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 Takva

Gottesfurcht


Cover
Gesamt ++++-
Action
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Extras
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton


Istanbul ist eine Stadt der Widersprüche: Tradition trifft hier auf Moderne, Armut auf Reichtum, Glaube auf weltliche Freuden und Leiden. Gerade das letzte, konfliktschwangere Gegensatzpaar ist Thema einer türkisch-deutschen Gemeinschaftsproduktion. "Takva - Gottesfurcht" heißt der Independent-Film, der von Erfolgsregisseur Fatih Akin ("Kurz und schmerzlos", "Gegen die Wand") mitproduziert wurde. Epix bringt den preisgekrönten Film im Originalton mit deutschen Untertiteln auf DVD.

Muharrem (Erkan Can) ist ein gläubiger Mann im mittleren Alter. Er lebt bescheiden und alleinstehend im Haus seiner verstorbenen Eltern und verdient seinen Lebensunterhalt als Handlanger bei einem Sackhändler in Istanbul. Sein oberstes Ziel ist es, gottgefällig zu leben. Deshalb gehört er schon seit jungen Jahren einem sektisch-religiösen Orden an, dem er sein Leben und seine ganze Kraft verschrieben hat. Als der Scheich des Ordens Muharrem mit der Buchhaltung und den weltlichen Geschäften beauftragt, die das Weiterbestehen der ordenseigenen Koranschulen sichern, nimmt er die ihm zuteil werdende Ehre bereitwillig an. Noch ahnt er nicht, welche Gewissenskonflikte ihm die Eintreibung von Mieten, die finanzielle Verantwortung und die neu gewonnene Autorität einbringen werden. Schon bald weiß der gottesfürchtige Mann nicht mehr, was er tun soll, muss und kann. Als er aus einem Impuls heraus bei einem Geschäftsabschluss zu viel Geld verlangt und dieser Betrug immer größere Kreise zieht, sucht er geistigen Beistand beim Scheich - vergebens. Muharrem wird immer mehr zu einem Schatten seiner selbst: gegeißelt von seinem Gewissen, getrieben von seinem religiösen Eifer und verfolgt von lüsternen Albtraumszenarien treibt er unaufhaltsam auf eine Katastrophe zu ...

Der erste türkische Beitrag zum US-amerikanischen Oscar-Wettbewerb, mit vielen nationalen und internationalen Preisen überhäuft: "Takva - Gottesfurcht" ist anspruchsvolle, hochkarätige Kost. Die Low-Budget-Produktion, die in der Türkei zum Überraschungserfolg avancierte, kreist unentwegt um ein großes Dilemma der modernen islamischen Zivilisation: Ist traditioneller Glaube mit westlich-kapitalistischen Lebenszielen zu vereinbaren? Explizit wird diese Frage freilich nie gestellt geschweige denn beantwortet, aber unterschwellig ist die Thematik auf eine subtile Weise allgegenwärtig. Getragen wird der gesprächslastige Film von den stark aufspielenden Darstellern - allen voran Erkan Can als Muharrem -, der präzisen Inszenierung von Özer Kiziltan und Gökçe Akçeliks atmosphärischem Score. "Takva - Gottesfurcht" rührt vielleicht nicht zu Tränen, bewegt aber auf andere Weise umso mehr: Man kommt nicht umhin, über das Gesehene nachzudenken und seine eigenen Schlüsse zu ziehen, weil der Film niemals Partei ergreift oder Stimmung gegen oder für etwas macht. Auch den Wink mit dem Zaunpfahl wird man vergeblich suchen, denn Richtig und Falsch gibt es in einer solchen Grauzone nur in Ansätzen, höchstens versteckt im Nebel der widersprüchlichen Gedankengänge Muharrems. Sicher, für Zuschauer, die des Türkischen nicht mächtig sind, wird das Sehen mit Untertiteln zu einem anstrengenden Unterfangen. Doch es lohnt sich auf jeden Fall, denn ansonsten verpasst man ein authentisches und auf eigentümliche Weise spannendes Werk, in dem das wirklich Wichtige ohnehin nicht gesagt wird, sondern in Muharrems Augen geschrieben steht.

Von der Bildqualität der DVD darf, wie im Independent-Sektor üblich, nichts Großes erwartet werden, Verschmutzungen und eine leichte Körnung sind selbst auf kleinen Bildschirmen nicht zu übersehen. Der Ton gibt die Dialoge klar wieder, gewinnt aber nur an Dynamik, wenn musikalische Untermalung einsetzt. Die Extras - Interviews mit Produzent Fatih Akin und Autor Onder Cakar (letzteres nur als Audiodatei), Outtakes vom Dreh, eine Bildergalerie, ein Artikel über türkisches Kino zum Lesen und Ausdrucken am PC sowie Trailer zum Film und anderen Epix-DVDs - sind reichlich, informativ und größtenteils auch unterhaltsam. Mehr Mühe hätte man sich besonders bei den Untertiteln geben dürfen oder sogar müssen. Sind die wenigen vergessenen Leerzeichen bei den Untertiteln zum Film noch zu verschmerzen, so ist die Interview-Untertitelung des Audio-Interviews eine Zumutung: Da finden sich Rechtschreibfehler zuhauf und einige fast schon kriminelle Übersetzungsfehler. Beispiel gefällig? "Islamic" darf man, wie hier geschehen, auf keinen Fall mit "islamistisch" übersetzen, da die Wortbedeutung eine ganz andere ist. Gerade bei anspruchsvoller, politisch angehauchter Unterhaltung darf ein solcher Fauxpas eigentlich nicht passieren.

Fazit: Ein interessanter, atmosphärisch überzeugender und realistischer Film über das Leben mit der Sünde in rigiden religiösen Verhältnissen auf einer gut ausgestatteten, aber nur solide umgesetzten DVD.

Marc Zeller



DVD | Disc-Anzahl: 1 | Erschienen: 01. September 2008 | FSK: 12 | Laufzeit: 96 Minuten | Originaltitel: Takva: A Man`s Fear of God | Preis: 17,99 Euro | Untertitel verfügbar in: Deutsch | Verfügbare Sprachen: Türkisch

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