Wohl jeder, der begeistert fotografiert, hat schon einmal davon geträumt, seine Fotos zu verkaufen und womöglich ein wenig Ruhm und Ehre nebst einem akzeptablen Entgelt dafür einzuheimsen. Dies gelingt jedoch den wenigsten.
Chris Orwig möchte mit seinem Buch "Der inspirierende Augenblick" allen Fotografie-Begeisterten Mut machen, ihren Traum zu leben, und zugleich eine Art Leitfaden an die Hand geben, mittels dessen er sich umsetzen lässt.
Die ersten Kapitel befassen sich mit einigen wichtigen Fähigkeiten und Grundhaltungen, die ein Fotograf erwerben sollte. So geht es um den Zusammenhang zwischen Poesie und Fotografie, um Kreativität in der Fotografie und die Schulung des Auges. Auch der Umgang mit der Kamera, also ein gewisses Maß an Technik, ist Gegenstand eines Kapitels. Anschließend werden einige wichtige Genres behandelt: Porträt, Kinder und Familie, Hochzeit, Reisefotografie, Action und Outdoor – insbesondere Sport – sowie "Fundstücke". Im vorletzten Abschnitt geht es um die Fotoausrüstung sowie andere grundsätzliche, praktische Aspekte und im letzten schließlich darum, wie man sich zum Profifotografen entwickeln kann.

Alle Kapitel sind identisch aufgebaut. Sie beginnen mit einer Inspiration, also ermutigenden Gedanken, Erfahrungen und Anregungen, bisweilen auch "Don'ts", die auf das Kapitelthema einstimmen, setzen sich, sofern es sich um praktische Themen handelt, über "Praxistipps" und Ausrüstung fort, enthalten in diesem Fall auch eine ganze Reihe von Übungsaufgaben und enden mit Gastbeiträgen. Diese bestehen aus Interviews mit Profifotografen, denen der Autor jeweils dieselben Fragen stellt.
Chris Orwig ist Amerikaner, und sein Buch unterscheidet sich deutlich von europäisch geprägten Ratgebern und Fotoschulen mit ihrem knappen Matter-of-Fact-Stil und in sich abgeschlossenen Abschnitten. Orwig scheut sich nicht vor inhaltlichen Wiederholungen, und manche Hinweise und Tipps wiederholen sich wie ein Mantra. Auch ist das Buch, ungewohnt für den europäischen Leser, sehr persönlich gehalten. Das heißt, es fließt nicht nur reichlich Privatleben ein inklusive Fotos von Ehefrau und Kindern – was nicht als Kritik zu verstehen ist, sind die Bilder doch von guter Qualität und als lehrreiche Beispiele bestens geeignet -, sondern auch individuelle Philosophie. Das muss man als Leser mögen, sonst hat die Lektüre nicht viel Sinn.

Die Gewichtung liegt klar auf der Seite der Menschen-Fotografie in den meisten Varianten, andere Genres wie Landschaft, Architektur oder Makro sind weniger präsent. Andererseits verhilft das Buch aber – und genau das soll es ja dem Titel zufolge – dazu, den fotografischen Reiz aussagekräftiger Details zu entdecken, sei es eine Ansammlung von Kieseln am Strand, sei es ein vergessenes Kinderspielzeug.
Zu den Stärken des Buchs gehören die Aufgaben, die einen ambitionierten Hobbyfotografen durchaus weiterbringen können. Auch wird eine vom Autor durch Kommentare bereicherte Plattform auf Flickr.com für den Austausch unter Gleichgesinnten angeboten. Die abgedruckten Fotos sind sämtlich interessant und von großem Reiz. Und dass auch etwas Technik erläutert wird, weiß der Leser zu schätzen.
Den europäischen Leser dürfte allerdings der durchweg sehr emotionale Ton gelegentlich etwas irritieren; ein bisschen mehr praktische Anleitung, etwas Konkreteres statt Mutmachparolen wüsste man zu schätzen. Auch inhaltliche Wiederholungen, die nicht zuletzt in den Gastbeiträgen – aus deren Fülle letztlich Unübersichtlichkeit resultiert – gehäuft auftreten, mögen die meisten Leser vermutlich weniger.

Insgesamt also ein durchaus attraktives Buch, auch bezüglich der Aufmachung, warmherzig und emotional verfasst, voller Ermutigung und mit praktischem Nutzen, aber etwas mehr Matter-of-Fact-Sicht wäre sicher wünschenswert.