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 Wissensmanagement

Grundlagen, Methoden und technische Unterstützung

Autoren: Franz Lehner
Verlag: Hanser Verlag

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis


Wenn man die Management-Literatur nach ihren Titeln überfliegt, entdeckt man Esoterisches. Lernende Organisationen, autopoietische Organisationen, Unternehmen als Netzwerke, Pseudofamilien und anderes.
So esoterisch allerdings ist das Ganze meist doch nicht. Dank neuerer Strömungen der Soziologie wissen wir heute, dass Menschen nur am Rande oder sogar gar nicht in der Gesellschaft vorkommen. Organisationen haben ein Gedächtnis, Geldkreisläufe evoluieren und wo Lehrer Gewissenskonflikte haben, findet man im Erziehungssystem lediglich temporalisierte Entparadoxierungen.
Wenn aber Organisationen - oder, wie im Falle dieses Buches - Unternehmen lernen und dann auch wissen, wie findet das statt? Und wo? Und was hat der Manager damit zu tun? Wie kann er es fördern und fordern?

Dieses Buch gibt Antworten auf diese Fragen. Es gliedert sich in fünf Kapitel.
Das erste Kapitel umreißt die Problemstellung. Vielleicht sagt der Autor zu viel, wenn er von einer Wissens- und Informationsgesellschaft ausgeht. Die Klagen, dass es zu viel Wissen gäbe, sind so alt wie der Ehrgeiz, alles Wichtige zu wissen. Tatsache aber ist, dass die Auswahl an Informationen, um das Richtige zu wissen und das Wichtige zu lernen, unter enormen Druck geraten sind. Die Unternehmen stehen vor dem gleichen Problem wie die Menschen. Hier müssen sich Management-Methoden ändern, Organisationsstrukturen und Prozesse müssen abgewandelt oder ganz neu aufgebaut werden, die ganze Unternehmenskultur wurde und wird mehr und mehr in Frage gestellt.
Erste Antworten findet man im zweiten Kapitel. Dieses stellt Grundlagen des Wissensmanagements vor. Der Autor ordnet die Leistungen des Wissensmanagements in der Gesamtheit des Unternehmens ein, stellt Grundbegriffe und basale Organisationsformen von Wissensmengen vor und diskutiert verschiedene Ansätze des Wissensmanagements. Als Zentrum erweist sich der letzte Abschnitt dieses Kapitels. Er stellt zum einen Bezüge zum Gedächtnis von Individuen und Organisationen her, zum anderen zwischen Wissensnetzen und sozialen Netzwerken. Gerade dieser letzte Abschnitt bildet so etwas wie ein Leitthema des gesamten Wissensmanagements. Ins Gute gewendet könnte man sagen: Was die Organisation weiß, muss das Individuum nicht wissen. Und ins Schlechte gewendet: Was die Organisation weiß, weiß das Individuum noch lange nicht. Beides lässt sich auch umgekehrt buchstabieren. Um zu verstehen, auf welche Herausforderungen man hier stößt, sind Theorien des psychischen und sozialen Gedächtnis ebenso wichtig, wie Theorien von informationellen und sozialen Netzwerken.
Wissensmanagement - das ist deutlich zu sehen - ist ein interdisziplinärer Ansatz. Die Referenzdisziplinen werden im dritten Kapitel vorgestellt. Dies sind, der Reihe nach: Organisationswissenschaft, Personalwissenschaft, Managementwissenschaft, Informatik, Psychologie und Soziologie.
Management besteht aus der Analyse, Planung, Durchführung und Evaluation von betriebswirtschaftlichen Feldern, und, im Falle dieses Buches, von betriebsrelevantem Wissen. Dies verlangt Methoden. Im vierten Kapitel werden diese Methoden vorgestellt. Es ist das umfangreichste dieses Buchs. Dabei beginnt dieses Kapitel aber zunächst mit den wichtigsten Arten von Wissen, bzw. von Formen von Wissen, die sich aus persönlichen Erfahrungen bilden. Danach schreiten die Abschnitte sukzessive von den Einzelfällen zur Aufbearbeitung von Wissen, dessen Modellierung für das Unternehmen und der Förderung eines regen und zielgerichteten Wissensaustauschs durch Umstrukturierungen im Unternehmen.
Der zweite Teil des vierten Kapitels behandelt Softwaresysteme, die das Wissensmanagement unterstützen. Datenbanken alter Couleur können hier nicht die erforderlichen Leistungen bringen. Deshalb gibt es eine ganze Reihe von Softwareentwicklungen, unternehmensinterne Portale, Kommunikationssysteme, Systeme, die auf künstlicher Intelligenz basieren, und ähnliches. Das Spektrum ist hier weit gefächert. Schließlich gibt es Systeme, die alle diese Aspekte zu integrieren suchen. Diese nennen sich dann Wissensmanagementsysteme. Lehner geht hier ganz spezifisch auf Programmarchitekturen ein und stellt im Anschluss daran zwei große Wissensmanagementsysteme vor, Lotus Notes und Livelink.
Abschließend diskutiert Lehner Beispiele aus der Praxis. Xerox zum Beispiel hat schon sehr früh Expertengemeinschaften etabliert, bevor es den Begriff des Wissensmanagements überhaupt gab. Bei Nokia Care ging es darum, ein kollektives Lernen in einer Gruppe zu fördern, die als "Schwarm" geordnet war - ein Schwarm ist eine große Gruppe von Menschen, in der jeder Managementaufgaben übernimmt, also ganz metaphorisch gesprochen dann ein einzelner auf einen Honigvorrat aufmerksam macht, indem er sich in die Mitte rückt. Zur Praxis gehört auch die Pflege von Wissenssystemen und gegebenenfalls die Anpassung an neue Gegebenheiten. Dies erläutert Lehner im Anschluss an die Fallbeispiele.

Manches an diesem Buch ist nicht einfach zu verkraften, selbst wenn man an Recherchen im Internet gewöhnt ist. Zu fremdartig klingt diese Art der Wissensorganisation, die doch für viele Menschen noch mit Bibliotheken und deren eher von Zufällen und Geldknappheit bedingten Auswahl.
Auf der anderen Seite aber findet man vieles auch als Privatperson in seinem eigenen Lebensbereich wieder, sei es, dass man ein spezielles Internetportal benutzt, ein e-mail-Programm leidlich gut beherrscht, einen elektronischen Zettelkasten pflegt oder eine Diskussionsgruppe über ein Live-Chat initiiert.
Das Buch ist klar geschrieben. Viele Fachbegriffe werden so ergänzt oder im Vorhinein eingeführt, dass der Leser sich plastisch vorstellen kann, was damit gemeint ist. Übersichtliche Gliederungen und gut ausgewählte und beschriftete Schaubilder sind ein weiteres Plus.
Übertrieben, aber durchaus ein Mythos unserer Zeit, ist die Darstellung eines Wandels zum Informationszeitalter. Sicher haben sich an der Oberfläche durch zahlreiche Synergien rapide Wandlungen vollzogen. Diese spielen sich aber eher auf der Ebene der Struktur ab, als auf der Ebene der Information. Zwischen den Zeilen liest man das bei Lehner auch mit.
Knapp, zu knapp, werden die Referenzwissenschaften abgehandelt. Gerade organisatorisches Lernen und das Gedächtnis von Organisationen oder anderen Gesellschaftssystemen wird in neuester Zeit von der Systemtheorie dezidiert untersucht. Dies streift Lehner nur flüchtig und stellt stattdessen personenorientierte Ansätze vor, deren Aktualität man bezweifeln darf. Die Psychologie wird in fünf Seiten abgehandelt. Der Kognitionspsychologie stehen dabei nicht ganz zwei Seiten zur Verfügung. Bedenkt man, dass Einführungen in diese Wissenschaft fünfhundert Seiten schwere Bücher erfordern und dann nichts als einen guten Überblick geben, erscheinen einem die vier Sätze von Lehner, die deren zentralen Aussagen wiedergeben sollen, als inadäquat.

Vieles an diesem Buch ist sehr gut. Klar, anregend, praxisorientiert, wissenschaftlich. Die wenigen mythischen Gedankengänge schaden ihm nicht. Problematischer sind die Schnittstellen zu den Referenzwissenschaften. Deren Themen sind sinnvoll, aber nicht direkt wichtig für den argumentativen Gang. Hier wären knappe, kommentierte Verweise auf andere Literatur vielleicht eine gute Alternative.
Zuallererst wendet sich das Buch an Wissensmanager und hier vor allem an Menschen, die an der Schnittstelle zwischen Unternehmensstruktur und Informationstechnologie sitzen. Da der Umgang mit dem Überangebot an Informationen aber auch den Bürger im Alltag betreffen und da dieses Buch von der Verständlichkeit und seiner Praxistauglichkeit auch für diesen geeignet ist, kann man es fachübergreifend empfehlen.

Frederik Weitz



Softcover | Erschienen: 01. Februar 2009 | ISBN: 9783446417427 | Preis: 39,90 Euro | 372 Seiten | Sprache: Deutsch

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