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 20th Century Boys


Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton
Japan, 1969: Sieben Kinder schließen sich zusammen und schwören einander ewige Freundschaft. Getrieben von ihrer naiven Abenteuerlust, bauen sie auf einem Feld ihre „Geheimbasis“ und verbringen den Tag damit, über ihre Zukunftsträume zu reden, Mangas und Erotikmagazine zu verschlingen und Rockmusik zu lauschen. In einem „Buch der Prophezeiungen“ leben sie ihre Comicfantasien aus und beschreiben ein düsteres Endzeitszenario, in dem eine mysteriöse Organisation mit biologischen Waffen, Bombenanschlägen und Riesenrobotern die Weltherrschaft an sich reißen will. Als das Feld samt Unterschlupf einer Bowlingbahn weichen soll, vergraben die Freunde das Buch in einer Art Zeitkapsel und schwören, es wieder auszuheben, wenn der Welt Gefahr droht.

Dreißig Jahre später erinnert sich kaum noch jemand daran: Maruo (Hidehiko Ishizuka) hat einen Accessoireladen eröffnet, Yukiji (Takako Tokiwa) hat sich ihren Job als Zollbeamtin spannender vorgestellt und Kenji (Toshiaki Karasawa) hat seinen Traum von einer Karriere als Rockmusiker an den Nagel gehängt, um mit seiner Mutter einen Convenience Store zu betreiben und nebenbei das Baby seiner verschwundenen Schwester großzuziehen. Doch im ausklingenden 20. Jahrhundert steuert die Welt auf den Abgrund zu: Familien verschwinden spurlos, eine mysteriöse Epidemie lässt Menschen innerhalb von Sekunden verbluten und eine ominöse Sekte weitet ihren Einfluss bis in höchste politische Kreise aus. Als auch noch einer der sieben Freunde von damals unter rätselhaften Umständen zu Tode kommt, müssen Kenji und die anderen erkennen, dass jemand die Visionen aus dem „Buch der Prophezeiungen“ Schritt für Schritt in die Tat umsetzt. Die Fäden hinter dieser unheimlichen Entwicklung scheint der maskierte Anführer der Sekte, den alle nur als „den Freund“ kennen, in den Händen zu halten. Doch woher kennt er das Symbol der sieben Freunde, das der Verschwörung nun als Emblem dient?

Asiatische Comicverfilmungen haben es in Europa – und besonders in Deutschland – nicht leicht: Nur eine Handvoll Filme schaffen es jährlich in die heimischen Gefilde, Filmfestivals oder Conventions obliegt die undankbare Aufgabe, ein nicht selten unter dem Sammelbegriff „Freaks“ zusammengefasstes Publikum mit faszinierenden Highlights aus Fernost zu versorgen – und kleinen Filmlabels wie Eye See Movies, solche Schmuckstücke dem deutschen DVD-Markt nicht vorzuenthalten. Zu den jüngsten Perlen zählt mit Sicherheit „20th Century Boys“, die Verfilmung der gleichnamigen Mangareihe von Naoki Urasawa („Monster“), welche auf dem diesjährigen Nippon Connection Festival in Frankfurt am Main Deutschlandpremiere hatte. Galt der Endzeit-Manga aufgrund seiner Komplexität lange Zeit als nicht verfilmbar, so belehrt Regisseur Yukihiko Tsutsumi Skeptiker nun eines Besseren.

In gewisser Weise definiert „20th Century Boys“ das Genre der Comicverfilmung neu: Nicht etwa hinsichtlich der Action, der Story oder etwaiger herbeigerufener CGI-Geister kann Tsutsumis Realverfilmung als Meilenstein gelten, sondern hinsichtlich der Nähe des Films zur Comicvorlage, die beinahe jede der insgesamt 142 Minuten Laufzeit gewährleistet wird. Der Regisseur hat sich um eine detailverliebte Adaption des Mangas bemüht, für die man einfach das Prädikat „mustergültig“ bemühen muss. Die Darsteller sind mit höchster Sorgfalt ausgewählt worden und gleichen ihren gezeichneten Gegenstücken bis aufs Haar, von den Protagonisten bis hin zu den unbedeutendsten Nebenfiguren; besonderes Toshiaki Karasawa („Casshern“) brilliert als Kenji Endo und Takashi Ukaji bringt für seine Rolle als Mon-chan die erforderlichen harten Gesichtszüge mit. Viele Szenen und Dialoge des Comics – von handlungstragenden Konfrontationen bis hin zu belanglosem Smalltalk – finden sich 1:1 im Film wieder, nicht selten kann man mit aufgeschlagenem Manga mitlesen. Kenner von Urasawas Endzeitcomic sollten sich also auf eine wahre Sturmflut an Déjà-vus gefasst machen, denn kaum eine andere Comicverfilmung weiß einen solchen Wiedererkennungsgrad zu garantieren wie „20th Century Boys“.

Bemerkenswert ist Tsutsumis Geschick, die Komplexität der Mangavorlage im Film einzufangen. Abstriche lassen sich natürlich nicht vermeiden, dennoch kommt man nicht umhin, dem Regisseur Anerkennung zuzusprechen. Dies gilt vor allem für das wichtigste Handlungselement des Mangas, nämlich die vielfach in einander verschachtelten Zeitebenen: Die Handlungen in der Gegenwart werden immer wieder von Rückblenden in die Vergangenheit der Protagonisten unterbrochen, um Aktionen in der Gegenwart zu erklären, die Geschichte voranzutreiben oder die Motivation einer Figur transparent zu machen. Trotz der komplexen Struktur reißt nie der rote Faden, der Zuschauer hat kein einziges Mal mit der Schwierigkeit zu kämpfen, vor dem Plot kapitulieren zu müssen.

Die Absicht des Regisseurs, den Manga mit möglichst wenigen Abstrichen auf die Leinwand zu bannen, fordert jedoch seinen Tribut: In seinem Unterfangen, selbst für die Handlung bedeutungslose Szenen mit an Bord zu nehmen und so einen möglichst hohen Wiedererkennungswert zu garantieren, strapaziert Tsutsumi nicht selten die Geduld des Publikums. Während Urasawa Tausende Seiten zur Verfügung standen, um seine Figuren sorgfältig zu formen, den Teppich der unterschiedlichen Zeitebenen zu knüpfen und kontinuierlich Spannung aufzubauen, hat der Film mit dem Problem zu kämpfen, mehrere Bände auf 142 Minuten komprimieren zu wollen. Stellenweise wird man das Gefühl nicht los, dass der Regisseur auf Teufel komm raus eine möglichst originalgetreue Realverfilmung angestrebt und dabei gelegentlich den Spannungsaufbau vernachlässigt hat. Kenner des Mangas werden regelrecht von Déjà-vus erschlagen, während Novizen von „20th Century Boys“ nichts mit den zahlreichen Anspielungen auf die Comicvorlage anzufangen wissen und über stellenweise im Sande verlaufende Dynamik klagen könnten. Darüber hinaus zögert der Film die Handlung teilweise hinaus und ruht sich einmal zu oft auf Charakterzeichnungen oder Rückblenden aus. Der erste Film der Trilogie ist somit nicht mehr als ein 142-minütiges Präludium, dessen bombastisches Ende das Potential der Fortsetzung erahnen lässt.

Im Gegensatz zum Film weiß die DVD von Eye See Movies kaum zu überzeugen. Das Bild kann man im Großen und Ganzen als gut bezeichnen, nur in wenigen Szenen fällt es etwas zu dunkel aus. Der Ton steht wahlweise in Dolby Digital 2.0 und 5.1 zur Verfügung, vor allem letzterer kann überzeugen. In puncto Ausstattung hingegen schnallte man den Gürtel nicht einfach enger, sondern übersprang gleich mehrere Löcher auf einmal: Bonusinhalte bietet die DVD nämlich keine – sofern man Untertitel und Kapitelauswahl nicht explizit als solche sieht. Darüber hinaus ist nur die japanische Tonspur vorhanden, auf eine deutsche Synchro wurde verzichtet, womit die DVD wohl nur O-Ton-Liebhaber ansprechen dürfte. Die schmucke Klappbox aus Hartkarton wartet mit einem wahren Eyecatcher von Cover auf, wird aber von einem übergroßen FSK-Logo misshandelt. Hier wäre es wünschenswert gewesen, wenn Eye See Movies der DVD eine Papphülle beigelegt hätte, die das Frontcover samt FSK-Brandmarkung enthält und die eigentliche Box vor letzterem bewahrt; ein Kunstgriff, der gelegentlich bei Steelbooks angewendet wird, um einerseits dem Gesetz genüge zu tun und gleichzeitig den Käufer nicht zu verärgern …

Mit „20th Century Boys“ wird eine ambitionierte Verfilmung von Naoki Urasawas Endzeit-Manga und der detailverliebte Auftakt einer vielversprechenden Filmtrilogie abgeliefert, der unübersehbare Schwächen in der Dynamik mit seinem originellen Look, gut aufgelegten Darstellern und der Nähe zur Vorlage wieder wettzumachen versucht. Wer sich – in Unkenntnis der Mangavorlage – den Film in Erwartung eines raffiniert konstruierten Fantasy-Mysterythrillers oder eines CGI-geladenen Sci-Fi-Epos à la „Casshern“ anschafft, könnte jedoch etwas enttäuscht werden. Nicht zuletzt deswegen empfiehlt sich die Lektüre des Mangas, bevor man zur – leider gänzlich miserablen – DVD greift, da man den Film erst mit gewissen „Basics“ wirklich genießen kann. O-Ton-Liebhaber mit einem Faible für asiatisches Popcornkino dürfen jedenfalls zugreifen.

Michael Höfel



DVD | Disc-Anzahl: 1 | EAN: 7640105237043 | Erschienen: 28. September 2009 | FSK: 16 | Laufzeit: 142 Minuten | Originaltitel: 20-seiki shônen | Preis: 22,95 Euro | Untertitel verfügbar in: Deutsch | Verfügbare Sprachen: Japanisch (Dolby Digital 5.1 und 2.0)

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