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 Der Gesang des Dodo

Eine Reise durch die Evolution der Inselwelten

Autoren: David Quammen
Übersetzer: Ulrich Enderwitz
Verlag: List

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis
"As dead as a dodo", sagen Briten, wenn etwas unwiderruflich vorbei ist.
Im Jahre 1598 erreichten holländische Seefahrer auf dem Weg nach Ostindien die Insel Mauritius im Indischen Ozean. Sie berichteten von einem dort lebenden schwanengroßen, flugunfähigen, Vogel mit kurzen Beinen und dickem Rumpf ("hässlich anzusehen noch dazu ungenießbar").
Die Seefahrer und die von ihnen eingeschleppten Katzen, Schweine, Ratten und Hunde sorgten dafür, dass der von ihnen Dodo genannte Vogel hundert Jahre später ausgestorben war. Das Interesse der Zeitgenossen und Nachfahren hielt sich in engen Grenzen: Wenige Zeichnungen und Augenzeugenberichte, ein Fuß, ein Schädel ein Kopf, und ein später rekonstruiertes Skelett, ist alles, was vom Dodo überliefert ist.
Im vorliegenden Buch (1996 als bestes Sachbuch auszeichnet), macht der preisgekrönte amerikanische Wissenschaftsautor David Quammen deutlich, dass der Dodo (Raphus cucullatus) kein Einzelfall ist: Er führt in zehn Kapiteln den Leser in die Evolutionsforschung von Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute ein. David Quammen tritt durch eigene Reisen in die Fußstapfen von Alfred Russel Wallace (1823-1913), Robert MacArthur, Edward O. Wilson, Michael Soulé und Michael Gilpin.
Er begibt sich auf eine abenteuerliche Reise rund um den Globus, zu den Komodowaranen in Indonesien, den Halbaffen auf Madagaskar und in die Regenwälder am Amazonas, um an den Feldforschungen einer Wissenschaft teilzunehmen, die sich Inselbiogeographie nennt.
Die Vernichtung der tasmanischen Aboriginies ist eines der dunkelsten Kapitel in diesem Buch. Minutiös schildert Quammen, wie die einst über die ganze Insel verteilten Aboriginies zunächst versklavt und kaserniert, dann verfolgt und erschlagen wurden - sie galten schlicht als eine Art Affen und wurden auch so behandelt.

Quammen lockert seine Ausführungen und Erklärungen mit der Schilderung persönlicher Lebensumstände und Kuriositäten der heute weltweit agierenden Inselbiogeographen und mit Berichten seiner eigenen Reisen auf, Langeweile oder Ermüdung kommt nicht auf.
Der Leser lernt auf diese Weise vieles, was er zuvor noch nie über Artenvielfalt, Artensterben und Artenschutz gehört hatte.

Quammen kommt zu dem Schluss, dass sich das Muster des Artensterbens am besten auf Inseln beobachten lässt, wo die Evolutionsmechanismen wie im Zeitraffer ablaufen (weil sich in kleinen isolierten Populationen genetische Veränderungen schneller durchsetzen und in Form neuer Arten manifestieren). So entstehen Lebensformen, die nirgendwo sonst vorkommen.

Quammen ist eine intelligente und unterhaltsame Verknüpfung aus Wissenschaftsgeschichte (insbesondere die Geschehnisse um Wallace, den er als den eigentlichen Begründer der Evolutionstheorie darstellt und Darwin als zögerlichen Wissenschaftler, der Nutznießer des Vertrauens von Wallace wird), Reisereportage und Forschungsbericht gelungen.
Quammen macht deutlich, dass Inseln mit ihren überschaubaren Lebensgemeinschaften nur Nebenschauplatz einer ungleich größeren Tragödie sind: Der weltweiten Zerstörung von Ökosystemen. Die Zersplitterung von Lebensräumen (ähnlich, wie er sich auf Inseln natürlicherweise ergibt) ist eine enorme Bedrohung für jedwede Population auf dieser Erde. Indem er das Ausmaß dieses drohenden Verlustes eindrücklich vor Augen führt, hält er über seine gelungene Geschichte hinaus ein Plädoyer für den Erhalt der biologischen Vielfalt.
Leider führt die Analyse Quammens zur Erkenntnis, dass der Mensch trotz aller Kenntnis dieser Gefahren und der daraus folgenden Gegenbestrebungen den Lebensraum zahlreicher Tierarten so beschneidet und vernichtet, dass uns und unseren Nachfahren nach einem gigantischen Artensterben eines Tages keine Inselbiogeographen oder Biologen, Ökologen, oder Zoologen, sondern nur noch Museumsdirektoren, Paläontologen und Historiker erzählen können, dass funktionierende, großflächige Populationen und Nahrungsnetze existiert haben, dass Millionen Arten die Erde bevölkerten - und sogar neue Arten entstanden.
Mein Fazit: Jeder an der Artenvielfalt auf unserer Erde Interessierter (auch bekennende Nicht-Biologen) sollte sich dieses unterhaltsame wie lehrreiche Sachbuch kaufen. Er wird eine Menge über die Bedrohung unserer Fauna erfahren!
Sehr nützlich (vor allem für Nicht-Fachleute) ist das elfseitige Glossar, und die umfangreiche Bibliographie.
Selbst für Fachleute und Kenner der verschiedenen Evolutionstheorien ist Quammens Buch ein Füllhorn an interessanten Aussagen und wissenschaftlich fundierten Schlussfolgerungen. Seine akribische Auflistung hoch spannender historischer und aktueller Feldforschungen ist auf dem Markt der Bücher über die Evolution einmalig!

Stefan Erlemann



Taschenbuch | Erschienen: 1. März 2001 | ISBN: 9783548600406 | Preis: 19,95 Euro | 973 Seiten | Sprache: Deutsch

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