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Heike Faller über ihr Jahr unter Spekulanten
Interview mit Heike Faller
Das Buch zum Interview ist hier zu finden.

Media-Mania.de: Frau Faller, Sie haben während eines Jahres versucht 10.000 Euro zu verdoppeln, sind in die Finanzkrise geraten und haben kaum etwas gewonnen, aber auch nichts verloren, anders als viele andere. Was, meinen Sie, hat Sie davor bewahrt?

Heike Faller: Ich habe die Krise ernst genommen und Anfang 2008 nicht geglaubt: Das ist nur eine kleine Immobilienkrise, die geht schnell vorbei. Ich dachte, die Welt wird einstürzen, und dementsprechend habe ich mich als Anlegerin verhalten. Ich habe also eher auf die Krise gesetzt.

Media-Mania.de: Sie schreiben, jeder macht Fehler. Welche Fehler haben Sie gemacht und was haben Sie in dem Jahr als Spekulantin gelernt?

Heike Faller: Der Fehler, den ich ganz am Anfang gemacht habe, war Selbstüberschätzung: Man macht einen Gewinn und schreibt ihn seinem Talent zu, nicht dem Glück. Das machen fast alle Anleger so, und das ist ein Riesenfehler. Man denkt: Ich mache das zu meinem Beruf, ich bin offenbar super. Der zweite Fehler war, dass ich diesen Beratern so sehr vertraut habe, dass ich die so klasse fand und wirklich alles auf eine Karte gesetzt habe. Irgendwann begreift man, dass es immer um Wahrscheinlichkeiten geht. Im besten Fall liegt mein Berater in 51% der Fälle richtig. Mit Privatgeld alles auf eine Karte zu setzen, so wie ich es getan habe, das macht man nicht, auch nicht, wenn der Berater Warren Buffett ist. Man sollte also Finanzberatung nicht mit einem Arztbesuch verwechseln, bei dem man sehr hohe Chancen auf die richtige Diagnose hat. Und dann der klassischste Fehler aller Anleger: Alle reden von Emergent Markets, alle reden von China und ich schließe aus der Vergangenheit auf die Zukunft, sprich: Ich steige in Hundemärkte ein. Das ist mir so nicht passiert, aber das ist eigentlich der größte Fehler. Wenn man den vermeidet, dann ist man schon gut dran.

Media-Mania.de: Und was haben Sie über sich selbst gelernt in diesem Jahr?

Heike Faller: Zum einen, dass ich, mehr als ich glaubte, zur Selbstüberschätzung neige. Ich bin davon ausgegangen, dass es an mir liegen muss, wenn sich meine Privatanlagen verdoppeln. Das hätte ich nicht von mir gedacht. Und zum anderen, dass man besonders als Journalistin Annahmen über die Welt trifft, zum Beispiel: Der Krieg im Irak wird soundso ausgehen. Wenn man mit seinen Annahmen daneben gelegen hat, vergisst man das einfach. Man erinnert sich nur an die Sachen, bei denen man richtig lag. Wenn man dann Geld anlegt, wobei man ja auch Annahmen über die Welt trifft, lernt man, dass man sehr oft daneben liegt, und das macht einen als Journalistin bescheidener. Wäre ich Leitartiklerin, was ich nicht bin, würde ich, glaube ich, nie wieder so eine apodiktische Aussage machen, weil das totaler Unsinn ist.

Media-Mania.de: Was soll oder kann der Leser ihres Buches lernen?

Heike Faller: Meine Traumleser sind Leute, die es hassen, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, die null Ahnung haben und auf jeden Boom reinfallen würden. Wenn man wirklich keine Ahnung hat, lernt man, glaube ich, eine ganze Menge. Im besten Falle macht man sich einfach mit verschiedenen Anlageformen vertraut und kann die nächste große Falle vermeiden, und die nächste große Falle ist unter Umständen der Gedanke: Ich bring das Geld aufs Sparbuch, das ist sicher. Aber das ist nicht sicher.

Media-Mania.de: Wollen Sie mit Ihrem Buch die Hürde zum Spekulieren für Menschen, die keine Ahnung haben, höher legen und davor warnen, oder eher tiefer?

Heike Faller: Wenn „Spekulieren“ bedeutet, sein Geld aktiv anzulegen, also nicht im Sinne von Pokern, dann soll die Hürde eher tiefer gelegt werden. Leute wie meine Tante sagen sich: Ich will kein Risiko eingehen, ich bring lieber alles aufs Sparbuch. Und sie glauben, sie verhalten sich nicht spekulativ. Aber sie setzen alles auf eine Karte und verhalten sich damit total spekulativ. Auf dem Sparbuch kann viel Geld durch Inflation, Hyperinflation, Währungsreformen verloren gehen. Sie glauben, sie machen etwas Sicheres, verhalten sich aber spekulativ. Viel besser fände ich, wenn diese ganzen Ahnungslosen mein Buch lesen, anfangen sich dafür zu interessieren und sagen: Ich mach was Aktives, ich tu es nicht defensiv aufs Sparbuch, sondern ich setze es auf indonesische Aktien – ein neuer Tipp (lacht).

Media-Mania.de: Am Ende schreiben Sie, dass Sie sich mit dem Kapitalismus und seinen Vertretern, den Bankern, ausgesöhnt haben. Was hat dazu geführt und würden Sie jetzt die FDP wählen?

Heike Faller: Vor der Frage, die FDP zu wählen, stand ich ja gerade und habe es in der Tat kurz überlegt - allein der Gedanke ist für mich irre -, vor allem wegen der Staatsschulden. Die sind ja meine größte Sorge. Ich habe dann aber doch nicht FDP gewählt.
Und zum Kapitalismus: Mein Bild davon war ein so stupides, negatives und dummes und auch irgendwie selbstgerechtes. Man lebt ganz prächtig davon und kritisiert es die ganze Zeit. Was mich dann ausgesöhnt hat, waren zum einen die Leute, die Banker, die Hedgefondmanager - das sind alles Menschen, ganz normale Menschen, keine Schweine. Das ist keine tiefe Erkenntnis, sondern spricht für meine Borniertheit. Wenn man da raus geht, wie nach Kurdistan, und mit Leuten Verträge abschließt, handelt, dann merkt man, dass das nicht nur so ein kaltes Ich-geh-an-die-Börse-spekulieren-und-andere-leiden-darunter ist, sondern dass das auch wirklich ein Handeln mit anderen Leuten auf Augenhöhe ist – hoffentlich. Ich muss dann einem irakischen Geschäftspartner vertrauen und ihn einschätzen, er muss mir vertrauen. Das hat alles ganz viel mit Augenhöhe zu tun. Das ist eine andere Art von Beziehung, als wenn ich als Almosengeber dort hinfahre. Und das hat mir irgendwie gefallen. Das ist jetzt ein bisschen sehr pathetisch gesprochen, aber Kapitalismus hat auch was mit Völkerverständigung zu tun: Zwei Leute aus unterschiedlichen Ecken der Welt wittern ein Geschäft, von dem sie beide profitieren. Und für einen Moment sind sie einander gegenüber loyal und nicht gegenüber irgendwelchen abstrakten Kriterien. Das ist Handel. Und das ist etwas Tolles, das so zu erleben.

Media-Mania.de: Banken und Banker haben in der Gesellschaft ein eher negatives Image. Viele Leute sehen Banker als Menschen, die mit dem Geld anderer Leute Glücksspiel betreiben. Wo sehen Sie die Verantwortung von Banken und Bankern in der Finanzkrise und auch für die Zukunft? Sprechen Sie ihnen Verantwortung zu?

Heike Faller: Ja, aber man kann sich nicht darauf verlassen. Man kann bei keiner Organisation, auch nicht bei „Ärzte ohne Grenzen“, erwarten, dass sie aus einem Verantwortungsgefühl heraus gut ist oder sich richtig verhält. Das hat man ja versucht, so nach dem Motto: Wenn alle ihrer Gier folgen, dann wird schon alles gut, und das ist ja nun leider gescheitert. Ich sehe die Verantwortung eher bei den Politikern, Regeln aufzustellen, die sich die Banken jetzt leider nicht mehr aussuchen können. Dass die durch Lobbyarbeit versuchen, das alles wieder zu lockern - so ist halt die Institution Bank. Was einzelne Banker betrifft: Da hat sicherlich jeder die Verantwortung zu schauen, ob das Geschäft, das er betreibt, ein nachhaltiges ist oder nicht, aber viele Banker haben auch darauf geachtet. Ich finde es wichtiger am abstrakten System etwas zu ändern, als moralische Appelle an irgendwen zu richten.

Media-Mania.de: Eine Frage zum Schriftstellerischen: Haben Sie Tagebuch geführt und haben Sie vorher schon gewusst, dass Sie ein Buch aus ihren Erfahrungen machen würden?

Heike Faller: Ich habe das alles nur gemacht, weil ich ein Buch schreiben wollte. Ich hätte das Geld sonst anders angelegt, auch angelegt, aber nicht so. Und ich habe einfach jeden Abend Notizen gemacht, meine Diät waren, glaube ich, 3000 Zeichen am Tag.

Media-Mania.de: Eine letzte Frage: Was würden Sie Kleinanlegern raten? Würden Sie Ihnen überhaupt irgendwas raten?

Heike Faller: Da muss man natürlich immer sehen: Wie alt ist die Person, wie lange will sie noch anlegen, was will sie mit dem Geld machen – all diese langweiligen Fragen. Jemandem, der 35 Jahre ist, 20.000 Euro zur Verfügung hat und will, dass das Geld auch in zehn Jahren noch dieselbe Kaufkraft hat, dem würde ich raten: ein Drittel MSCI Emerging Markets Index, ein Drittel Cash und ein Drittel Gold und Silber in einem Schließfach. Der MSCI Emerging Markets Index hat ganz viele Emergent Markets, ist ganz billig und hat keine Gebühren, das ist immer wichtig. Damit sollte man verschiedene Szenarien von Inflationen ausgeglichen überstehen können. Jemandem, der 35 Jahre alt ist und in zehn Jahren deutlich mehr Geld haben will, dem würde ich raten: eine Hälfte MSCI Emerging Markets Index und eine Hälfte Silber. Viel komplizierter ist es nicht und ich glaube, das ist eine Art von Investment, bei dem man gut ausgeglichen ist.
Viele glauben: Ich hab ja eine Immobilie. Aber wahrscheinlich werden Immobilienpreise krass sinken in Deutschland. Das ist total spekulativ. Genau wie alles aufs Sparbuch zu bringen und damit alles auf eine Karte zu setzen.

Media-Mania.de: Sie raten also, sich zu informieren und sich nicht einfach einem Berater anzuvertrauen?

Heike Faller: Die meisten haben einfach wirklich keine Ahnung von volkswirtschaftlichen Dingen, die sind daran interessiert, das Portfolio wegen der Gebühren umzuschichten. Es gibt eine sehr gute Beratung bei der Quirin Bank, für die bezahlt man aber, und das lohnt sich so richtig wegen der Gebühr erst ab 50,000 Euro. Die ist aber wirklich klasse. Man zahlt pro Monat zwar 70 Euro, aber deshalb wird nicht die ganze Zeit umgeschichtet und man verliert kein Geld an schlechte Beratung. Das kann ich also Leuten ab 50.000 Euro empfehlen. Und ansonsten ist Sich-Informieren natürlich gut. Da würde ich tatsächlich sagen, wer gar keine Ahnung hat, hat mit meinem Buch einen guten Einstieg und dann Max Otte, „Der Crash kommt“. Wenn man beide gelesen hat, hat man eine ganz gute Ahnung.

Media-Mania.de: Vielen Dank.
Geführt von Katja Maria Weinl am 13.10.2009