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 Café Cyprus

Autoren: Yadé Kara
Verlag: Diogenes

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


London, Neunzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts: Hasan, türkischstämmiger gebürtiger Berliner, kann sich nach dem Mauerfall immer schlechter mit dem neuen Berlin identifizieren. Er ist nach London gezogen, um die englische Sprache zu lernen, doch zunächst muss er seinen Lebensunterhalt verdienen. So hilft er in der Dönerbude eines bereits länger in London lebenden Berliner Bekannten aus und wird schließlich zu Ali Bey vermittelt, einem türkischen Zyprioten, der in einem zypriotischen Londoner Viertel einen Delikatessenladen betreibt - und das Cafe Cyprus.
In diesem Café verkehren fast nur alte Zyprioten. Aus gutem Grund hat Ali Bey es weder türkisch noch griechisch, sondern englisch benannt. Trotzdem ist dort von der Demarkationslinie nicht viel zu spüren, die auf der heimischen Insel Türken und Griechen trennt. Hasan, sozusagen im Schatten der Mauer aufgewachsen, kennt das aus Berlin noch anders. Er lernt, sich im Cafe Cyprus, wo er bedient und ausstehende Gelder der Kunden eintreibt, diplomatisch zu verhalten. Es bleibt nicht aus, dass er mit typisch zypriotischen Schicksalen konfrontiert wird.
Aber Hasan knüpft auch andere Kontakte, unter anderem erst zarte, dann leidenschaftliche Liebesbande. Seine Angebetete freilich stammt aus wohlhabendem Hause und hat, anders als Hasan, ganz klare Ziele vor Augen. Als sie für ein halbes Jahr nach Amerika gehen möchte, kommt es zum Bruch, zeitgleich mit dem Zerbrechen der Partnerschaft eines befreundeten Paares. Es ist das bunte London mit seiner fetzigen Musik und seinen tausend schillernden Facetten, das ihn tröstet und in das er immer wieder voller Hingabe eintaucht.

Mit Hasan hat Yadé Kara einen authentischen, sympathischen Charakter geschaffen. Der junge Mann dürfte manchem Leser vom Vorgängerband "Selam Berlin" bekannt sein. Enttäuscht von seiner Heimatstadt Berlin, genießt Hasan das Londoner Flair, muss jedoch bald feststellen, dass es auch in der britischen Hauptstadt gewisse Mauern gibt, und zwar nicht nur jene, die sich gelegentlich durch das Cafe Cyprus und die Gedanken von dessen Stammgästen zieht. Da sind nicht nur manche Vorbehalte alteingesessener Briten gegen Menschen mit anderem kulturellem Hintergrund - massiv auch gegenüber Deutschen, wie er zunächst erstaunt beobachtet -, sondern ihn irritiert, wie teuer London ist und wie hoch der Stellenwert des Geldes.
Der Leser, der die Stadt mit Hasans neugierigen, lebhaften Augen beobachtet, lernt viel über das London der 90er, über die dort angesiedelten Subkulturen, die die Metropole farbiger gestalten und beleben, deren Angehörige jedoch auch verschiedenste Schwierigkeiten haben.
Hasan steht auf eigenartige Weise zwischen den Welten, ein Fremdling, der überall ein wenig eintaucht, sich auf seine unbefangene Art einbringt und dabei etliche Verletzungen davonträgt, vor allem durch die geliebte Frau.
Hasans Leben ist im Grunde ein ständiger Spagat zwischen seinem Freiheitswillen und den Forderungen seiner Familie, zwischen seinen kulturellen Identitäten und dem Bestreben, sich wie ein richtiger Londoner zu verhalten, zwischen seinen Wünschen und Möglichkeiten.
Die Autorin verleiht Hasan, der als Ich-Erzähler auftritt, eine lässige, schnoddrige Sprache, ohne dies zu übertreiben. Hasans Antennen für Stimmungen, für Sinnesreize aller Art stehen keineswegs im Widerspruch hierzu.
"Cafe Cyprus" liest sich unterhaltsam und spannend und hat doch reichlich Tiefe. So ist der Leser genötigt, sich mit philosophischen Gedanken, mit Politik und Soziokulturellem auseinanderzusetzen, und muss doch immer wieder schmunzeln, wenn nicht laut auflachen; so unmittelbar erlebt er Hasans komische und groteske Erlebnisse um das vielleicht seltsamste Café Londons mit.
Das offene Ende mit einem hellen Hoffnungsschimmer am Horizont lässt auf eine Fortsetzung hoffen.
Ein turbulenter Roman um Multikulti, Mauern aller Art und Versuche zu deren Ãœberwindung - und wunderbar humorvolle und originelle Unterhaltung dazu!

Regina Károlyi



Hardcover | Erschienen: 01. September 2008 | ISBN: 9783257066234 | Preis: 19,90 Euro | 375 Seiten | Sprache: Deutsch

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