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 Die aus dem Nichts kommende Stimme

Zur Ästhetik des literarischen Debüts in der Mediengesellschaft


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch


Der Buchmarkt lebt - wie auch der Kino- und Musikmarkt - von Events, also von Ereignissen, die das Interesse der Leserschaft auf einzelne Publikationen richten. Nichts ist so effektiv wie eine sich verselbständigende Medienkampagne, deren Werbeeffekt jede Anzeigenserie übertrifft.
Einer dieser Werbetricks ist die Heraushebung des Debütanten. Autoren, die ihr erstes Werk veröffentlichen, können als revolutionäre, außergewöhnliche Erscheinung vermarktet werden, als "aus dem Nichts kommende Stimme", die nun um so lauter Gehör findet. Aber gibt es überhaupt eine Ästhetik des Debütwerks? Handelt es sich beim Debüt tatsächlich um das Signum eines Schriftstellers, das "aus dem Nichts" den Markt erschüttert - oder doch eher um das wohlüberlegte Kalkül der Verlagsmaschinerie?
Christian Kortmann stellt in seiner hochinteressanten literaturwissenschaftlichen Untersuchung "Die aus dem Nichts kommende Stimme - Zur Ästhetik des literarischen Debüts" fünf Debüts aus verschiedenen Jahrzehnten vor: Francoise Sagans "Bonjour Tristesse" von 1954, Arno Schmidts "Leviathan" von 1949, "Starfish Rules" von Tobias O. Meißner (1997), "Casino Royale" von Ian Fleming (1953) und James Herriots Roman "If only they could talk" (1970). Die Auswahl zeigt, dass es Kortmann tatsächlich mehr um das situative, performative Moment des Debüts geht. Pop- und Genreliteratur, Hoch- und Skandalliteratur werden von ihm gleichermaßen behandelt; nicht das Werk selbst, sondern seine Rezeption und Vermarktung als literarisches Debüt. Das kann freilich auf sehr unterschiedlichem Wege gestehen; ein Debüt kann den Autor von einem Tag auf den nächsten zur Kultfigur machen (Sagan), die Literaturkritik aufrütteln (Schmidt), eine gut geölte Marketingmaschine anwerfen (Fleming) oder auch grandios und wider alle Erwartungen scheitern (Meißner). Bei all den genannten Debüts treffen die persönlichen Sehnsüchte der Autoren und Verleger auf die Öffentlichkeit beziehungsweise Leserschaft, die teilweise ganz andere Erwartungen an ein Debütwerk stellt.
Nach seiner exemplarischen Untersuchung der fünf genannten Werke versucht Kortmann auch eine Theorie der Ästhetik literarischer Debüts aufzustellen, die verschiedenen Rezeptionsstufen voneinander abzuzirkeln. Dieses letzte Kapitel ist denn auch der krönende Höhepunkt, da hier eigenständig ein gar nicht so leicht fassbares Phänomen erschlossen wird.

Wer sich für den Buchmarkt und seine versteckten, oft irrationalen Mechanismen interessiert, wird diese glänzende Untersuchung mit Gewinn lesen.

Hagen Hoffmann



Taschenbuch | Erschienen: 01. Mai 2006 | ISBN: 9783826032400 | Originaltitel: Epistemata. Würzburger Wissenschaftliche Schriften | Preis: 295 Euro | 295 Seiten | Sprache: Deutsch

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