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 Puerto Rico

Autoren: Andreas Seyfarth
Verlag: Alea

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Glück
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Spielregel
Strategie


Willkommen in der Neuen Welt! Spieleautor Andreas Seyfarth hat sich für dieses Meisterwerk offensichtlich von dem beliebten Computerspiel "Anno 1602" inspirieren lassen. In "Puerto Rico" errichtet man in der Karibik Rohstoffplantagen, baut auf der heimatlichen Insel Produktions- und Handelsgebäude, scheffelt dabei fleißig Geld, um sein Handelsimperium auszubauen und verschifft letztendlich zum eigenen Ruhme die erstellten Waren in die europäische Heimat.
Die Südsee-Atmosphäre und der Handel mit mehr oder weniger exotischen Waren wie Indigo und Kaffee hat mächtig Flair, man fühlt sich angenehm in diese alte Zeit zurück versetzt, als Kaffee und Tabak noch kostbare Waren waren und wo stolze Handelsschiffe bis zum Rand beladen die Meere durchquerten.

Das Ziel des Spiels ist es, möglichst viele Siegpunkte zu erlangen, was auf drei verschiedene Arten möglich ist: Waren in die Alte Welt verschiffen, viele Gebäude errichten und Spezialgebäude bauen.
Die Grundmechanik ist einfach, relativ unverbraucht und fügt sich blendend in das Szenario ein. Ähnlich wie in "Ohne Furcht und Adel" sucht sich in jeder Runde jeder Spieler nacheinander, beginnend mit dem ründlich wechselnden Startspieler, eine der acht Rollen aus, die es gibt, als da wären: Siedler, Bürgermeister, Händler, Aufseher, Kapitän, Baumeister und zwei Goldsucher. All diese Rollen lösen eine Grundaktion aus, die der Reihe nach von jedem Spieler durchgeführt werden kann, bevor sich der nächste eine Rolle aussucht.
Wenn also der Siedler von einem Spieler ausgewählt wird, dann dürfen sich alle neue Plantagen errichten, in der Bürgermeisterphase nimmt sich jeder Kolonisten, die von einem Schiff in die Neue Welt geschifft werden, und schickt sie zur Arbeit auf die Plantagen und in die Gebäude. Als Händler kann man Waren gegen Gold im Warenhaus verkaufen, als Aufseher werden Waren über die Produktionsketten hergestellt, als Kapitän verschifft man sie über die drei Handelskoggen zurück nach Europa, als Baumeister baut man gegen Gold wichtige Gebäude und als Goldsucher nimmt man sich Gold von der Bank.
Der Spieler, der sich die Rolle ausgesucht hat, bekommt dabei immer einen bestimmten Vorteil, beispielsweise darf der Baumeister seine Gebäude zu einem geringeren Preis bauen als die anderen Spieler oder der Bürgermeister bekommt mehr Kolonisten vom Kolonistenschiff. Das Tolle an diesem Prinzip ist, dass für die restlichen Spieler äußerst wenig Leerlauf entsteht, weil bei fast jeder Rolle jeder Spieler eine Aktion machen darf. Dadurch hat man immer etwas zu tun.
Da immer nur maximal fünf Spieler bei "Puerto Rico" mitmachen können, wird auf die übrig gebliebenen Rollen jeweils eine Dublone, die Währung im Spiel, gelegt, wodurch diese in den kommenden Runden attraktiver werden, darf sich doch der Spieler, der sie aussucht, das Geld zusätzlich nehmen.

Mit einem geringen Startkapital und einer mageren Plantage sind die Spieler nun also darauf aus, möglichst viele Gebäude zu errichten und große Produktionsketten zu erschaffen. Die fünf Waren Mais, Indigo, Zucker, Tabak und Kaffee sind dabei unterschiedlich teuer herzustellen, aber beim Handeln später dafür auch wertvoller. Um eine Ware zu produzieren, benötigt man zunächst eine Plantage, in der der Rohstoff angebaut wird, beispielsweise eine Zuckerplantage. Danach muss man ein Produktionsgebäude bauen, in diesem Fall entweder eine kleine oder große Zuckermühle, die den Rohstoff dann zum handel- und verschiffbaren Endprodukt verarbeitet. Vorher jedoch müssen sowohl die Plantage als auch die Mühle mit Arbeitern, den Kolonisten, ausgestattet werden, bevor sie Erträge bringen können. Das mag sich kompliziert anhören, ist aber gar nicht mal so schwer und vor allem von bestechender Logik und eine eher wenig abstrakte Umsetzung der Wirklichkeit. Die Fantasie übernimmt den Rest.
Es gibt aber nicht nur Produktionsgebäude, sondern auch Bauten, die einem anderweitig Vorteile verschaffen. Zum Beispiel die kleine Markthalle, die einem mehr Gold beim Handel mit Waren bringt. Oder die Universität, bei der man sich sofort beim Bau eines Gebäudes einen Kolonisten zum Betreiben des Baus heraufstellen kann, ohne erst auf die Bürgermeisterphase warten zu müssen. Oder die Werft, mit der man sich sogar ein eigenes Handelsschiff zum Verschicken der Ware bauen kann, und und und.
Letztendlich gibt es noch die besonders teuren Spezialgebäude, die einem bei der Schlusswertung extra Siegpunkte bringen können, wie die Residenz, bei der man je mehr Siegpunkte bekommt, desto mehr Plantagen man besitzt. Zum Schluss kann dies spielentscheidend sein, vorher muss man jedoch vor allem Waren verschiffen und Gebäude bauen, um Siegpunkte zu bekommen. Das führt zu einer Vielzahl möglicher Strategien. Baue ich so viele Maisplantagen wie möglich, womit ich Mais zum Verschiffen in Massen produzieren kann, der aber kein Geld auf dem Markt bringt? Setze ich doch eher auf den teuer herzustellenden Kaffee, um damit dann möglichst viel Geld auf dem Markt zu verdienen und mir wertvolle Gebäude leisten zu können? Verschiffe ich nur wenig und baue vor allem Gebäude? Oder setze ich meine Hoffnungen auf den Ertrag der Spezialgebäude zum Schluss?
Dank der vielen Bauten gibt es jedenfalls zahlreiche Möglichkeiten, sich ein florierendes Handelsimperium in "Puerto Rico" aufbauen zu können. Glück spielt dabei fast gar keine Rolle, man kann höchstens von einem seiner Vorgänger in der laufenden Runde einen Strich durch die Rechnung gemacht bekommen, weil der sich genau die Rolle aussucht, die man sich selbst gerne genommen hätte. Deswegen spielt sich "Puerto Rico" am besten zu viert, weil beim Fünfspielerspiel diese Situation schon mal häufiger vorkommt, während man mit weniger Leuten seine eigene Strategie konsequenter verfolgen kann - was nicht heißt, dass es den anderen Spielern nicht möglich ist, einem einen Strich durch die Rechnung zu machen.
Vorbei ist das Spiel dann, wenn sämtliche Siegpunktchips aufgebraucht sind, wenn keine Kolonisten mehr in die Neue Welt verschifft werden können oder wenn ein Spieler seine Stadt bis zum letzten Feld ausgebaut hat, was nach ungefähr zwei Stunden Spielzeit der Fall ist.

Die oben beschriebenen Mechaniken waren schon zahlreich, aber es geht im Detail noch weiter. "Puerto Rico" ist tatsächlich kein Spiel für Leute, die sonst immer nur "Mensch Ärgere Dich Nicht" oder "Monopoly" rauskramen, was wahrscheinlich auch der Grund ist, warum es den Kampf gegen "Villa Paletti" um die begehrte Auszeichnung "Spiel des Jahres 2002" verloren hat.
Anfangs gibt es in "Puerto Rico" viel zu erklären und als Erklärbär sollte man seine Einführung in das Spiel gut strukturieren, um die Regeln eindeutig zu machen. Eine große Hilfe ist dabei allerdings die wahrhaft exzellente Spielanleitung, die im Detail und gut strukturiert jede einzelne der sieben Rollen erklärt und fast gar keine Fragen oder Unklarheiten offen lässt.
Hat man denn auch einmal angefangen, kommen selbst Anfänger sehr schnell in "Puerto Rico" rein, wenn sie auch sicherlich noch nicht mit einer festen Strategie werden spielen können. Findige Spieler werden aber sicherlich schon ab der zweiten Partie ihr Vorgehen planen wollen und können.

Selten sieht man ein so schön aufgemachtes Spiel wie "Puerto Rico". Der persönliche Spielplan jedes Spielers ist stimmungsvoll in den Farben der Südsee gehalten, die Rollenkarten sind aus dicker Pappe, ihr Aufdruck macht den Eindruck alten Pergaments und auf den Plantagen-Kärtchen sind schöne Symbole des entsprechenden Rohstoffs abgebildet, was alles ein bisschen den Eindruck erweckt, als würde man eine Zeit- und Weltreise machen.
Golddublonen sind auf runden Chips abgebildet, wodurch man sich das (eigentlich immer knappe) Geld auch schön anhäufen kann, die Kolonisten werden durch kleine, runde Holzchips repräsentiert, die mit ausreichend viel Ersatz nachgeliefert werden und, mein persönlicher Favorit, die zu verschiffenden Warenfässer werden durch kleine, sechseckige Holzzylinder in der entsprechenden Warenfarbe dargestellt.
Das ist auf der anderen Seite natürlich auch eine Menge Kleinkram, zum Aufbau des Spiels muss man also schon eine Viertelstunde veranschlagen, um all die kleinen Teile zu sortieren und irgendwo auf dem Tisch zu platzieren, wofür eine mittelgroße Fläche am angemessensten ist. Schade: Bei den Gebäuden sind keine Abbildungen dabei, diese werden nur durch die entsprechenden Kärtchen mit Namenszug repräsentiert.
Die Schachtel bietet Platz für alles und hat drei Plastikbeutel zum Verstauen der kleinsten Teile. Die restlichen Mulden für Gebäude, Plantagen und Rollenkarten sind jedoch ein wenig seltsam gestaltet. Man kann zwar alles schön in den Karton sortieren, nach einem Mal Transportieren liegt aber trotzdem alles durcheinander.

Fazit:
In eingefleischten Hardcore-Spielerunden hat "Puerto Rico" damals eingeschlagen wie eine Bombe - und das zurecht. Das wunderschön aufgemachte Spiel bietet ein tolles Szenario, eine sinnvolle Umsetzung, viele strategische Möglichkeiten und jede Menge Flair.
Profis, die ein anspruchsvolles Strategiespiel suchen, das auch nach Wochen und Monaten noch begeistert, finden wahrscheinlich nichts Besseres, vor allem nicht zu dem Preis, aber auch Gelegenheitsspieler, die sich gerne an komplexeres Material trauen, werden an "Puerto Rico" schnell ihre Freude finden.
Eine Bereitschaft dazu, die zwölfseitige Regel aufmerksam zu lesen, muss natürlich gegeben sein, deswegen bleiben vor allem Fans simpler Brett- und Kartenspiele "Puerto Rico" vielleicht doch besser fern. Für die gibt es mittlerweile aber auch schon den Kartenspielableger "San Juan".

Julius Kündiger



Brettspiel | Erschienen: 01. Januar 2002 | FSK: 12 | ISBN: B0002HWRQG | Preis: 24,95 Euro

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