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 Vasco da Gama

Autoren: Paolo Mori
Illustratoren: Mariano Ianelli
Verlag: Hutter Trade

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Glück
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Spielregel
Strategie
Ernst schaut die Figur auf dem Cover der Schachtel in die Ferne, den Finger fast schon anschuldigend gen Spieler gereckt. Rechts daneben befinden sich vier dekadent aussehende Figuren, die verächtliche, abschätzende Blicke tragen. Auf den ersten Blick verheißt die Spielschachtel von "Vasco da Gama" keinen großen Spielspaß – doch der Schein trügt. Man muss nur ein genügend passionierter Spieler sein, um über die grafisch gut gestaltete, aber staubtrockene Aufmachung dieses Spiels hinwegsehen zu können und ein sehr sauber designtes Spiel mit clever aufeinander abgestimmten Mechanismen zu entdecken.

"Vasco da Gama" baut einmal mehr auf dem bekannten und bewährten Spielprinzip des Worker Placement auf, das auch schon aus "Caylus", "Agricola" und "Stone Age" bekannt ist. In jeder der fünf Spielrunden hat man vier Aktionsscheiben zur Verfügung, die man jeweils an einen von vier Orten mit unterschiedlichen Aktionsmöglichkeiten schicken kann. Damit Hobby-Spieler sich aber nicht gleich langweilen, bringt "Vasco da Gama" einen kleinen Twist in das Prinzip: Immer, wenn man eine Aktionsscheibe einsetzt, sucht man sich eine Zahl von Eins bis Zwanzig aus der Mitte aus und legt diese auf die Scheibe. Nimmt man beispielsweise die Zahl Fünf, dann wird die gelegte Aktionsscheibe in der kommenden Runde die fünfte Aktion sein, nachdem alle ihre Scheiben eingesetzt haben.
Doch je niedriger die Zahl, die man seiner Aktion zuweist, desto höher die potentiellen Kosten, die man später für das Ausführen berappen darf. Zu Beginn der Runde wird eine Zahl markiert – diese Aktion wird die erste kostenlose sein, jede weitere kostet Reales, so die Währung des Spiels. Blöd nur, dass sich diese Markierung noch einmal bewegt, nachdem alle Spieler ihre Aktionsscheiben eingesetzt haben. Dann können alle Aktionen noch bis zu drei Reales teurer oder billiger werden. Da es aber auf bestimmten Feldern ziemlich wichtig ist, als Erster dran zu sein, muss man die Risiken beim Auswählen der Aktionsnummer genau abwägen.

Wenn alle Aktionsscheiben gelegt sind, werden die Aktionen in Reihenfolge durchgeführt. Handelsschiffe sind der Grund, warum man sie überhaupt einsetzt. Die Schiffe sollen den Handelsweg nach Indien erschließen, was Siegpunkte bringt. Doch dafür braucht man zunächst ein Schiffsprojekt und die passende Crew. Auf dem einen der Aktionsfelder kann man Matrosen in vier verschiedenen Farben anwerben. Verschiedene Farben sind gut, kosten aber horrende Summen, wenn man sie gleichzeitig anheuert. Auf einem anderen Feld kann man Schiffsprojekte kaufen. Die Kähne unterscheiden sich alle in drei Kennziffern voneinander. Das Navigationslimit besagt, wie weit das Schiff fahren kann – kleine Boote kommen erst gar nicht nach Indien. Doch je besser das Schiff, desto größer die Zahl unterschiedlicher Crew-Mitglieder, die man versammeln muss – und an die ist schwer ranzukommen. Hat man jedoch alles beisammen, kann man auf dem dritten Aktionsfeld ein voll ausgestattetes und mit Kapitän versehenes Schiff auf die Reise schicken, was sich in Form von Siegpunkten und weiteren kleinen Belohnungen auszahlt.
Auf dem vierten Aktionsfeld schließlich kann man sich mit dringend benötigten Finanzen ausstatten oder einen der vier dekadenten Herren vom Schachtelcover davon überzeugen, für die eigene Sache zu arbeiten. Die machen einen dann zum Startspieler, verschaffen eine Extra-Aktion, bringen ein neutrales Schiff ins Spiel oder liefern Matrosen in einer manchmal dringend benötigten fünften Farbe.
Am Ende einer Runde schütten die eingesetzten Schiffe dann Geld und Siegpunkte aus und fahren weiter in Richtung Indien – wenn ihnen ihr Navigationslimit oder die Blockade eines Schiffs beim nächsten Hafen nicht gerade einen Strich durch die Rechnung machen. Nach fünf Runden gewinnt schließlich der Spieler mit den meisten Punkten.

Aus dieser Beschreibung ist schwer herauszulesen, wie clever die einzelnen Mechanismen miteinander verzahnt sind. Die Elemente von "Vasco da Gama" sind in ihrer Zahl überschaubar, aber äußerst tückisch darin, wie sie untereinander interagieren. So muss man sich ganz genau darüber im Klaren sein, welche Aktionen man in welcher Reihenfolge durchführen möchte, ansonsten steht man in wichtigen Momenten ohne Crew, Schiff, Geld oder Kapitän dar. Wenn man clever ist, kann man einen Fehler aber doch noch auf die eine oder andere Art wieder gutmachen, etwa durch die fünfte Aktion des Königs oder durch das neutrale Handelsschiff. Doch auch, wenn man selbst sauber spielt, können einem die anderen Spieler immer noch einen Strich durch die Rechnung machen. Vor allem zu viert ist der Konkurrenzkampf um die begehrtesten Charaktere, Schiffe und Hafenplätze unerbittlich – zu zweit ist das Spiel dagegen eher witzlos.

"Vasco da Gama" richtet sich ganz klar nur an Vielspieler. Einsteiger werden regeltechnisch zwar nicht überfordert, aber die Herausforderung, alle Aktionen in der richtigen Reihenfolge aufeinander abzustimmen und noch mit den anderen Spielern zu hadern, ist enorm. Die drei verschiedenen Informationen auf den Schiffsplättchen sind außerdem ein Tacken zu viel, erinnern fast schon an Chips aus einem Wargame. Das muss man sich alles erst mal einprägen und dann noch die Bereitschaft zeigen, ordentlich über die eigenen Spielzüge nachzugrübeln. Wenn man sich jedoch einmal darin verliert, sind die bierernste Grafik und das aufgesetzte Thema ohnehin egal. Dann ist "Vasco da Gama" ein sehr feines Strategiespiel für Profis, das sich wahrscheinlich Chancen auf den diesjährigen Deutschen Spielepreis ausrechnen kann.
Schade nur, dass das Spiel auf lange Sicht wenig Abwechslung bietet. Weder werden sich von Partie zu Partie großartig andere Konstellationen auf dem Spielbrett ergeben noch gibt das Spiel sehr ausdifferenzierte Strategien her: Man kann sich höchstens auf starke oder schwache Schiffe fokussieren. Dies gleicht "Vasco da Gama" jedoch durch einen höheren Ärgerfaktor als beispielsweise "Agricola" aus. Das Spiel war unter Hobby-Spielern auf den letzten Internationalen Spieletagen in Essen ein echter Überraschungserfolg – zu Recht, denn was intensives Denkvergnügen angeht, war dies einer der besten Titel der Messe.

Julius Kündiger



Brettspiel | Erschienen: 21. Oktober 2009 | Preis: 35,50 Euro | für 2 - 4 Spieler | Sprache: Deutsch

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