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Otherland und anderes
Interview mit Tad Williams
Tad Williams ist der Autor der "Otherland"-Tetralogie. Er wurde 1957 in den USA geboren und hat bislang Werke aus den Genre Fantasy und Science-Fiction veröffentlicht. Seine bislang erfolgreichsten Reihen sind die Tetralogien "Osten Ard" und "Otherland", wobei letztere als größte Hörspielproduktion aller Zeiten in Deutschland umgesetzt wurde und gerade darum in dieser Magazin-Ausgabe auch ausführlich vorgestellt wird. Sein neuestes Werk bewegt sich wieder im Fantasy-Bereich: Die "Shadowmarch"-Trilogie.
Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit war Tad Williams unter anderem auch schon als Musiker, Illustrator, Journalist und Dozent tätig - einer der Gründe, warum Media-Mania.de sich beim mit Tad geführten Interviews nicht allein auf Fragen zu "Otherland" beschränkte.

Hallo Tad und vielen Dank zunächst einmal, dass du dir die Zeit nimmst, einige Fragen zu dir und deiner Arbeit zu beantworten. Gleich zu Anfang drängt sich die Frage auf: Was inspiriert dich mehr, wenn du ein Buch schreibst: Die Idee, eine Geschichte erzählen zu wollen oder die Aussage, die du dem Leser darüber mitteilen möchtest?

Die Geschichte steht immer an erster Stelle. Manchmal denke ich an ein wichtiges Thema, das ich in die Geschichte einbinden will - was einer damit verbundenen Aussage sehr nahe kommt -, aber die Geschichte selbst hat immer Priorität. Wäre es anders, würde ich Sachbücher schreiben.

Bis heute hast du in sehr vielen Jobs gearbeitet - wie viele davon hast du gemacht, weil du sie mochtest und wie viele waren ein notwendiges Übel, um Geld zu verdienen?

Wenn es nichts Kreatives war, wenn es keine Kunst war, Theater, Radio oder etwas in dieser Art, dann ging es immer nur um das Geld verdienen. Ich hatte schon immer das Gefühl, dass ich davon leben könnte, etwas Kreatives zu tun, etwas, das ich liebe, also habe ich lediglich andere Jobs angenommen, um die Rechnungen bezahlen zu können, bis das Schreiben sich schließlich als das entpuppte, womit ich Karriere machen konnte.

Welche Arbeit (abgesehen von der eines Autors) hat dich sonst am meisten erfüllt, und welche hat dich am meisten über Leute und das Leben gelehrt?

Unterrichten, da bin ich ganz sicher. Viele von den Dingen, die ich herausfand und lernte, während ich in einer Schule arbeitete, sind noch immer sehr wichtig für mich. Ich denke, wenn ich je wieder einer "normalen" Tätigkeit nachgehen müsste, fiele meine Wahl auf das Unterrichten.

Welches Jahr würdest du spontan als denkwürdigstes oder einprägsamstes Jahr deines bisherigen Lebens bezeichnen und warum?

Wahrscheinlich würde ich sagen 1972, das Jahr, in dem ich Fünfzehn war, weil eine Menge einprägsamer Dinge in diesem Jahr geschehen sind. Es ist eines der Jahre, die einem für immer im Gedächtnis bleiben - all die Lieder, Filme und Fernseh-Shows aus diesem Jahr haben eine große Bedeutung für mich.
Ich lernte meine erste Freundin kennen, begann mit dem Theater, was während meiner Zeit an der Junior-High eine wichtige Sache für mich war, kandidierte als Präsident der Studentenschaft (und gewann!) und fing an, eine erste Richtung für mein Teenagerdasein zu entwickeln.

Bist du eigentlich noch immer Nichtraucher (Gratulation zum Aufhören)?

Ja, ich bin noch immer Nichtraucher. Ich denke, dieses Mal habe ich es wirklich dauerhaft geschafft.

Da Fantasy ein großes Thema bei dir ist und auch Otherland durch Mittland, der virtuellen Welt, in der Orlando und Sam spielen, einen solchen Touch bekommen hat: Inwieweit sind dir selbst Rollenspiele, Pen & Paper oder Online-Spiele wie Everquest oder World of Warcraft, bekannt oder spielst du sie selbst vielleicht sogar?

Ich kenne sie, sicherlich, und ich kenne auch Leute, die diese Spiele spielen, aber ich selbst hatte nie die Zeit oder das Interesse, selbst damit anzufangen. Im Gegensatz zu den meisten Menschen habe ich eine sehr gute Alternative: Ich erfinde meine eigenen Welten, schreibe über sie und verkaufe diese Geschichten dann an die Leute.

Was hast du mit dem Corine-Preis gemacht, den du 2004 für "Otherland" bekommen hast?

Er steht auf dem Kaminsims hinter meinem Schreibtisch, zusammen mit einigen anderen gehüteten Besitztümern, unter einer durchsichtigen Plastikabdeckung, die den gesamten Kamin umsoannt und all diese Dinge davor schützt, von den verrückten Katzen in unserem Haus heruntergeworfen zu werden.

Hast du eigentlich auch Lampenfieber, vor Lesungen oder auch beim Verleih des Corine-Preises 2004?

Eigentlich nie. Bei der Verleihung des Corine-Preises war ich ein wenig angespannt, weil ich etwas in deutscher Sprache vorgelesen habe, aber das ist wirklich eine Ausnahme. Eigentlich LIEBE ich es, Lesungen zu halten.

Hat jemand deinen Vater dazu bringen können, Otherland zu lesen oder das Vorwort, das du an ihn geschrieben hast?

Er hat herausgefunden, dass es diese Einleitungen gibt, obwohl niemandem so wirklich klar ist, wie oder wann (mein Vater ist so - ein bisschen vage bei allem). Ich denke aber nicht, dass er je über die Einleitungen hinaus gekommen ist.

Wie kamst du darauf, Orlando Gardiner in Otherland ausgerechnet an einer so seltenen Krankheit wie der Progerie leiden zu lassen?

Progerie ist eine derart sonderbare und seltene Krankheit, dass es Sinn macht zu sagen, dass es auch in einigen Jahrzehnten noch kein Heilmittel dagegen geben wird. Außerdem verbindet die Krankheit Jugend und hohes Alter miteinander, was zum hauptsächlichen Thema der Otherland-Geschichte passt: Sterblichkeit und wie wir Menschen darauf reagieren.

Obwohl Otherland eigentlich ein Science-Fiction-Setting ist, findet man dort auch eine große Portion "Magie" und Glauben. Welche Art von "Magie" steckt deiner Meinung nach in jedem Menschen, unabhängig davon, ob sie genutzt wird oder nicht?

Ich glaube vor allem daran, dass man sich - egal, worum es geht - nicht zu sicher sein sollte. Im Grunde heißt das auch, dass ich selbst ein praktischer Rationalist bin. Ich selbst glaube an das, was ich sehe und das, was funktioniert und bei dem man beweisen kann, dass es das tut, aber ich glaube auch nicht NICHT an irgendetwas. Mein persönlicher Standpunkt ist zu klein, als dass ich sagen könnte, was wirklich ist und was nicht.
Wie auch immer - wenn ich irgendwo hinfliegen wollen würde, würde ich ein Flugzeug benutzen und keinen Besen. Aeodynamik scheint mir in diesem Fall beispielsweise die bessere Wahl im Vergleich zur Hexerei.

Hast du die deutsche Hörspielumsetzung von Otherland mal vollständig gehört? Falls ja, welche zwei Stimmen trafen am besten die, die du den Figuren auch zugeordnet hättest?

Ja, allerdings ist es sehr schwer, sich auf nur zwei festzulegen, aber die weibliche Stimme von Sam und die von Beezle sind mit Sicherheit beide sehr dicht an der Ausstrahlung der Charaktere und am Gefühl, das ich mir für sie vorgestellt hatte.

Nachdem du Otherland so oft selbst gelesen hast - hast du dich mit deinem Werk mittlerweile wieder versöhnt?

Ich liebe es und ich bin stolz darauf - ich möchte es bloß nicht mehr lesen. Wir werden für eine Weile sehr gesunde, aber voneinander getrennte Leben führen. Zumindest so lange, bis daraus ein Spiel oder ein Film wird ...

Zu guter letzt: Vielen Dank für dieses Interview, Tad! Ich wünsche dir und deiner Familie alles Gute für die Zukunft und dir die Inspiration, immer weiter zu schreiben.

Ich danke ebenso und alles Gute!
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