausflug in die von Moers geschaffene Fantasy-Welt. Bei Hörbuch Hamburg ist "Der Schrecksenmeister" als ungekürzte Lesung auf zwölf CDs erschienen, gelesen von Andreas Fröhlich. Der volle Titel des Romans lautet eigentlich "Der Schrecksenmeister. Ein kulinarisches Märchen aus Zamonien von Gofid Letterkerl. Neu erzählt von Hildegunst von Mythenmetz", beim Hörbuch ist der Untertitel unter den Tisch gefallen.

Bedenken, dass Fröhlichs im Hörbuchbereich doch inzwischen sehr bekannte Stimme sich inzwischen abgenutzt haben könnte, sind hier zum Glück unbegründet. Er liest die Erzählung grandios vor, hat der Katze Echo, dem fiesen Schrecksenmeister Eißpin, dem Schuhu Fjodor und den anderen Charakteren eine völlig eigene Stimme gegeben, so dass man immer weiter in der Erzählung versinkt.
Wie von Walter Moers gewohnt, ist dieses zamonische Märchen ungeheuer fantasievoll. Die Dinge, die hier vorkommen, lesen sich so verheißungsvoll wie wunderbar: ein gekochtes Gespenst, eine schneeweiße Witwe, eine höchst merkwürdige Weinverkostung, Ledermäuse, ein See aus Milch, ein Schuhu mit Sprachfehler, Kratzenminze und tausend Dinge mehr. Walter Moers schüttelt seine Ideen in einem irrwitzigen Tempo aus dem Ärmel, man kann sich nicht satt lesen, oder, in diesem Fall, satt hören.
Der Autor schwenkt manchmal, wie man dies auch von "Rumo und die Wunder im Dunkeln" gewohnt ist, von grausamen und furchtbar spannenden Schilderungen urplötzlich ins Alberne um. Das kann dann doch ein wenig nerven - die Sache mit dem weiblichen Gegenstück und der Pubertät ging vielen Lesern schon bei "Rumo" auf den Geist, bei Echo wiederholt sich das gleiche zumindest ansatzweise mit dem Thema "Krätzinnen". Zum Glück sind diese Ausflüge in Albernheiten selten, der Rest der Geschichte ist außerordentlich atmosphärisch, teils düster, teils einfach wunderbar verschroben.
Echo und Eißpin geben ein makaberes Paar ab - der eine wartet auf seine Hinrichtung, der andere bietet dem zum Tode Verurteilten Unterhaltung und kulinarische Zerstreuung. Bei den ausgefallenen Beschreibungen der Mahlzeiten läuft einem tatsächlich das Wasser im Munde zusammen; die Zubereitung von Speisen und das Thema Kochen spielen bei Moers? Büchern ja häufiger eine große Rolle, so auch diesmal.

"Der Schrecksenmeister" ist lang, teils sehr lang. Die zwölf CDs sind zwar stets unterhaltsam, doch gibt es unbestritten auch die eine oder andere Länge in der Geschichte, das sind dann die Momente, wo der Hörer sich wünscht, Moers hätte nicht ein so großes Faible für lang gedehnte Aufzählungen, so fantasievoll sie auch sein mögen. Dennoch wird man ausgesprochen gut unterhalten.

Für Zamonien-Fans ist "Der Schrecksenmeister" sowieso ein Muss, und dann noch für alle anderen Hörer, die fantasie- und humorvolle, märchenhafte Erzählungen mögen. Eine tolle, lebendige Lesung von Andreas Fröhlich, dessen vielfach verstellte Stimmen über die eine oder andere Länge hinwegtrösten. Fans von Dirk Bach werden ihn als Sprecher vielleicht vermissen, aber auch Andreas Fröhlich liefert hier eine tolle Lesung.

Christina Liebeck



CD | CD-Anzahl: 12 | Erschienen: 1. Juli 2008 | Laufzeit: 660 Minuten | Preis: 49,95 Euro

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