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Doctor Who

Fragt man in Deutschland, welches die älteste TV-Science-Fiction-Serie ist, wird er wohl "Raumpatrouille" (1966) antworten. Fragt man einen Amerikaner, wird er "Star Trek" (ebenfalls 1966), unser Raumschiff Enterprise, benennen. Bei einem Briten jedoch würde die Antwort weder "Raumpatrouille" noch "Star Trek" lauten, sondern "Doctor Who". Manch einer mag nun den Kopf schütteln und ein "Nie gehört!" murmeln. Was zu verzeihen ist, denn die Serie ist in unseren Landen, abgesehen von ein paar Anhängern britischer TV-Unterhaltung, gänzlich unbekannt. Auf den britischen Inseln dagegen ist die Serie seit 46 Jahren fester Bestandteil der englischen Kultur.

Der Doktor
Hauptcharakter ist "Der Doktor". Von dieser Bezeichnung her rührt auch der Name der Serie, die übersetzt "Doktor Wer" bedeuten würde - ein Umstand, der auch in einzelnen Folgen parodert wird: "Wer ist das?" - "Der Doktor." - "Doktor Wer?"

Die Time Lords
Der Doktor ist ein Angehöriger einer außerirdischen Rasse namens Time Lords, die von dem Planeten Gallifrey stammt. Die Time Lords besitzen dank eines künstlichen schwarzen Lochs, welches sie das Auge der Harmonie nennen, die Fähigkeit, durch die Zeit zu reisen. Erste Regel bei diesen Reisen ist es jedoch, sich nicht in die Ereignisse von Vergangenheit und Zukunft einzumischen - eine Regel, die der Doktor regelmäßig missachtet und deswegen im Verlauf der Serie auf die Erde ins Exil geschickt, nach einiger Zeit aber wieder rehabilitiert wird.

Die TARDIS
Für ihre Reisen haben die Time Lords eine Art Zeitmaschine entwickelt, welche sie TARDIS, kurz für Time And Relative Dimensions In Space, nennen. Damit diese Maschine in der Epoche, in der sie sich befindet, nicht auffällt, besitzt sie eine so genannte Chamäleon-Steuerung (chameleon circuit), die es ihr erlaubt, eine zeitgenössische Erscheinung anzunehmen. Beim Start der Serie stand den Produzenten aber nur ein geringes Budget zur Verfügung, und so erlitt die TARDIS des Doktors eine Fehlfunktion, die sie in ihrer letzten äußeren Form beließ, in der eines britischen Polizei-Notrufhäuschens, welche in den 1960ern zum britischen Alltag gehörten. Mittlerweile sind diese "phone boxes", deren Rechte in puncto Aussehen mittlerweile der BBC gehören, jedoch längst außer Betrieb genommen und größtenteils von Englands Straßen verschwunden. Gerade dank "Doktor Who" ist die Erscheinung der TARDIS aber immer noch präsent im britischen Gedächtnis.

Anfänge der Serie
Ursprünglich war die Serie als lehrreiches Programm für die ganze Familie für den frühen Samstagabend entwickelt worden. Geschichtliche Episoden, so genannte "historicals", sollten Kenntnisse über frühere Epochen und wichtige Ereignisse der Menschheitsgeschichte vermitteln, während die Zukunftsepisoden Hintergrundwissen über Naturwissenschaften liefern sollten. Unterstützt wurde dies von den beiden ersten Begleitern des Doktors, einer Geschichtslehrerin und einem Lehrer für Chemie und Physik. Bald schon kristallisierte sich heraus, dass die SF-Episoden wesentlich besser beim Publikum ankamen. Zwar gehörten weiterhin geschichtliche Episoden zum Konzept der Serie, lieferten später aber nur noch den Handlungshintergrund für den SF-orientierten Hauptplot.

Feinde
Bereits in der zweiten Folge der Serie sollte ein Phänomen in die Welt des britischen Fernsehens eingeführt werden, das aus dem englischen Raum nicht mehr wegzudenken ist: die Daleks. Diese außerirdische Rasse, die in Kampfrobotern lebt, welche an übergroße Pfefferstreuer erinnern, haben sich mittlerweile einen festen Platz im kulturellen Gedächtnis Großbritanniens erkämpft. Neben den unheimlichen Cybermen und dem Master, dem Erzfeind des Doktors, gehören sie seit Beginn zum festen Repertoire der Serie.

Die Regeneration
1966, im vierten Jahr der Serie, sah sich Hauptdarsteller William Hartnell aufgrund schwerer Krankheit gezwungen, sich von der Schauspielerei zurückzuziehen. Die Verantwortlichen der BBC standen vor der schweren Entscheidung, die beliebte Serie einzustellen oder mit einem anderen Hauptdarsteller weiterzumachen. Nur wie erklärte man dem Publikum einen plötzlichen Gestaltwandel der Hauptfigur? Man einigte sich schließlich darauf, dass der Doktor als Angehöriger der Time Lords die Fähigkeit besitzt, seinen Körper infolge schwerer Verletzungen, Krankheit oder hohen Alters zu erneuern. So geschah es in "The Tenth Planet" ("Der zehnte Planet"), der zweiten Folge der vierten Staffel. Der Doktor kollabierte vor den entsetzten Augen seiner aktuellen Begleiter und regenerierte sich zu einem jüngeren Mann, gespielt von Patrick Throughton.

Der kosmische Schelm
Der zweite Doktor war das komplette Gegenteil zu dem ersten. Zusammen mit seinem Körper hatte sich auch sein Charakter verändert, und anstelle eines alten, oftmals missmutigen Mannes war der Held der Serie nun ein eher schelmischer, aber auch exzentrischer Typ. Auch die Serie veränderte sich und wurde teilweise gewalttätiger und erschreckender, was ihr viel Kritik einbrachte. Patrick Throughton spielte die Rolle des Doktors für vier Jahre, bevor er sich zurückzog und die BBC erneut auf den Regenerationstrick zurückgreifen musste.

In Farbe auf die Erde
Als Rahmenhandlung diente eine Gerichtsverhandlung auf Gallifrey, dem Heimatplaneten des Doktors. Hier wurde ihm von den anderen Time Lords der Prozess gemacht, weil er sich zum wiederholten Male in den Ablauf der Geschichte eingemischt hatte, was nach dem Gesetz seiner Rasse verboten war. Als Strafe zwang man ihn zur erneuten Regeneration und verbannte ihn auf die Erde. Zusammen mit dem Wechsel des Hauptdarstellers gab es eine weitere Neuerung: Die Serie wurde von nun an in Farbe ausgestrahlt.

Bastler und Dandy
Auch der dritte Doktor, gespielt von Jon Pertwee, unterschied sich in seinen Wesenzügen erheblich von seinen beiden Vorgängern. Er fand großen Gefallen an technischen Spielereien und kuriosen Gefährten. Es entstand der Eindruck, die Serie wolle mit ihren Gimmicks den Bond-Filmen Konkurrenz machen. Zudem zeigte der Doktor eine Vorliebe für Capes und Rüschenhemden und erwarb sich somit seinen Ruf als Dandy-Doktor.

Jedem Holmes sein Moriarty
Während seines Exils auf der Erde, das im Laufe von Jon Pertwees Zeit wieder aufgehoben wurde, um den Autoren mehr Möglichkeiten zu bieten, arbeitete der Doktor als Berater für die britische Spezialeinheit UNIT, die sich mit Vorfällen außerirdischer Natur befasste. Hier begegnete der Doktor aber auch seinem ärgsten Feind, einem ausgestoßenen Time Lord namens Master. Dieser sollte von nun an als Erzfeind des Doktors fungieren, der ihn über seine Regenerationen hinaus verfolgte.

Schal und Gummibärchen
1974 endete Jon Pertwees Ära und mit Tom Baker wurde einer der beliebtesten und langlebigsten Doktoren besetzt. Der vierte Doktor war in punkto Exzentrizität nicht zu übertreffen, was sich vor allem in der Auswahl seiner Garderobe - mit einem zwei Meter langen Schal - und seiner Vorliebe für Gummibärchen äußerte. Gleichzeitig verließ er UNIT und die Erde und begab sich wieder auf Wanderschaft durch die Weiten von Zeit und Raum.

Krise einer Serie
Tom Baker prägte das Bild des Doktors mit seiner Schauspielerei, sodass seine Nachfolger, Peter Davison als fünfter und Colin Baker als sechster Doktor, im direkten Vergleich nur verlieren konnten. In der ersten Hälfte der Achtziger befand sich die Serie in einer schweren Krise, woran die schlechten Drehbücher nicht ganz unschuldig waren. Außerdem war mit Michael Grade ein erklärter Feind der Serie zum Vorsitzenden der BBC ernannt worden, der nichts lieber getan hätte, als die Serie umgehend einzustellen.

Der siebte Doktor in Deutschland
Nach dem Debakel mit Colin Baker wurde "Doctor Who" 1987 eine letzte Chance erteilt. Die Rolle des Doktors wurde mit dem schottischen Schauspieler Sylvester McCoy besetzt und der im Metier unerfahrene Andrew Cartmel wurde zum neuen Hauptautor ernannt. Diesem gelang es, der Serie neuen Schwung zu verleihen, indem er den Charakter des Doktors wieder mysteriöser und die Abenteuer wieder glaubwürdiger gestaltete. So gelangten die Abenteuer des siebten Doktors tatsächlich nach Deutschland, wo sie Anfang der Neunziger auf den Privatsendern RTLplus und später auch Vox zu sehen waren.

Das Ende der Serie und der TV-Film
In England dagegen hatte der langsame Todeskampf der Serie mittlerweile ein abruptes Ende gefunden. 1989 wurde mit Ablauf der 26. Staffel die Abteilung "Doctor Who" der BBC geschlossen. Philip Segal, ein Fan, der mittlerweile in Hollywood arbeitete, hegte jedoch Pläne, die Serie ins Fernsehen zurück zu bringen. Und tatsächlich erschien nach Überwindung vieler Hürden 1996 in einer amerikanisch-britischen Koproduktion der erste "Doctor Who"-TV-Film. Trotz des starken Einflusses der amerikanischen TV-Industrie blieb der Film auffallend britisch. Im Los Angeles kurz vor der Jahrtausendwende trat ein frisch regenerierter Doktor, dargestellt von Paul McGann, gegen seinen Erzfeind, den Master, an. Leider gelang es dem Film dennoch nicht, genügend Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, und so wurden auch die Pläne für eine neue Serie wieder begraben.

Die Wiedergeburt
Sechs Jahre vergingen, in denen Doktor Who gestorben zu sein schien, als 2004 eine unglaubliche Nachricht die Runde machte: Unter der Federführung des erfolgreichen britischen Drehbuchautors Russell T. Davies, der sich unter anderem für das britische Original der Serie "Queer as Folk" verantwortlich zeigte, sollte der Mythos neu aufleben. So saß das britische Fernsehvolk im Frühjahr 2005 gespannt vor den Bildschirmen, um die erste Staffel einer rundum erneuerten "Doctor Who"-Serie mitzuverfolgen. Die Hauptrolle hatte der beliebte britische Schauspieler Christopher Eccleston übernommen, der in Deutschland vor allem durch seine Rolle in der Serie "Für alle Fälle Fitz" bekannt geworden war.

Erfolge der neuen Serie
Begeistert wurde die neue Serie aufgenommen. Die 13 Folgen der ersten Staffel bestachen durch ausgeklügelte Drehbücher, eine fortlaufende Handlung und die Rückkehr der beliebtesten Feinde des Doktors, den Daleks. Bedauerlicherweise verkündete Eccleston schon nach einer Staffel seinen Ausstieg aus der Serie, aus Angst, für den Rest seiner Karriere mit dem Doktor identifiziert zu werden. Somit kamen die jungen Zuschauer in der letzten Folge der neuen Staffel erstmals in den Genuss einer weiteren Regeneration.

Zukunftsaussichten
Zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Artikels läuft in England, mit dem Schotten David Tennant in der Hauptrolle, die zweite Staffel der neuen Serie. Ein Ende des derzeitigen Erfolges ist nicht abzusehen. "Doctor Who" wird von der BBC derzeit in verschiedenste Länder verkauft. Auch Deutschland könnte bald in den Genuss der Abenteuer des Doktors kommen, denn Pro Sieben hat die Ausstrahlungsrechte für die erste und zweite neue Staffel sowie das dazwischen liegende Weihnachts-Special erworben. Ob sich das deutsche Publikum für den neuen Doktor erwärmen kann, wird sich zeigen. In England ist mittlerweile eine dritte Staffel in Auftrag gegeben worden, ebenso wie eine Ablegerserie namens "Torchwood". Darin geht es um eine Geheimorganisation ähnlich UNIT, welche sich mit außerirdischen Bedrohungen der Erde befassen soll. Hauptcharakter hierbei ist der Außerirdische Conman Captain Jack Harness (dargestellt von dem Briten John Barrowman), der sich bereits in den letzten fünf Folgen der Staffel von 2005 großer Beliebteit erfreuen durfte.

Weitere Medien
"Doctor Who" hat nicht nur im Fernsehen zu ansehnlichem Erfolg gefunden. Auch Romane und Hörspiele werden in beträchtlichem Maße produziert und unterstreichen damit die Beliebtheit der Serie. Aufgrund der hohen Qualität dieser Produkte wäre es allerhöchste Zeit, dass der neue Doktor auch in Deutschland der breiten Masse vorgestellt wird.

Markus Goedecke