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 Das Geheimnis der großen Schwerter, Band 1: Der Drachenbeinthron


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Mit der vierbändigen Fantasy-Saga "Das Geheimnis der großen Schwerter" hat der US-amerikanische Autor Tad Williams ein Mammutwerk geschaffen, das ruhig zum Besten gezählt werden darf, was das Genre zu bieten hat. Umso erstaunlicher, dass die Erzählung um Simon Mondkalb, Ineluki Sturmkönig und den Kampf um Osten Ard, erstmals in den 80er Jahren erschienen, jahrelang vergriffen war. Nun hat Klett-Cotta Tad Williams' episches High Fantasy-Werk als vierbändige, schön aufgemachte Hardcoverausgabe neu aufgelegt – zum Glück! Die Geschichte beginnt mit "Der Drachenbeinthron":

Der Hochhorst ist der Mittelpunkt der Welt Osten Ard, denn in dieser weitläufigen Festung lebt und herrscht Johan der Priester. Als Hochkönig herrscht er über die Völker von Nabban, Rimmersgard, Erkynland, Yiqanuc und Hernystir gleichermaßen und hat dem Reich nach Jahren des Kriegs endlich Frieden gebracht. Doch nun liegt der alte Johan im Sterben, und seine beiden ungleichen Söhne Elias und Josua sind seit einem Unglück verfeindet. Zwar ist klar, dass Elias als der Ältere den Thron besteigen wird, doch trotzdem misstraut er seinem jüngeren Bruder, der nach einem Kampf, bei dem er die rechte Hand verlor, "Josua Ohnehand" genannt wird. Das politische Gleichgewicht in Osten Ard steht, unbemerkt von den meisten Bewohnern des Landes, auf Messers Schneide – doch all dies kümmert Simon, einen vierzehnjährigen Küchenjungen auf dem Hochhorst, wenig. Er vertrödelt seine Tage, ist ein rechter Tollpatsch und hat seinen Platz im Leben offenbar noch nicht gefunden. Am liebsten verbringt der Junge seine Zeit bei Morgenes, einem weisen alten Mann, der in einer herrlich vollgestopften Hütte lebt und allerhand Magie beherrscht. Dann stirbt König Johan, und das Schicksal nimmt seinen Lauf. Unter der Herrschaft des neuen Königs Elias nehmen Armut, Krieg und Wut der Völker immer weiter zu, zumal sich Elias einen teuflischen Ratgeber an seine Seite geholt hat: den undurchsichtigen und unheimlichen Priester Pryrates, der scheinbar mit den Mächten des Bösen im Bunde steht. Die Lage spitzt sich zu, als Josua, der jüngere der beiden Brüder, plötzlich verschwindet.

Simon, der wegen seiner verträumten und tollpatschigen Art häufig "Mondkalb" genannt wird, sieht sich auf einmal in höchst gefährliche Machenschaften verstrickt. Er muss aus der heimischen Festung fliehen und fortan um sein Leben fürchten. Zum Glück trifft der Junge auf seiner Reise Freunde und Verbündete, die ebenfalls um das Schicksal Osten Ards bangen. Was niemand ahnt, ist, dass die Lage wesentlich schlimmer ist als angenommen: Nicht der neue König und nicht sein dämonischer Berater sind die Wurzel des Übels, das sämtliche Völker Osten Ards bedroht, sondern Ineluki Sturmkönig, ein vor 500 Jahren vernichteter Prinz aus dem Volk der Nornen. Der Schlüssel zu alldem scheinen drei Schwerter zu sein, die die Namen Leid, Minneyar und Dorn tragen ...

Viele, die den "Drachenbeinthron" angefangen haben, haben das Buch irgendwann frustriert weggelegt, weil die ersten 200 Seiten sich, wenn man ehrlich ist, etwas dahinziehen. Hier sei allen geraten, geduldig am Ball zu bleiben! Es lohnt sich unbedingt, außerdem sind die Ausführungen notwendig, um die Welt Osten Ard zu verstehen und die zahlreichen Charaktere einzuführen. Tad Williams' Werk ist so großartig, so spannend, so detailliert und intelligent erzählt, dass man nach diesem ersten Band - er umfasst 957 Seiten – froh ist, noch mehr als 2500 beruhigende Seiten vor sich zu haben. Ist man einmal in den Sog der Geschichte geraten, dann wünscht man sich, dass sie niemals enden möge.

Osten Ard, die Welt, in der die Erzählung spielt, ist – ähnlich wie Tolkiens Mittelerde - locker an die Geographie Europas angelehnt, was auch die Karte, die im Buch abgedruckt ist, nahelegt: Erkynland dürfte in etwa England entsprechen, die harten Rimmersmänner aus dem hohen Norden muten wie Wikinger an, die Bewohner Yiqanucs ähneln in ihrer Kultur Eskimos, die elfenhaften Sithi besitzen japanische Züge, die Nabbanai sprechen eine Sprache, die wie Latein klingt.
Überhaupt gibt es eine Menge kultureller Parallelen zu unserer Welt – etwa eine Religion, in der der Sohn Gottes an einem Baum gekreuzigt wurde -, aber Tad Williams hat sie so klug, so detailreich gesponnen, dass man sofort verzaubert ist und nirgendwo einen bloßen Abklatsch entdeckt, auch wenn die tiefe Verbeugung vor dem Herrn der Ringe natürlich klar zu erkennen ist. Anders als Tolkiens Werk, das zwar unbestritten genial, aber teilweise auch etwas distanziert erzählt ist, ist "Der Drachenbeinthron" viel unmittelbarer und häufig atemberaubend spannend geschrieben; es gibt eine Menge Verfolgungsjagden und Schlachten, ohne dass die Geschichte jemals in Klischee-Fantasy abdriftet. Die handelnden Personen, von denen es eine schwindelerregende Menge gibt, wirken alle vollkommen lebensecht, so liebevoll hat Tad Williams sie gezeichnet – von der Hauptfigur Simon bis zum unwichtigsten Diener auf dem Hochhorst sind alle Figuren extrem lebendig und glaubhaft beschrieben. Dabei sind dem Autor eine ganze Reihe außergewöhnlicher Charaktere gelungen, die noch lange im Gedächtnis bleiben, wenn man das Buch längst zugeklappt hat. Etwa der gemütliche, aber auch kampfeslustige Herzog Isgrimnur, der bezaubernde, kluge Troll Binabik mit seiner Gefährtin, der grauen Wölfin Qantaqa, oder der dämonische, ganz und gar haarlose Priester Pryrates, der dem Leser den einen oder anderen Schauer über den Rücken laufen lasst.

Für die Neuauflage wurden die Bücher übrigens nicht neu übersetzt, die alte Übersetzung wurde lediglich neu durchgesehen. Die Aufmachung der Hardcover-Bände ist sehr gelungen; neben einem Lesebändchen findet sich die bereits erwähnte Karte Osten Ards auf die Innenseiten der Buchdeckel gedruckt, der Anhang gibt Auskunft über Personen, Orte und Kreaturen sowie die Übersetzung der Wörter und Sätze in den verschiedenen Sprachen Osten Ards.

Fazit: Genialer Auftakt eines der großartigsten Fantasy-Epen, die je geschrieben wurden. Wer sich an den "Drachenbeinthron" wagt, braucht am Anfang zwar Durchhaltevermögen – Fans von High Fantasy werden aber garantiert nicht enttäuscht werden!

Die Saga der großen Schwerter wird fortgesetzt mit "Der Abschiedsstein"; das Buch ist bereits erschienen. Die Teile drei und vier ("Die Nornenkönigin" und "Der Engelsturm") erscheinen im Herbst bei Klett-Cotta. Im Englischen hat die Reihe offiziell übrigens nur drei Bände, wenn auch für die Taschenbuchausgabe der letzte Band dort ebenfalls zweigeteilt wurde.

Eine Leseprobe zu "Der Drachenbeinthron" gibt es auf der Verlagseite.

Christina Liebeck



Hardcover | Erschienen: 1. Februar 2010 | ISBN: 9783608938661 | Originaltitel: Memory, Sorrow and Thorn: The Dragonbone Chair | Preis: 24,90 Euro | 975 Seiten | Sprache: Deutsch

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