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 Paradiso

Autoren: Thomas Klupp
Verlag: Berlin Verlag

Cover
Gesamt +++++
Aufmachung
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Alex Böhm will Drehbuchautor werden und ist darum aus Weiden in der Oberpfalz nach Potsdam gezogen, um dort an der Filmhochschule zu studieren. Hier hat er auch Johanna kennengelernt, seine neue Freundin, mit der er in München verabredet ist und nach Portugal fliegen will. Es ist Sommer. Es ist heiß, und Alex wartet an einer Tankstelle in Potsdam auf seine Mitfahrgelegenheit nach München. Als die nicht kommt, sieht er sich um und trifft Konrad, einen ehemaligen Mitschüler, der früher Opfer einiger Streiche und Gemeinheiten war, nun aber ein erfolgreicher Programmierer zu sein scheint. Alex' nächste Mitfahrgelegenheit ist Roland und schließlich Patrizia.

Nachdem Konrad ihn an einem Autobahnkreuz abgesetzt hat, beschließt Alex, zunächst nach Weiden und erst am nächsten Tag mit dem Zug nach München zu fahren. Als er in Weiden ankommt, erfährt er, dass ein berüchtigtes einjähriges Partywochende, das sogenannte Filterwochenende, am Paradiso, einem See, stattfindet. Doch dort trifft er auf Leni und überhaupt geht alles anders aus als geplant.

Auf seinem Weg von Potsdam nach Weiden, in Weiden selbst und ebenso auf dem Weg zum Flughafen im München quasselt Alex pausenlos. Er gibt Dinge aus der Vergangenheit preis, auch Dinge, auf die er nicht stolz ist, er beschreibt, wie Situationen auf ihn wirken, was er fühlt und warum er immer wieder lügt und so beispielsweise Meinungsverschiedenheiten, aber auch anderen zwischenmenschliche Konflikten aus dem Weg geht. Nach und nach lernt der Leser ihn besser kennen. Und er erkennt beispielsweise, dass Alex sich immer wieder Dinge vornimmt, die er zehn Minuten später schon wieder vergessen hat.

Zu Beginn nimmt man Alex vor allem als Feigling wahr, der seine Mitmenschen lieber anlügt als ihnen seine ehrliche Meinung zu sagen. Trotzdem ist da Sympathie und Verständnis für den jungen Mann, der seine Schwächen durchaus einzuschätzen weiß und auch immer wieder Besserung gelobt, Dinge anders und besser anzugehen, der sich selbst und auch andere kritisch betrachtet. So kann man sich zu Beginn recht gut mit ihm identifizieren. Schließlich hat jeder seine Schwächen und schließlich nimmt sich auch jeder Dinge vor, die einzuhalten er nicht schafft. Seine Beschwerden über die Verlogenheit und das Konkurrenzdenken an der Filmhochschule kann man ebenfalls nachvollziehen, allerdings ist man dann schon an einem Punkt, an dem man merkt, dass Alex viel redet, dass man aber nicht alles ernst nehmen sollte, was er sagt. So benutzt er beispielsweise viele Superlative, die innerhalb kurzer Zeit von einem Extrem zum anderen schwenken können. In der Mitte des Buches nervt Alex eher und wirkt mehr wie ein jammernder Waschlappen, der der Welt die Schuld an allem gibt und nicht viel davon hält die Verantwortung bei sich zu suchen.

Am Ende des Buches dann ist man als Leser schließlich aber wirklich fassungslos angesichts der Dreistigkeit des Alex Böhm, seiner Skrupellosigkeit und Gefühlskälte, seiner Egozentrik. Und dieser Weg, den man als Leser beschreitet, die Harmlosigkeit, mit der der Autor zu Werke geht, entwickelt sich dann doch recht explosiv - für einige Leser auf eine gekünstelte Weise vielleicht zu explosiv. Es sind jede Menge Drogen im Spiel, Effekte und Überraschungen, die das Buch eigentlich nicht nötig gehabt hätte, die hin und wieder einer gewissen Dramaturgie geschuldet scheinen und nicht der eigentlichen Entwicklung des Protagonisten.

Aber letztlich schafft es der Autor, den Leser (neben den Effekten) ganz langsam und sachte zu einem fulminanten Ende zu führen, an dem man mit großen Augen dasitzt und denkt: Unglaublich, was für ein Mensch!, gleichzeitig aber Eigenschaften des Alex Böhm in sich verorten kann, denn wie Klupp die Ambivalenz des Innen und Außen seines Protagonisten zeigt, ist wirklich beeindruckend.

Klupp, Jahrgang 1977, hat an der Universität Hildesheim "Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus" studiert und legt mit "Paradiso" seinen Debütroman vor, der viel Diskussionsstoff bietet. So kann man sich zum Beispiel fragen, inwiefern sein Protagonist ein (deutscher) Jedermann ist und damit ein Spiegel der Gesellschaft. Klupp hat ein Roadmovie der besonderen Art geschrieben, das nicht so harmlos ist wie es zu Beginn scheint und für das er zu Recht den Nicolas-Born-Preis erhalten hat.

Katja Maria Weinl



Hardcover | Erschienen: 7. Februar 2009 | ISBN: 9783827008435 | Preis: 18,00 Euro | 200 Seiten | Sprache: Deutsch

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