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Interview mit Eva Baronsky über ihren Roman "Herr Mozart wacht auf"
Interview mit Eva Baronsky
Media-Mania.de: Frau Baronsky, in Ihrem Roman "Herr Mozart wacht auf" findet sich Wolfgang Amadeus Mozart scheinbar direkt nach seinem Hinscheiden im Jahr 1791 in einer Wiener WG und im Jahr 2006 wieder und muss sich nun durch ein Leben und eine Welt schlagen, die nicht die seinen sind. Das beginnt mit der vergeblichen Suche nach einem Nachttopf und der Konfrontation mit silbernen Scheiben, aus denen Musik kommt, und endet vorläufig in der Psychiatrie. Wie kamen Sie auf die Idee zu diesem Roman?

Eva Baronsky: Die Idee kam zustande, als ich mir Gedanken über die Mobilität von Musik machte – Musik ist ja beinahe grenzenlos mobil geworden, fast jeder trägt einen Stöpsel im Ohr, und die Kleine Nachtmusik ist ein beliebter Telefon-Klingelton. Da habe ich mich gefragt: Was würde eigentlich Mozart dazu sagen? Und mir vorgestellt, wie es wäre, wenn er tatsächlich da wäre, bei mir, ich ihn mitnehmen könnte, wir zusammen im Auto durch die Dunkelheit führen und dabei Musik hörten. Aus der Frage, wie er das fände, entstand schließlich der Roman.

Media-Mania.de: Damit ein solches Werk stimmig wirkt, ist viel Recherche erforderlich. Mozarts Sprache muss stimmen, Menschen aus seinem "alten" Umfeld und seine Erinnerungen müssen aus seiner Sicht stimmig eingefügt werden, und natürlich mussten Sie auch seine Werke gut kennen. Wie sind sie an den Roman herangegangen? Hatten Sie das Konzept schon fertig und haben dann recherchiert, oder kam die Recherche erst während des Schreibens? Und wie viel Zeit haben Sie für diesen komplexen Roman insgesamt benötigt?

Eva Baronsky: Zunächst einmal gab es diese Idee. Aus der sich dann eine Menge Fragen ergaben – biografischer und vor allem musikalischer Natur. Ich habe sehr viel gelesen und Musik gehört, um mich einzuarbeiten, die Recherche war damit aber längst nicht abgeschlossen, weil sich immer wieder neue Fragen ergaben. Deren Antworten waren teilweise überraschend und haben die Geschichte, auch während des Schreibens, immer wieder beeinflusst. Das reine Schreiben hat ungefähr anderthalb Jahre in Anspruch genommen.

Media-Mania.de: Und wie haben Sie sich in Mozarts für uns völlig antiquierte Sprache eingefunden? Haben Sie zum Beispiel Schriften in dieser Sprache gelesen?

Eva Baronsky: Wolfgangs Sprache, die ja nicht nur antiquiert, sondern auch ein bißchen österreichisch ist, hat mir eher Spaß als Mühe bereitet, sie war einfach da, ohne dass ich mich groß hineinfinden musste. Einzig die Briefe, die Mozarts Briefsprache nachempfunden sind, hätte ich ohne intensive Vorbereitung nicht schreiben können. Dafür musste ich mich zwei Tage in der leer stehenden Wohnung einer Kollegin verschanzen und rund um die Uhr Mozart-Briefe lesen und hören, förmlich bis zum Erbrechen – wenn ich das mal so ausdrücken darf.


Media-Mania.de: Besonders schwierig, aber auch reizvoll muss es gewesen sein, Mozart, eine historische Figur, mit einem lebendigen Charakter, einem Wesen auszustatten – man sieht ihn ja beim Lesen vor sich, mag ihn irgendwie, er tut einem Leid in seiner absolut glaubwürdig dargestellten Verzweiflung, und seine Empfindungen beim Komponieren, aber auch in der Liebe stellen Sie so dar, wie zumindest ich sie bestens mit meinem Mozart-Bild vereinbaren kann. Welche Quellen haben Ihnen als Vorlage für Mozarts Charakter gedient?

Eva Baronsky: Ganz klar seine Briefe und seine Musik. Die Kombination von beidem. Zu der dann viel eigene Vorstellung kam. Wie gut ich ihn damit tatsächlich getroffen habe, kann ich selbst kaum noch beurteilen. Aber darauf kam es beim Schreiben irgendwann nicht mehr an, weil die Person Wolfgang sich entwickelt und emanzipiert hatte. Aber dieser Mensch, den ich da beschreibe, hat natürlich ganz viel von Mozart oder soll ganz viel von ihm haben und dabei waren mir schriftliche Zeugnisse sehr hilfreich. Denn das Tolle an Mozart ist, dass er so viel hinterlassen hat und man ihn durch seine Briefe sehr intensiv entdecken kann.

Media-Mania.de: Ja, da ist zum Beispiel dieser Schalk …

Eva Baronsky: Nicht nur Schalk, da stecken auch sehr große Klugheit und durchaus etwas Verschlagenheit und Gemauschel drin; wenn man eine Weile liest, seine Aussagen biografisch einordnet und seine Musik dazu hört, bekommt man eine Ahnung davon, was alles zwischen den Zeilen steht. Das ist hochspannend und bietet ganz viel Einblick in seinen Charakter.

Media-Mania.de: Sie arbeiten, wie ich las, im Brotberuf als Beraterin für Kommunikation und als Journalistin und haben auch von der Ausbildung her offensichtlich nichts mit Musik zu tun. Ihr Roman verlangt Ihnen aber gute Kenntnisse in Musikgeschichte und auch Einfühlungsvermögen in klassische wie moderne Musik ab – so müssen Sie nachvollziehen, wie Mozart die nach seinem Tod komponierte Musik, also Schubert, Chopin, Tschaikowsky bis hin zum Jazz, empfunden hätte, was Ihnen sehr glaubwürdig gelingt. Gerade die Kombination Mozart und Jazz ist sehr reizvoll. Welche Verbindung haben Sie zur Musik, speziell zu der Mozarts, und welche Art von Musik lieben Sie am meisten?

Eva Baronsky: Von Anfang an war die zentrale Frage bei der Arbeit an diesem Buch, welche Musik Mozart heute machen würde. Das war sozusagen mein Ausgangspunkt. Ich habe Musiker und Musikwissenschaftler danach gefragt, und im Prinzip keine brauchbare Antwort bekommen. Das hat mich hellhörig gemacht und mein Interesse noch mehr angestachelt. Letztlich musste ich mir die Frage also selbst beantworten und habe meinen Wolfgang, nach reiflicher Überlegung, dem Jazz zugeschrieben. Aus der Hoffnung, er möge damit einverstanden sein, wurde mit der Zeit fast so etwas wie Gewissheit. Es gab natürlich Überlegungen in andere Richtungen, aber die habe ich recht bald wieder verworfen.
Zum Jazz kam ich, weil ich selbst mit Jazz ganz viel anfangen und mich daher gut hineindenken kann, und weil Mozart ein ganz großer Improvisator war. Selbst in einer Zeit, in der das Improvisieren für jeden Pianisten selbstverständlich dazugehörte, was heute nicht mehr unbedingt der Fall ist.
Meine persönlichen Vorlieben liegen - wer hätte das gedacht -, im Jazz und in der sogenannten ernsten Musik verschiedener Epochen. Nicht nur, aber natürlich auch bei Mozart. Wobei für mich immer häufiger die Instrumente den Ausschlag geben – und da steht bei mir an allererster Stelle das Klavier. Sein Klang bedeutet mir sehr viel.

Media-Mania.de: "Herr Mozart wacht auf" ist meines Wissens Ihr Erstlingswerk. Haben Sie zuvor schon Belletristik verfasst, oder ist der Roman sozusagen spontan entstanden? Und arbeiten Sie bereits an einem neuen Buch?

Eva Baronsky: Mein zweites Buch wird im nächsten Herbst bei Aufbau erscheinen. Derzeit arbeite ich an einem weiteren, zu dem ich aber noch nicht viel sagen kann, außer, dass Musik wohl wieder eine Rolle spielen wird, wenn auch eine ganz andere. „Herr Mozart“ ist in der Tat mein erster Roman, zuvor habe ich mich an Kurzprosa versucht und ein wenig experimentiert.

Media-Mania.de: Sie haben gewissermaßen den Durchbruch geschafft: Ihr Roman ist verdientermaßen bei einem renommierten Verlag erschienen. Dazu gehören nebst Talent viel harte Arbeit und Selbstkritik, Durchhaltevermögen, vielleicht ein Quäntchen Glück, aber auch "Gewusst-wie". Haben Sie Tipps für ambitionierte Nachwuchs-Autoren?

Eva Baronsky (überlegt): Es gibt so viele davon. Im Prinzip, Sie haben es gesagt, hat es ganz viel mit Durchhaltevermögen zu tun, aber auch mit Selbstkritik.

Media-Mania.de: Und wen sollte man Probe lesen lassen? Gestern sprach ich mit einer Autorin, die auch relativ spontan bei einem anderen Verlag groß herauskam, und sie sagte, bloß nicht die Freunde lesen lassen, sondern Leute, die einem nicht unmittelbar wohlgesonnen sind.

Eva Baronsky: Richtig. Idealerweise sollte man Profis lesen lassen. Menschen also, die beurteilen können, was man da geschrieben hat, die eventuell auch die Vermarktbarkeit eines Manuskripts einschätzen können. Tante Frieda wird immer sagen: "Das hast du fein gemacht, Kind." Die hat aber im Zweifel wenig Urteilsvermögen, sondern ist nur ehrlich stolz auf den jungen Autor.
Nach meinen eigenen Erfahrungen ist es außerdem sehr wichtig, sich nicht entmutigen zu lassen. Ein Gleichgewicht zu finden zwischen der eigenen, inneren Stimme und den vielen fremden, die sich, vor allem am Anfang, schwer einschätzen lassen.

Media-Mania.de: Zum Abschluss noch eine Standardfrage: Welches Buch liegt zurzeit auf Ihrem Nachttisch? Oder haben Sie keine Zeit zum Lesen?

Eva Baronsky: Zeit zum Lesen muss ich mir einfach nehmen, ich habe meistens ein Buch dabei und lese, wann immer ich irgendwo warten muss, im Zug sitze oder auch beim Kochen oder beim Zähneputzen. Auf und vor meinem Nachttisch liegen mehrere Stapel. Bücher, die ich immer mal lesen wollte, Bücher, die ich unbedingt lesen muss, Recherchelektüre, natürlich, und Bücher, die ich gerade gelesen habe und von denen ich mich nicht trennen kann. Was liegt obenauf?
Für die S-Bahn heute habe ich mitgenommen "Dinge, die verschwinden" von Jenny Erpenbeck. Ich mag Jenny Erpenbeck sehr gerne. – Und auf dem Nachttisch liegt Joan Didion drauf. Da liegt drauf … (überlegt). Kalt erwischt. Da liegt so viel drauf.

Media-Mania.de: Das Problem kenne ich auch wie wohl alle, die gerne lesen, und ich wünsche Ihnen, dass Sie dazu kommen, den Stapel abzubauen. Und im Namen von Media-Mania.de bedanke ich mich für das Interview und wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute und viel Erfolg!

Eva Baronsky: Danke, das wünsche ich Ihrem Portal auch!

Das Interview fand am 15.10.2009 auf der Frankfurter Buchmesse am Stand des Aufbau-Verlags statt und wurde von Regina Károlyi geführt.
Foto: Regina Károlyi

Link zur Rezension bei Media-Mania.de
Geführt von Regina Károlyi am 14.10.2009