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 Disgaea 3

Absence of Justice

Verlag: Koch Media

Cover
Gesamt +++++
Action
Anspruch
Aufmachung
Bedienung
Bildqualität
Brutalität
Extras
Glück
Preis - Leistungs - Verhältnis
Strategie
Ton


Was Square Enix mit "Disgaea 3 - Absence of Justice" geschaffen hat, ist in Hinblick auf die PS3 und ihre Möglichkeiten ein wirklich außergewöhnliches Spiel, wobei das Spektrum der Außergewöhnlichkeit sehr stark zwischen gut und schlecht schwankt. Doch bei diesem verqueren Titel muss "schlecht" nicht einmal schlecht bedeuten, und selbst grobkörnige Pixelgrafik aus den Neunzigern vermag hier tatsächlich zu begeistern ?

Das auffälligste Merkmal von Disgaea 3 ist anfangs eindeutig die InGame-Grafik. Sie ist, so gesehen, nicht schlecht. Schlechte Grafik zeichnet sich durch Lieb- oder Einfallslosigkeit aus, durch Framerate-Einbrüche, Kantenflimmern oder schludrige Arbeit. Nichts davon lässt sich Disgaea vorwerfen - wenn auch nur, weil sich die Grafik auf dem Niveau eines SuperNES-Klassikers von 1993 befindet. Die Charaktere sehen aus, als wären sie 1:1 aus Action-Adventures wie "Secret of Mana" entnommen, und von einer umgebenden "Landschaft" darf man in diesem Sinne nicht einmal sprechen, es wäre eine arge Verunglimpfung des Wortes.

Das Erstaunlichste an dieser grottenschlechten Grafik aber ist: Sie funktioniert. Und zwar richtig gut. Einzig die Zwischensequenzen wurden in hochauflösenden, komplett vertonten Next-Gen-Standbildern umgesetzt, und auch wenn die Story total durchgeknallt und witzig ist, für das eigentliche Spielgeschehen ist sie ziemlich unwichtig, und ungeduldige Spieler dürfen die manchmal recht langen und vielen Sequenzen dankenswerterweise auch überspringen. Die Hauptstory ist mit viel Wortwitz, massig Anspielungen und abstrusen Ideen vollgepackt und handelt von Mao, einem bösen Dämonen an einer Dämonen-Akademie, der seinen Overlord-Vater stürzen möchte und in Zuge dessen einen genialen Plan entwickelt hat, der ihn schon nach dem ersten Kapitel des Spiels den Endkampf gegen den Overlord antreten lässt ?

Eine unterirdische Grafik kann natürlich nur durch ein geniales Gameplay wettgemacht werden, und Taktik, Strategie, Tiefgang und im Grunde unendlich viele verschiedene Kampfarenen bietet "Disgaea 3" bis zum Abwinken: Auf schachbrettartigen Spielfeldern werden Kämpfe ausgetragen, wobei man selbst von einem Basis-Feld seine eigenen Charaktere wählt, die an der Schlacht teilnehmen, und die Gegner über das restliche Spielfeld verteilt sind. Rundenbasiert geht?s dann in den Kampf, und jeder Charakter darf sich einmal bewegen und eine Aktion ausführen oder umgekehrt, dann sind die gegnerischen Charaktere an der Reihe.

Die einzelnen Spielfiguren unterteilen sich dabei hauptsächlich in schlagkräftige oder magiebegabte Typen: Mit den physisch starken Charakteren kloppt man, auch mit vielen ausgefallenen Combos, auf die Gegner ein, während man die magiebegabten Figuren Kampf- oder Unterstützungszauber wirken lässt. Es gibt eine riesige Fülle verschiedener Charakterklassen, die nach und nach freigespielt werden und auch noch aufsteigen können, wenn man eine Klasse weit genug aufgelevelt hat. Jede Klasse hat wiederum haufenweise Spezialfertigkeiten zu bieten, und durch die Möglichkeit, einen Charakter auf Level 1 zurückzusetzen und eine neue Klasse für ihn auszuwählen, während ihm die erworbenen Fähigkeiten der alten Klasse erhalten bleiben, kann man sich völlig ungebunden alle Arten von Kämpfern erschaffen, die einem vorschweben. Neben den humanoiden Figuren gibt es auch noch jede Menge Monster freizuspielen, die bei Bedarf mit einer humanoiden Spielfigur verschmelzen können und sich dabei in eine mächtige Waffe verwandeln.

Auf dem aus vielen Quadraten bestehenden Spielfeld gibt es zudem sogenannte Geoblöcke- und Felder, die das Spiel äußerst vielschichtig gestalten: Diese speziellen Felder besitzen verschiedene Farben und unterschiedliche Wirkungen; da gibt es Felder, die keine Nahkampf- oder Fernangriffe erlauben, während ein Charakter auf ihnen steht. Felder, auf denen man nichts hochheben kann, dann wieder welche, bei denen sich der zugefügte Schaden ins Gegenteil verkehrt (und auf denen man tötet, indem man die darauf stehende Figur heilt) oder welche, die einen komplett unbesiegbar machen, solange man auf ihnen steht. Dazu gibt es für die verschiedenen Geofeld-Farben auch noch Geo-Steine, die, einmal zerstört, den Farbbereich, auf dem sie stehen, in den Farbbereich verwandeln, zu dem sie gehören. Das klingt verwirrend, ist es aber im Endeffekt nicht: Legt man einen roten Geoblock auf ein blaues Feld, das zum Beispiel alle Gegner stärker werden lässt, und zerstört diesen, werden alle blauen Geofelder rot und nehmen auch die Eigenschaften der roten Felder an. Damit wurde eine große Portion Taktik ins Spielgeschehen eingebunden, denn wer klug Geoblöcke verschiebt und zerstört, kann selbst mit schlechten Charakteren viel stärkere Gegner bezwingen. Umgekehrt gilt das natürlich auch: Wer nicht aufpasst, kann eine hoch gelevelte Figur ganz schnell mal verlieren, wenn sie auf einem Sudden-Death-Feld steht und von einem hoffnungslos unterlegenen Gegner angegriffen wird.

Dazu gibt es Unmengen von Items, Waffen und Rüstungen - und eine Item-World, das vielleicht süchtig machendste Gimmick an Disgaea überhaupt: In der Item-World wählt man einen beliebigen Gegenstand aus dem eigenen Repertoire, in den man anschließend hineinschlüpft und zehn aneinander gereihte Kämpfe mitsamt Mini-Bossen austrägt. Die Stärke der Gegner in diesen zufällig generierten Item-World-Dungeons hängt vom Level des Gegenstands selbst ab, der nach erfolgreicher Bewältigung der Kämpfe wiederum um mehrere Stufen aufsteigt und stärker wird. Hat man erst einmal angefangen, seine Waffen und Rüstungen in der Item-World aufzuleveln, kann man nur schwer mehr damit aufhören und verbringt viele vergnügliche Stunden darin.

Damit erschöpfen sich die schier endlosen Möglichkeiten dieses Titels aber noch lange nicht. In der Class-World ist es möglich, die eigene Kämpfertruppe optimal zu verwalten, ihnen bestimmte Eigenschaften in der Gruppe zuzuweisen oder völlig andere, spielverändernde Einstellungen vorzunehmen. So gibt es eine Art demokratisches Abstimm-System, in dem solche Dinge eingestellt werden wie "insgesamt stärkere Gegner", "im Laden erscheinen teurere Items" und so weiter. Will man eine dieser Optionen aktivieren, stimmt ein Komitee aus Dämonen darüber ab, ob der Vorschlag sich durchsetzt, wobei man auch hier wieder zahlreiche Möglichkeiten der Mitbestimmung durch Bestechungsgeschenke hat. Und Verzweifelte können ein unwilliges Komitee auch durch rohe Gewalt zu überzeugen versuchen.

Die Story des Spiels, die sich in zwanzig bis dreißig Stunden durchzocken lässt, liegt für ein Action-RPG zwar nur im Mittelmaß, doch das wirklich reizvolle an "Disgaea 3" sind sowieso die zehntausend Möglichkeiten, die es abseits des normalen Pfades gibt. Allein die immer neu generierten Dungeons der Item-World fesseln einen für Wochen und Monate - und dabei stellt sie nur ein Bruchteil dessen dar, was man bei Disgaea alles tun und lassen kann.

Der Sound kommt genauso witzig und abgefahren daher wie das restliche Gameplay, und die Steuerung der Charaktere ist eingängig und schnell erlernt. Nur die Übersicht leidet bisweilen, wenn die Kampfarena allzu vollgepackt ist mit Hügeln, Tälern, Gegnern und Geofeldern, doch dieser Umstand lässt sich verschmerzen. Wer nur Deutsch kann, wird sich übrigens recht verloren vorkommen, denn das Spiel ist komplett in Englisch gehalten und daher nur was für Leute, die entweder profunde Kenntnisse der Sprache besitzen oder sich nicht scheuen, ab und an ein Wörterbuch in die Hand zu nehmen.

Insgesamt kann man recht einfach entscheiden, ob sich "Disgaea 3" für einen lohnt oder nicht: Wer sich seine PS3 gekauft hat, weil er bahnbrechende neue Next-Gen-Spiele zocken will, Wert auf Grafik und Design legt und bei Pixeln Krampfanfälle bekommt, der lasse die Finger davon. Wer ein wirklich genial ausgeklügeltes, tiefgängiges, süchtig machendes Action-RPG will und absolut keine Ansprüche seitens der Grafik erhebt, der hat mit dem Titel einen Kandidaten gefunden, der ihn für lange Zeit glücklich machen wird.

Dirk Wonhöfer



DVD | Erschienen: 1. Februar 2009 | FSK: 12 | PS3 | Preis: 57,45 Euro

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