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 Falastin

Autoren: Hubert Haddad
Übersetzer: Katja Meintel
Verlag: Edition Nautilus

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Eigentlich hat der israelische Soldat Cham jetzt frei. Als er sich jedoch zu einem weiteren Patrouillengang überreden lässt, wird er von einem palästinensischen Kommando verwundet und entführt. Ohne Papiere und Erinnerungsvermögen kommt er schwer verletzt in einem Keller wieder zu sich. Doch auch hier kann er nicht bleiben und auf dem Weg zu einem neuen Versteck fällt er einer anderen Gruppe von Palästinensern in die Hände, die ihn für einen Araber halten. Sie bringen ihn zu der blinden Witwe Asmahane, die ihn gemeinsam mit ihrer Tochter Falastìn als ihren Sohn Nessim versteckt und gesund pflegt. Hier verliebt er sich in seine vorgebliche Schwester und zwischen den beiden entwickelt sich eine zarte Liebesgeschichte. Doch als Asmahane getötet wird und auch Falastìn verschwindet, schließt sich Nessim einer Gruppe von Untergrundkämpfern an, die ihn auf den Märtyrertod vorbereitet und über die Grenze schickt ...

"Falastìn", das ist der arabische Begriff für Palästina - in Hubert Haddads Buch ist es der Name der jungen palästinensischen Frau, die den Israeli Cham nach seiner Verletzung gesund pflegt und in die er sich verliebt. Es ist also in gewisser Weise die Geschichte der unglücklichen und hoffnungslosen Liebe zwischen Israel und Palästina. Beide fühlen sich zueinander hingezogen und erkennen den eigenen Bruder im anderen, doch es ist nicht die Zeit, um diese Liebe zu leben.

In dem Buch verliert Cham sein Leben, jedoch nur sein Leben als israelischer Soldat. Identität, Papiere, Kleidung, Erinnerungsvermögen - es ist alles weg und Cham wacht auf als Palästinenser Nessim, Sohn von Asmahane, der bei einem anderen Anschlag ums Leben kam. So wechselt er die Seite und erlebt die israelische Besetzung des Westjordanlandes nun aus der Sicht der Palästinenser. Am Ende schließt der Autor den Kreis und lässt Cham nach Israel zurückkehren, er erinnert sich und man weiß selbst nicht, war alles nur ein Traum? Mit "Falastìn" gibt Hubert Haddad dem Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis ein Gesicht und einen Namen. Indem er seinen Protagonisten die Perspektive wechseln, ihn sogar zum Selbstmordattentäter werden lässt zeigt er, wie austauschbar die Rollen sind. Selbst arabischer Jude, ist Hubert Haddad mit Identitätskonflikten bestens vertraut.

Überzeugend schildert der Autor die Unerträglichkeit eines Lebens unter der ständigen Bedrohung, an jedem beliebigen Ort des Alltags in die Luft gesprengt zu werden, und auch die Repressalien der Besatzungsmacht. In der Gestalt des Cham/Nessim nimmt der Leser teil an diesem Alltag und bewegt sich mit ihm zwischen zerstörten Häusern und Dörfern, Betonmauern und spanischen Reitern, in trügerischer Ruhe und unter den Detonationen von Sprengkörpern. Der Autor erzählt die spannende Geschichte, die J.M.G. Clézio als große Literatur bezeichnet, in einer bildhaften, poetischen und lebendigen Sprache. So lässt er die uralten Landschaften und Orte dieser Wüstengegend mit ihren Olivenbäumen und Sträuchern, die nun aufgerissen, vernarbt und gezeichnet sind durch Stacheldrahtzäune, Mauern und Straßensperren, vor dem Leser aufscheinen. Es ist ebenfalls eine Welt, in der Mittelalter und Moderne auf engstem Raum ihr Auskommen miteinander finden müssen. Der Autor zeichnet ein überzeugendes Bild der Personen, die zwischen Überlebenswillen und Agonie, Traum und Trauma, Vergangenheit und Gegenwart ihr Dasein fristen, in einem Konflikt, der scheinbar kein Ende findet.

Fazit: Sehr lesenswerte, lohnende Lektüre zu einem brandaktuellen Problem in einer literarisch wunderbaren Form.

Sabine Seip



Hardcover | Erschienen: 1. Februar 2009 | ISBN: 9783894015886 | Originaltitel: Palestine | Preis: 16,90 Euro | 160 Seiten | Sprache: Deutsch

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