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 "Natürlich kann geschossen werden"

Ein kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Brutalität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton
Junge Menschen kennen die Rote Armee Fraktion nicht oder kaum, und auch bei der mittleren Generation, die vom ein oder anderen Anschlag während ihrer Kindheit etwas mitbekam, ist diese linksextremistische Vereinigung in Vergessenheit geraten. Doch die RAF brachte den Staat, den sie infrage stellte, die Bundesrepublik Deutschland, in die erste echte Krise seit seinem Bestehen.
Das Hörbuch nach der Print-Vorlage von Michael Sontheimer befasst sich mit der gesamten Geschichte der RAF – es gab drei Generationen von RAF-Terroristen – und ihrem Kampf gegen den Rechtsstaat, beginnend mit der Befreiung des wegen Brandstiftung in Kaufhäusern inhaftierten Andreas Baader unter anderem durch die Journalistin Ulrike Meinhof.
Der Leser lernt die allmähliche Gründung der Gruppe kennen, ihre tödlichen Aktivitäten, ihre beiden "Tode", als jeweils praktisch alle Mitglieder in Haft oder tot sind, und die Neuformierungen, die nicht zuletzt mit der unmenschlichen Einzelhaft in Stammheim zu tun hatten. Diese hielt die führenden Köpfe der Gruppe nicht davon ab, die Nachfolger zu dirigieren und zu bestimmen, wie weiter vorgegangen sollte. Daraus resultierten unter anderem die Schleyer-Entführung und –Ermordung und die Entführung des Flugzeugs "Landshut" im selben Jahr.
Es wird aufgezeigt, wie sich die Philosophie innerhalb der Gruppe von Generation zu Generation änderte, bis am Ende ein Mitglied nicht davor zurückschreckte, in Budapest einen Anschlag auf einen Reisebus mit jüdisch-russischen Emigranten, meist Frauen und Kinder, zu versuchen.
Ausführlich befasst sich der Autor unter anderem aber auch mit der Verstrickung der RAF mit der STASI und palästinensischen Terroristen, die RAF-Mitglieder ausbildeten, Ermittlungspannen, der lückenhaften Aufklärung und Justizirrtümern im Zusammenhang mit der RAF. Anstoß zur Aufdeckung dieser Missstände gab der Sohn des ermordeten Bundesgeneralanwaltes Siegfried Buback mit seinen Nachforschungen zum Tod seines Vaters.

Der Rezensentin, Geburtsjahr 1967, sind von der RAF geradezu traumatisch das Foto des gefangen gehaltenen Hanns Martin Schleyer und die in vielen Telefonzellen zur Schau gestellten RAF-Terroristen-Konterfeis in Erinnerung geblieben, obwohl sie unter anderem die Anschläge durch die dritte Generation in den 80ern bewusst wahrnahm. Ein Trauma scheint die RAF in der Tat und wie vom Autor beschrieben für die nicht mehr junge und bis dato selbstzufriedene Bundesrepublik gewesen zu sein.
Ohne Apologetik, aber auch ohne unterschwelligen Hass auf seine Protagonisten, immer sachlich, geht der Autor den Hintergründen der RAF-Zusammenschlüsse und –Aktionen nach, versucht, die Charaktere der Hauptakteure auf beiden Seiten zu entschlüsseln, betrachtet, wie im Inhaltsabriss schon angedeutet, auch die Übergriffe seitens des Rechtsstaates, insbesondere die Einzelhaft, und die Fehlurteile, davon beispielhaft der von Michael Buback recherchierte Fall seines Vaters.
Das Buch beziehungsweise Hörbuch reißt alte Wunden der Bundesrepublik wieder auf und versucht, Antworten auf die Frage zu geben, wie junge Menschen aus wohlhabenden, gebildeten Familien den mörderischen Fanatismus entwickeln konnten, der die RAF zum Schreckgespenst des demokratisch legitimierten Staates machte.

Bernt Hahn liest das ohnehin aufwühlende Buch ohne übertriebene Dramatik, doch packend, und macht es zu einer gelungenen Hörbuchumsetzung der Print-Ausgabe. Auch das mit vielen Fotos versehene informative Booklet trägt zum sehr positiven Gesamteindruck bei. Die CDs befinden sich in Kunststoffhalterungen, die in den Kartoneinband integriert sind.
Sehr empfehlenswert!

Regina Károlyi



CD | CD-Anzahl: 3 | Erschienen: 24. April 2010 | ISBN: 9783898139540 | Laufzeit: 233 Minuten | Preis: 19,99 Euro | Sprache: Deutsch

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