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 Schneewittchen muss sterben


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Nach Verbüßung einer zehnjährigen Jugendstrafe wegen des Mordes an zwei Mädchen kehrt Tobias Sartorius in seinen Heimatort zurück, ein Dorf im Vordertaunus. Verurteilt wurde er aufgrund eines reinen Indizienprozesses, denn die Leichen blieben unauffindbar. Er selbst hatte seinerzeit einen totalen Filmriss und kann sich an nichts erinnern.
Dass die Reintegration nicht einfach sein wird, kann er sich denken. Doch es kommt noch wesentlich schlimmer, als er es sich vorgestellt hat. Denn er hat nicht damit gerechnet, dass ihm seine Eltern bei ihren Besuchen eine heile Welt vorgegaukelt haben, die es nicht mehr gibt: Sie sind seit Jahren geschieden, der Vater musste seinen Gasthof aufgeben, weil die Dorfbewohner nicht mehr kommen wollten und zur passenden Zeit einer seiner Angestellten eine eigene Gastwirtschaft eröffnete, und das ganze Anwesen ist heruntergekommen und dem Verfall preisgegeben.
Schmierereien an der Hauswand und Mobbing beim Einkauf im Dorfladen nimmt Tobias mehr oder weniger gelassen hin. Aber dann stößt ein Unbekannter seine Mutter von einer Brücke, und Bauarbeiter finden an einem nahe gelegenen aufgegebenen Militärflugplatz zufällig ein Skelett, das zu einem der beiden vor über zehn Jahren verschwundenen Mädchen gehört. Und, noch schlimmer, plötzlich wird abermals eine Siebzehnjährige vermisst, mit der Tobias sich ein wenig angefreundet hatte – und er kann sich wie damals an nichts erinnern.

Alles weist zunächst darauf hin, dass Tobias völlig zu Recht verurteilt wurde. Nur er selbst kann es nicht glauben und zwingt sich, das Leben im Heimatdorf wieder aufzunehmen; einerseits, um seine Eltern zu unterstützen, andererseits, weil er endlich die Wahrheit herausfinden will. Als sich für das Ermittlerteam Oliver von Bodenstein und Pia Kirchhoff zeigt, dass ein Zusammenhang besteht zwischen dem Skelettfund am alten Flugplatz und den Mädchenmorden sowie dem Mordversuch an Tobias' Mutter, beginnt Pia an Tobias' Schuld zu zweifeln.
Je tiefer sie und Bodenstein vordringen, desto entsetzlichere Abgründe tun sich auf. Eine Mauer des Schweigens umgibt das Dorf, deren Errichtung offensichtlich von Claudius Terlinden angeordnet wurde, einem Unternehmer, von dem fast alle Dorfbewohner in irgendeiner Weise abhängig sind. Es scheint unmöglich, diese Mauer zu knacken, zumal auch in Bodensteins und Kirchhoffs Team nicht alles zum Besten steht: Private Probleme überschatten die Ermittlungen, die einen Wettlauf gegen die Zeit beinhalten, gilt es doch, das neuerdings verschwundene Mädchen zu retten; sofern es noch lebt.

Wer die anderen Bände rund um Bodenstein und Kirchhoff gelesen hat – "Tiefe Wunden" und "Mordsfreunde" wurden bei Media-Mania.de bereits besprochen -, weiß, dass Nele Neuhaus keinerlei Skrupel hat, den beschaulichen, teils bodenständigen, teils sehr mondänen Vordertaunus zur wahren Mördergrube zu machen. In ihrem neuen Krimi muss eine eingeschworene Dorfgemeinschaft dran glauben, wie man sie eigentlich in allen Regionen Deutschlands kenne dürfte, sobald das Urbane ein wenig außen vor bleibt. Insofern handelt es sich auch nicht um einen reinen Regionalkrimi: "Schneewittchen muss sterben" könnte überall spielen und greift typisch menschliche Eigenschaften an, wie sie sich in Gruppen gern manifestieren, falsch verstandene Solidarität, das Gefühl, nur in der Gemeinschaft zu zählen, und blinde Dankbarkeit für scheinbare Wohltaten.
Zwischenzeitlich mag man als Leser Angst bekommen, man könne im Geflecht der vielen Handlungsstränge und Erzählperspektiven stranguliert werden, doch allmählich lenkt sich der Blick auf mehrere Hauptverdächtige, und aus dem Filz gegenseitiger Abhängigkeiten kristallisiert sich eine völlig logische Geschichte heraus. Was nicht heißt, dass der Leser gelassen aus der Geschichte herausgleitet: Nele Neuhaus hat zum Schluss noch ein paar höchst überraschende Wendungen parat – was ihre mittlerweile sehr zahlreichen Fans nicht überraschen dürfte.

Und so bietet "Schneewittchen muss sterben" neuerlich Spannung und Unterhaltung pur – die Autorin weist keinerlei Abnützungserscheinungen auf. Über fünfhundert Seiten "Tension pur"!

Regina Károlyi



Taschenbuch | Erschienen: 11. Juni 2010 | ISBN: 9783548609829 | Preis: 9,95 Euro | 537 Seiten | Sprache: Deutsch

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