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 Opus Anima

Ein Rollenspiel um grotesken Horror


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Leitbarkeit
Preis - Leistungs - Verhältnis


Wenn man schon lange Teil der Rollenspielszene ist, meint man des Öfteren, schon alles gesehen zu haben. Denn die meisten neuen innovativen Regelwerke bieten Altbekanntes lediglich auf eine andere Art und Weise dar. Und so reihen sich im Schrank dann die Rollenspiele, die bis auf Namen der Welten und Städte und Regelsysteme austauschbar sind. Nur in seltenen Fällen gibt es noch einen Funken Inspiration, der sich in den Köpfen engagierter junger Leute festsetzt, die verrückt genug sind, ein eigenes Rollenspiel zu ersinnen. Und genauso ist es mit "Opus Anima".

Die Welt, in der "Opus Anima" spielt, heißt Kurip-Aleph. Dieser Planet wurde vor langer Zeit von Menschen besiedelt, die dort gemeinsam mit Aliens eine Zivilisation gründeten. Aufgrund eines interstellaren Krieges zerbrach der Planet und seitdem leben die Bewohner auf einzelnen Bruchstücken, die im Äther umherschweben und die aus einem ungewöhnlichen Material bestehen. Elektrizität funktioniert nicht mehr, sie wird durch Dampfkraft ersetzt, die Fluggeräte, Küchenmaschinen, künstlich gefertigte Ersatzgliedmaßen oder sogar Roboter antreibt. Alle diese Gegenstände benötigen seelische Fürsorge, um zu funktionieren, und besitzen vielleicht sogar ein Bewusstsein. Die Gesellschaft besteht aus strikten Regeln wie zur Zeit des viktorianischen Zeitalters. Eigentlich Stoff genug für Spielansätze, sollte man meinen, doch dies ist nur der Nährboden für die eigentliche Spielwelt.

Die Charaktere sind so genannte Maata. Sie waren einst gewöhnliche Menschen oder Aliens, bis man ihnen ihre Seele geraubt hat. Diesen Raub überlebten sie nur, weil ihnen die Zeitlosen einen Teil ihrer Energie verliehen haben. Doch jeder Zeitlose drückt seinem Schützling einen Makel auf, der seinem eigenen Wesen entspricht. Nur aus diesem Makel kann er Kraft schöpfen und damit beginnen, seine in Splitter verstreute Seele wieder einzusammeln. Allerdings vergeben die Seelenlosen nicht aus Mitleid ihre lebensspendende Energie, womit ein Maata gezwungen ist, in ihrem Auftrag zu handeln.

Das ist im Groben und Ganzen das Spielkonzept und den Spielern bleibt es selbst überlassen, ob sie als normale Sterbliche beginnen möchten oder sofort als neu entstandene Maata einsteigen wollen. Dank des simplen Regelsystems sind die Charaktere schnell erstellt und auch die Regeln sind sehr eingängig. Ein einzelner Charakter wird durch Attribute wie Stärke oder Beweglichkeit bestimmt, auf die er eine vorgegebene Punktzahl verteilen kann. Proben werden immer am Wert des passenden Attributs plus einer dazugehörigen Fertigkeit gewürfelt. Dabei ist es gleichgültig, ob man mit sechs-, zehn- oder zwanzigseitigen Würfeln oder einfach mit Münzen wirft. Denn man benötigt lediglich die Summe der Attributs- und Fertigkeitensumme und muss sich entscheiden, ob die geraden oder ungeraden Zahlen als Erfolg gewertet werden. Und das war es auch schon.

Denn die Stärke von "Opus Anima" liegt nicht in seinem Regelsystem, sondern in der Geschichte, die es erzählt, und in der Welt, die erschaffen worden ist. Hier geht es um die Verschiebung zwischen Realität und Verzerrung, um den Kampf der Normalität gegen den Horror, der Wahnsinn erschafft. Und die Charaktere kämpfen zwar für die Wiederherstellung ihrer eigenen Normalität, bringen jedoch auch dadurch Stück für Stück die Verzerrung in die Welt.

"Opus Anima" ist, kurz gesagt, einfach brillant ausgedacht. Voll gepackt mit vielen innovativen Ideen fällt es schwer, auszuwählen, mit welcher der möglichen Geschichten man beginnt, welches offene Ende man aufnimmt und weiterspinnt. Die Texte in diesem Regelwerk erklären nicht nur einfach, worum es geht, sondern sie besitzen so viel Atmosphäre, dass man sich richtig in die Welt hineinfühlen kann. Dadurch bekommt man mit dem Blättern auf jeder Seite neue Ideen für die eigene Runde und genießt sogar das Lesen dieser opulenten Seiten, wo man sich in anderen Regelwerken mühsam durch die Informationen kämpft. Zusätzlich wird der Leser mit wunderbaren absonderlichen und sehr zum düsteren Stil des Rollenspiels passenden Bildern verwöhnt. Hier bekommt man einmal mehr einen Eindruck von der Subtilität des Bizarren, wie sie in "Opus Anima" dargestellt wird.

Dieses Rollenspiel ist einfach überwältigend und überzeugt den Leser davon, dass es da draußen doch noch kreative Köpfe gibt, die neue Ideen produzieren und den Mut haben, diese auch zu publizieren. Ein Wahnsinnsspiel. Und wer dieser Rezension nicht glaubt, der bekommt sogar die Möglichkeit, sich das Regelwerk kostenlos herunter zu laden, auch wenn es sich mehr als lohnt, dieses Schmuckstück zu kaufen, da man damit die hoffentlich nachfolgenden Regelbände finanziert.

Daniela Hanisch



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