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 Die Schattenhand


Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Jerry Burton hat Glück gehabt. Er ist mit dem Flugzeug abgestürzt und sehr schwer verletzt worden. Monatelang liegt er im Krankenhaus und immer nagt die Ungewissheit an ihm, ob er je wieder wird fliegen können. Nun bittet ihn sein Hausarzt, eine lange Phase der Rekonvaleszenz einzuplanen.
Jerry und seine Schwester Joanna entschließen sich, einige Monate auf das Stadtleben zu verzichten, und mieten sich auf dem Land eine reizende kleine Villa. Nichts könnte den Landaufenthalt trüben, wären da nicht abscheuliche und niederträchtige anonyme Briefe, die an zahlreiche Dorfbewohner und leider auch an Joanna verschickt werden. Die Polizei steht vor einem Rätsel und kommt in den Ermittlungen nicht voran.
Doch ein Brief hat eine vernichtende Wirkung auf eine Frau aus der Nachbarschaft. Sie nimmt sich das Leben, und nun ermittelt Scotland Yard im Fall der anonymen Briefe. Doch erst als ein Mord geschieht, wendet sich die Frau des Pfarrers an eine alte Freundin: Miss Jane Marple. Diese nimmt am Teetisch Platz und unterhält sich ausgiebig mit den Honoratioren des Dorfes und mit Jerry und Joanna. Sie entpuppt sich als äußerst intelligente und scharf beobachtende alte Dame, die tatsächlich eine Spur zu haben scheint. Mit Hilfe einer von vielen für zurückgeblieben gehaltenen jungen Frau nimmt sie den gefährlichen Kampf mit dem Mörder auf.

Dieser Krimi wird Fans von Miss Marple enttäuschen. Die alte Dame, der so viele Leser weltweit auch heute noch die Treue halten, tritt in diesem Fall beinahe erst am Ende in Erscheinung. Ihr Beitrag beläuft sich auf wenige Gespräche und einige geschickte Provokationen, um den Täter aus der Reserve zu locken und ihn zu einem Fehler zu zwingen. Die eigentlichen Ermittlungen führen der kranke Jerry und seine Schwester Joanna. Leider vermag uns die Autorin diese Personen nicht interessant genug zu machen, um ihnen ähnlich gespannt unsere Aufmerksamkeit zu schenken, wie es bei Miss Marple der Fall gewesen wäre.
Über einhundert Seiten lang geschieht in dieser ländlichen Idylle so gut wie nichts. Außer Geschwätzigkeit und Langeweile vermittelt das Buch eine gepflegte britische Atmosphäre, die in Teekränzchen und Gesprächen über den Gartenzaun hinweg ihren markantesten Ausdruck finden. Ein Krimi oder eine Krimihandlung entwickelt sich nicht.
Einige dunkle Andeutungen, dass der Briefschreiber Unheil anrichten könnte, wenn er nur der "richtigen" oder besser der "falschen" Person einen Brief schreiben würde, sind alles.
Erst als die erste Tote entdeckt wird und wenig später ein Mord geschieht, wird die Geschichte fast urplötzlich hektisch. Die Ereignisse überstürzen sich und Miss Marple fungiert quasi als Katalysator der Ermittlungen.

Das ist leider zu wenig für einen guten Kriminalroman. Weder Handlung noch Handelnde können begeistern und nach dem unvermeintlichen Happy End - hier sogar eine süßliche Liebesheirat - ist man enttäuscht, dass sich dieses Buch als Miss-Marple-Krimi ausgegeben hat. Ein "Gesellschaftsroman mit Unglücksfall" wäre ein besseres Etikett gewesen.
So bleiben einige köstliche Seiten, in denen der unnachahmliche Ermittlungsstil der Miss Marple vorgeführt wird, die den Roman zu einem leidlich gelungenen Krimi machen. Doch für Agatha Christie und ihre Miss Marple ist das viel zu wenig. Es gibt bessere Romane der Autorin und viel bessere Krimis mit Miss Marple.

Die mir vorliegende Ausgabe des Loewe-Verlags ist bereits vergriffen, erhältlich ist jedoch die Ausgabe des Fischer Taschenbuchverlags (ISBN: 3596166586) für 7,90 € und eine Hörbuchedition (ISBN: 3896143352) für 29 €.

Stefan Erlemann



Hardcover | Erschienen: 01. Januar 1997 | ISBN: 3785520379 | Preis: 4,95 Euro | 220 Seiten | Sprache: Deutsch

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