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 Bevor ich sterbe

Autoren: Jenny Downham
Übersetzer: Astrid Arz
Verlag: cbt

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Als der Arzt ihr eröffnet, dass sie den Kampf um ihr Leben nicht gewinnen wird, ist Tessa sechzehn und hat vier Jahre Therapien und Schmerzen hinter sich, um der Leukämie doch noch eine Zukunft abzutrotzen. Doch nun ist es vorbei; es gibt keine Hoffnung mehr, dass Tessa überlebt, der Krebs hat zu weit gestreut und ihren ganzen Körper befallen.

Dabei gibt es noch so viel, dass Tessa erleben möchte. Sie schreibt eine Liste mit Punkten, die sie noch abhaken will. Sex haben. Sich verlieben. Drogen nehmen. Etwas Illegales tun. Einen Tag nur ja sagen. Ans Meer fahren. Ihrem Vater macht diese Liste Angst, er will nicht wahrhaben, dass seine Tochter mit dem Leben abgeschlossen hat und in die wenige, ihr noch verbleibende Zeit möglichst viel Leben füllen will.
Ihre beste - und einzige - Freundin Zoey unterstützt sie aber bei der Abarbeitung ihrer Punkte, reißt sie immer wieder aus ihrer Lethargie, wenn Tessa doch die Hoffnung verliert und lässt sich von ihr keine Angst machen.
Dabei ist allen klar, dass Tessa nur noch wenig Zeit hat, auch Adam weiß dies. Trotzdem verlieben sich die beiden ineinander, gegen das Unverständnis der Umwelt, die nicht versteht, wie man lieben kann, wenn man doch stirbt.

Tessas Geschichte wird aus ihrer Sicht erzählt. Daher geht es dem Lehrer sehr nah, wenn ihre Verzweiflung darüber, dass ihr Leben so früh schon vorbei sein soll, wieder überhand nimmt. In Geschichten von todkranken Kindern wird oft ihre Tapferkeit gerühmt, ihre Ruhe und ihre Ernsthaftigkeit. Tessa straft all diese Geschichten Lügen: Sie ist wütend auf ihr Schicksal, versteht nicht, warum es gerade sie treffen musste. Sie ist unvernünftig, da sie ja eh sterben wird. Sie ist teilweise sehr unfreundlich zu ihrer Umwelt, da diese sie nicht verstehen kann, ihre Angst nicht vollkommen nachvollziehen kann. Tessas Vater wird hier vor allem sehr gut dargestellt. Er sucht weiterhin nach Möglichkeiten, nach Therapien, die Tessa vielleicht doch retten könnten und kann sich nicht damit abfinden, dass Tessa selbst weiß, dass alles vergebens wäre. Trotz der Ich-Perspektive wird dem Leser klar, wie sehr Tessas Vater darunter leidet, seine Tochter sterben zu sehen.

Tessas Kampf um noch ein paar Wochen Leben ist aber nicht alles, was diese Geschichte ausmacht. Ihre Mutter, die vor Jahren die Familie verließ, kehrt zurück und beginnt zu erkennen, dass man als Mutter Verantwortung übernehmen muss, auch wenn es unangenehm ist. Cal, Tessas kleiner Bruder, zeigt, wie furchtbar es für Kinder ist, wenn die großen Geschwister so krank sind. Zoey, Tessas furchtlose Freundin, lernt das Fürchten, als sie entdeckt, dass sie schwanger ist. Und nicht zuletzt Adam, der durch Tessa lernt, für sich selbst einzustehen und seine Wünsche zu verfolgen, auch gegen den Widerstand seiner Mutter. Diese Personen erscheinen alle "echt" in ihrem Handeln, und auch ihr Verhalten gegenüber Tessa wirkt realistisch und ehrlich. Die Liebe, die zwischen ihnen allen besteht, ist der große Hoffnungsträger des Romans. Auch wenn Tessa stirbt, sie wird geliebt und sie liebt, mehr, als sie für möglich gehalten hätte.

So erzählt das Buch die Geschichte vieler Menschen, die Entdeckungen machen und "erwachsen" werden, alles vor dem Hintergrund von Tessas Sterben. Dieses Buch hat kein Happy-End, es ist aufwühlend und vor allem die letzten Kapitel verbreiten eine so große Verzweiflung, dass man sie besser nicht in der Öffentlichkeit lesen sollte. Aber der Roman ist unbedingt empfehlenswert, da hier ein realistisches Bild eines schwer-kranken Kindes gezeichnet wird, dessen Leben endet, bevor es wirklich begonnen hat. Jenny Downham schreibt sehr einfühlsam, Tessa wird nicht bemitleidet - es sei denn, sie tut es selbst. Auch wird sie nicht auf ein Podest gehoben, ihre Verhaltensweise ist manchmal wirklich unfreundlich und unfair denen gegenüber, die sie lieben. Dennoch schafft es die Autorin, Verständnis und Mitgefühl zu wecken, und auch das Gefühl der Trauer, wenn das Buch endet. Zum Glück gelingt ihr auch das Kunststück, auf zu viel Betroffenheit zu verzichten und Tessa einen einzigartigen Humor zu verleihen, der zwar ziemlich schwarz ist, die Stimmung aber dennoch immer wieder auflockert.

"Bevor ich sterbe" erzählt die tragische Geschichte eines Lebens, das zu früh endet, aber dennoch mit Geschichten gefüllt wird.

Anja Thiemé



Hardcover | Erschienen: 1. September 2008 | ISBN: 9783570160022 | Originaltitel: Before I Die | Preis: 17,95 Euro | 317 Seiten | Sprache: Deutsch

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