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 Der Geisterthron, Band 1: Die Assassine

Serie: Der Geisterthron, Band 1
Autoren: Joshua Palmatier
Übersetzer: Michael Krug
Verlag: Bastei Lübbe

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Seit das mysteriöse Weiße Feuer Amenkor vor einigen Jahren durchzogen hat, scheint die Hafenstadt dem Untergang geweiht. In den Armenvierteln treibt sich immer mehr Gesindel herum und die Schere zwischen Arm und Reich wird zunehmend größer. Die Situation wird dadurch noch verschärft, dass das Weiße Feuer die Regentin der Stadt offenbar in den Wahnsinn getrieben hat. Die Herrscherin trifft Entscheidungen, die niemand sonst nachvollziehen kann und die Amenkor an den Rand der Vernichtung zu treiben drohen.

Davon ahnt die erst 14jährige Varis jedoch nichts. Sie gehört der niedersten Unterschicht der Stadt an. Seit dem Tod ihrer Eltern ist jeder Tag für sie ein Kampf ums Überleben. Ihr Essen muss sie sich zusammenstehlen. Ihr Leben ändert sich drastisch, als der Gardist Erick auf sie aufmerksam wird. Er beobachtet sie dabei, wie sie einem Fremden den Garaus macht, der es auf ihr Leben abgesehen hatte. Erick beschließt, Varis für seine eigenen Zwecke zu nutzen. Er bildet sie aus, damit sie für ihn in den Slums von Amenkor jene Menschen ausfindig macht, die die Regentin tot sehen will. Varis lernt schnell. Sie wird selbst zu einer Assassine. Und eines Tages bittet man sie, einen ungewöhnlichen Auftrag auszuführen: Um Amenkor zu retten, soll Varis niemand anderes töten als die Regentin selbst …

“Die Assassine” ist nicht nur Joshua Palmatiers Debüt-Roman, sondern gleichzeitig der Auftakt seiner High Fantasy-Trilogie um den sogenannten Geisterthron: der faszinierende, sein Erscheinungsbild zu wechseln scheinende Herrschersitz der Stadt Amenkor, aus dem hunderte von Stimmen zu flüstern scheinen. Im ersten Teil der Trilogie spielt der Thron zwar eine zentrale Rolle, nimmt aber nicht allzu viel Platz in der Handlung ein. Die konzentriert sich stattdessen voll und ganz auf ihre Hauptdarstellerin. Palmatier hat den Roman in der ersten Person verfasst. Dadurch – und aufgrund der Tatsache, dass ihm Varis als Charakter sehr glaubhaft und nachvollziehbar gelungen ist – ist der Leser immer dicht dran an der Hauptfigur und damit auch am Geschehen, dass aus ihrer Perspektive beschrieben wird.
“Die Assassine” lebt durch Varis. In der Gunst des Leser steht und fällt der Roman mit ihr: Wer die Figur mag, wird Gefallen an dem Buch finden. Wer hingegen nichts mit ihr anfangen kann, wird sich folglich schwer tun. Varis ist, wenn auch keine Antiheldin, eine tragische Figur. Sie ist in den Slums von Amenkor aufgewachsen; um zu überleben, musste sie Kämpfen lernen, Stehlen – und Morden. Sie entwickelt sich zu einem kantigen Menschen mit einem weichen Kern; dieser Entwicklung folgt man und dadurch ist “Die Assassine” weniger ein Epos als eine Coming of Age-Geschichte.

Eine kleine Warnung für Leser, die es gern überbordend phantastisch mögen: Ein Magiesystem spielt im Roman eine untergeordnete Rolle. Varis verfügt zwar über Fähigkeiten, die man durchaus als übernatürlich bezeichnen kann. Ihr ist es möglich, ihre Wahrnehmung so zu verändern, dass sie erkennen kann, ob andere Menschen ihr gefährlich werden können, ob sie gute Absichten hegen oder von Grund auf schlecht sind. Mit dieser Gabe umzugehen erlernt sie jedoch erst im Verlauf der Handlung. Der Geisterthron hingegen, das große magische Artefakt der Reihe, spielt nur in einer überschaubaren Anzahl von Szenen eine Rolle.

Anstelle magischer Feuerwerke konzentriert sich das Buch auf einen düsteren, harten Plot. Seit George R. R. Martin, Scott Lynch und Konsorten ist so etwas ja groß in Mode im Fantasy-Genre. Joshua Palmatier gelingt es, seinem Roman einen sehr realistischen, sehr harten Anstrich zu verleihen, der dennoch ganz anders wirkt als die Kunstgriffe seiner Kollegen. Sprachlich bewegt sich der Autor übrigens im gehobenen Mittelmaß. “Die Assassine” ist sehr angenehm zu lesen und wirkt recht flüssig übersetzt. Zudem würdigt die Lübbe den Roman entsprechend, indem sie ihn zum ersten Buch machen, das innerhalb dieser Verlagsgruppe mit Klappbroschur erscheint in einem Format, welches etwas größer ist als die von Bastei Lübbe üblichen Taschenbücher.

Ein Buch also für jene, die des unschuldigen Mädchens vom Land, das sich zur Retterin der Welt entwickelt, überdrüssig sind und sich auf eine tragische Figur freuen, die von einer Welt dazu gezwungen wird, schwierige Entscheidungen zu treffen – und trotzdem nicht daran zerbricht. Ein solides Debüt, das nicht weltbewegend ist, aber Lust auf mehr macht. Dreieinhalb Sterne.

Christian Handel



Taschenbuch | Erschienen: 11. August 2009 | ISBN: 9783785760130 | Originaltitel: The Skewed Throne | Preis: 14,95 Euro | 384 Seiten | Sprache: Deutsch

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