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 FLAG, Folge 1: FLAG - Vol. 1

Episoden 01-05

Serie: FLAG, Folge 1
Regisseure: Ryôsuke Takahashi
Verlag: OVA Films

Cover
Gesamt +++--
Action
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Brutalität
Extras
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton


Eine Handkamera als Auge eines der Protagonisten - ein Konzept, welches Filme wie "Blair Witch Project", "Cloverfield" oder ".REC" zu echten Kassenschlagern der letzten Jahre gemacht hat. Die Idee, den Zuschauer durch einen neuen Typus von Kameramann auf eine vollkommen neue Art mitfiebern zu lassen, schlug ein wie die sprichwörtliche Bombe. Jedoch beschränkte sich dieses Konzept bislang lediglich auf den Horrorfilm - von einem leichten Sci-Fi-Touch bei "Cloverfield" einmal abgesehen. Mit seiner dreizehnteiligen Anime-Reihe "FLAG" beweist Ryôsuke Takahashi nicht nur, dass dieser Kamerastil auch im japanischen Zeichentrick funktioniert, er setzt ihn auch noch in Kombination mit einer Thematik ein, welche ebenso brisant wie prädestiniert dafür ist: die Kriegsberichterstattung und die Vereinahmung der Pressemedien durch das Militär.

Die asiatische Nation Uddiyana ist von einem langjährigen Bürgerkrieg gezeichnet, in den die Vereinten Nationen im - wie es heißt - Interesse der Weltöffentlichkeit eingreifen. Ein Ende des Konflikts rückt in greifbare Nähe, als die 25-jährige japanische Journalistin Saeko Shirasu eine von Blauhelmen und Zivilisten gehisste UN-Flagge fotografiert, auf welcher die Schatten zweier junger Frauen zu sehen sind, die für den Frieden beten. Ein Foto, das um die Welt geht und die Kriegsparteien dem Verhandlungstisch näher bringt. Doch dann wird die Flagge von Extremisten entwendet, denn erst sie hätte mit ihrer Symbolkraft den Friedensvertrag gewissermaßen abgesegnet; der ohnehin brüchige Waffenstillstand droht nun zu kippen. Als Reporterin, die mit ihrem Foto Uddiyana die Hoffnung auf Frieden gab, soll Saeko die Anstrengungen eines UN-Sondereinsatzkommandos bei der Rückeroberung des Friedensbanners mit ihrer Kamera dokumentieren. Doch schon bald gerät das blütenweiße Bild, welches die junge Journalistin von den Vereinten Nationen hat, ins Wanken, als das Team mittels modernster Waffentechnologie kühl und kalkulierend gegen den Feind vorgeht. Und während Saeko die andere Seite des Krieges zu sehen bekommt, erlebt ihr Freund und Mentor Keiichi Akagi den alltäglichen Terror von extremistischen Angriffen auf UN-Schutztruppen und Zivilisten in der Hauptstadt …

Die Fratze des Krieges in ihrer Vielschichtigkeit darzustellen, dies ist kein selten anzutreffendes Motiv in der Welt des japanischen Zeichentricks. Doch wenn konkrete bewaffnete Konflikte und ihr historischer Kontext Modell stehen dürfen, wird gerne die Schublade der Vergangenheit geplündert. Aktuelle kriegerische Auseinandersetzungen finden in der Regel kaum Verwendung; Vergangenheitsbewältigung anstelle von Gegenwartskritik.

In dieser Hinsicht nimmt "FLAG" gewiss eine Vorreiterrolle ein: Mit einer Handvoll Reminiszenzen an Amerikas Kriege in Afghanistan und Irak entfaltet Takahashi einen Konflikt mit vielen Gesichtern vor der Kulisse eines fiktiven asiatischen Landes und hinterfragt die Rolle der UNO in einer solchen Situation. Hierbei legt die Anime-Reihe großen Wert darauf, ein möglichst differenziertes Bild wiederzugeben: Die Vereinten Nationen sorgen sich weniger um das Wohl des Landes als um ihr Ansehen im weltpolitischen Machtgefüge, die Zivilbevölkerung leidet unter dem sinnlosen Konflikt zwischen Blauhelmen und Extremisten und militärische Einsätze gegen terroristische Kräfte nehmen angesichts der UN-Waffentechnologie wie der HAVWCs (High Agility Versatile Weapon Carrier) - von menschlichen Piloten gesteuerte Kampfmaschinen - die kühlen, distanzierten Züge eines Videospiels an. Auf explizite Gewaltdarstellung wurde in "FLAG" verzichtet, Blut und sichtbare Verletzungen sind Mangelware. Stattdessen kommt die Fantasie des Zuschauers zum Tragen, wenn Keiichi vom Balkon eines mehrstöckigen Hauses aus durch den Sucher seiner Kamera beobachtet, wie mehrere von weißen Tüchern umhüllte Körper auf einer verwüsteten Straße, die kurz zuvor Schauplatz eines Bombenattentates war, nebeneinander aufgebahrt werden. Und wenn der Zuschauer Zeuge eines Luftangriffs mitten im Stadtgebiet wird oder durch das Kampfvisier eines HAVWCs miterleben darf, wie im grünlichen Schein eines Nachtsichtgeräts ein feindliches Zeltlager unter MG-Beschuss regelrecht niedergemäht wird, dann lässt das den Zuschauer nicht unberührt.

Was den Anime von anderen japanischen Zeichentrickproduktionen abhebt, ist seine pseudodokumentarische Inszenierung. Durch die nur scheinbar neutrale Linse einer Kamera beobachtet der Zuschauer die rohe Realität eines Unruhenherds, in dem die Stimmung jederzeit kippen kann. Mit zwei Protagonisten an zwei unterschiedlichen Orten können mehrere Facetten des Bürgerkrieges ins Visier genommen werden: Während Saeko das zeitweilen fragwürdige Vorgehen der UN-Truppen dokumentiert, fängt Keiichi das Leid der Zivilbevölkerung ein. Displayanzeigen wie Zoomfaktor, Kameramodus oder Akkulaufzeit sind allgegenwärtig und variieren von Kamera zu Kamera, der dokumentarische Wahrheitsanspruch wird dadurch hervorragend verstärkt.

Unglücklicherweise ist die subtile Herangehensweise an die brisante Thematik nur auf der Bildebene anzutreffen. Wenn Keiichi zufällig Zeuge eines extremistischen Anschlags auf UN-Truppen wird, philosophiert er in seiner Rolle als Erzähler nicht selten in zähen Monologen über die Frage nach Sinn und Preis eines solchen Krieges. Krieg und militärische Gewalt werden zu offensichtlich angeprangert, indem sie beim Namen genannt werden, anstatt die Bilder für sich sprechen zu lassen. Der Anime büßt dadurch enorm an Potential ein, das etwa in der schon angesprochenen Absenz expliziter Gewaltszenen zum Vorschein kommt. Zudem sprühen die Dialoge nicht gerade vor Lebendigkeit - vor allem in der deutschen Synchro, die sich nicht mit Ruhm bekleckern kann, wenn sich zu dem einen oder anderen leidlichen Sprecher auch noch unbeholfen wirkende Dialoge und Übersetzungsfehler hinzugesellen. Das emotionale Eis wird kaum aufgebrochen, Identifikationsangebote für den Zuschauer sind nicht wirklich vorhanden. Bleibt nur zu hoffen, dass im weiteren Verlauf der Anime-Reihe die Charaktere mehr Entwicklung durchmachen.

Auf der technischen Ebene weiß "FLAG" durchaus zu punkten: Die Charaktere sind gut gezeichnet, die HAVWCs und ihre Animation flüssig in Szene gesetzt. Allerdings wirken die Naturkulissen nicht selten steril und lieblos, wenn einer der Kampfroboter durch die Landschaft düst; das Detail erwartet den Zuschauer vorrangig bei den Figuren und den unterschiedlichen Kameramodi. Der Anime wird durch ein lobenswertes Bild und einen satten Ton unterstützt. Das Bonusmaterial hingegen bietet kaum Anlass für Freudensprünge: Auf der Silberscheibe aus dem Haus OVA Films sind lediglich Werbematerial in Form von Trailern sowie die Credits zu finden. Die Innenseiten der DVD-Hülle stellen Informationen zu den Charakteren Saeko Shirasu und Keiichi Akagi bereit.

Fazit: Ryôsuke Takahashis "FLAG" greift das hochbrisante Thema der medialen Manipulation und Verzerrung der rohen Realität in Krisengebieten auf und kombiniert es mit dem Handkamera-Stil, der bis dato vorrangig im Horrorgenre anzutreffen war. Das Ergebnis: ein kühl wie steril gehaltener Mix aus Kriegs- und Mecha-Anime, dessen pseudodokumentarisches Konzept nicht alle Schwächen zu kaschieren weiß. Da der vorliegenden ersten Volume aber noch zwei weitere DVDs à vier Episoden folgen werden, bleibt abzuwarten, in welche Richtung sich die Reihe weiterentwickeln wird.

Michael Höfel



DVD | Disc-Anzahl: 1 | Erschienen: 01. Oktober 2008 | FSK: 16 | Laufzeit: 150 Minuten | Originaltitel: Furaggu | Preis: 19,95 Euro | Untertitel verfügbar in: Deutsch | Verfügbare Sprachen: Deutsch, Japanisch

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