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Der Autor Dr. med. Dipl. theol. Manfred Lütz ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Nervenarzt und Theologe. Darüber hinaus widmet er sich dem Schreiben und so ist er durch sein im Jahr 2002 erschienenes Buch „Lebenslust – Wider die Diätsadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult“ einer breiten Masse von Lesern bekannt geworden. Mit seinem Buch „Irre - Wir behandeln die Falschen: Unser Problem sind die Normalen“ wagt er einen Versuch, nicht nur allgemeinverständlich psychische Krankheiten und gängige Therapien auf dem heutigen Stand der Wissenschaft darzustellen, sondern den Lesern in unmissverständlicher Art und Weise nahezubringen, dass kein Mensch wirklich normal ist und gerade deshalb das Außergewöhnliche besonders zu schätzen ist.
Nach einem kurzen Vorwort kommt Manfred Lütz deshalb auch gleich zur Sache und nimmt in seinem ersten Kapitel mit dem vielsagenden Titel „Unser Problem sind die Normalen“ den ganz normalen Wahnsinn in unserer Gesellschaft aufs Korn. Er versucht zu erläutern, dass die wahnsinnig Normalen und der ganz normale Blödsinn das eigentliche Problem darstellen - ein Zustand, der nicht behandelbar ist. Und so muss Paris Hilton weiterhin selbstverliebt ins Rampenlicht treten und Dieter Bohlen seine Frauen wechseln, wenn er meint, dass die Zeit dafür reif ist.
Nach dieser manchmal schon etwas verwirrenden Einführung in die eigentlichen Probleme der Gesellschaft wendet sich der Autor einem sehr wichtigen Aspekt zu, nämlich der Frage: „Warum behandeln, und wenn ja, wie viele?“ Mit dem Untertitel: „Über Unsinn und Sinn von Psychiatrie und Psychotherapie“ versehen, sind die Ausführungen in dem zweiten Kapitel des Buches dazu gedacht, eine neue Sicht auf Psychiatrie und Psychotherapie zu vermitteln und mit alten Vorurteilen aufzuräumen. Zum Beispiel mit dem Glauben, dass Genie und Wahnsinn häufig zusammen gehen. Ein Spruch, den der Volksmund gerne prägt, der aber völlig unsinnig ist. Denn um Großes zu vollbringen, muss der Mensch, wie der Autor es treffend formuliert, seine Tassen im Schrank ziemlich geordnet haben. Und so sieht Lütz die Aufgabe der modernen Psychiatrie darin begründet, psychisch kranken Menschen dabei zu helfen, mit all ihren Außergewöhnlichkeiten mitten in dieser Gesellschaft zu leben.
Mit einem dritten Kapitel unter der Überschrift „Eine heitere Seelenkunde – Alle Diagnosen, alle Therapien“ komplettiert Manfred Lütz das Buch. In diesem erläutert er neben organischen Krankheiten des Gehirns und dessen Auswirkungen die Sucht als Krankheit sowie Trauma, Angst und Zwangsstörungen. Aber auch der Schizophrenie, der Depression und den Manien räumt er den ihnen gebührenden Platz ein und erläutert vielfältige Behandlungsansätze und –möglichkeiten.
Der Autor Manfred Lütz hat mit seinem Buch „Irre - Wir behandeln die Falschen: Unser Problem sind die Normalen“ den Nerv der Zeit getroffen. Noch nie wurde so viel über psychische Störungen und Krankheiten geredet. Noch nie hat sich der Einzelne dermaßen intensiv mit den Leiden einer kleineren Gruppe der Bevölkerung auseinandergesetzt. Und noch nie wurde so viel über Integration psychisch Kranker in die Gesellschaft geredet. Ein gutes Zeichen und die Grundlage dafür, dass diesem Buch soviel Beachtung geschenkt wird.
Gewiss ist der Leser nach der Lektüre zunächst einmal verwirrt. Ist er nun wahnsinnig normal oder normal wahnsinnig? Eine Frage, die gar nicht so einfach zu beantworten ist. Doch sieht man die Sachlage mal mit Humor, eine Betrachtungsweise, die vor allem der Autor bevorzugt, ist alles gar nicht so schlimm. Eine Behandlung des scheinbar Normalen ist genauso unnötig wie sinnlos. Denn kein Mensch ist einfach nur normal. Eine Feststellung, die Manfred Lütz in seinem Nachwort trifft und damit die Grenzen durchbricht, um das Außerordentliche schätzen zu lernen.
Doch so lustig das alles klingt, so ernst geht es zur Sache. Gut verständlich, humorvoll und unterfüttert mit einer Menge an wahren Episoden aus seinem über dreißig Jahren währenden Krankenhausalltag versteht es Manfred Lütz, Klarheit zu schaffen und dem Leser die vielfältigen Probleme und das nötige Verständnis im Umgang mit psychischen Krankheiten und psychisch Erkrankten nahezubringen. Ein wunderbares Buch, für das der Leser sich die nötige Zeit nehmen sollte.
Fazit:
„Irre - Wir behandeln die Falschen: Unser Problem sind die Normalen“ ist ein interessantes und lehrreiches Buch, das den scheinbar Normalen neue Sichtweisen eröffnet. Jeder, der das Buch gelesen und beendet hat, wird nach dessen Lektüre über einige Aspekte seines Umgangs mit anderen Menschen nachdenken, aber auch mehr Sicherheit gewinnen, um sich dem Außergewöhnlichen zu stellen.