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 Vergessene Kriegsfilme, Folge 9: Flügel aus Stahl


Cover
Gesamt ++++-
Action
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Extras
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton
Wir schreiben das Jahr 1917: Jack Powell (Charles Rogers) ist ein junger Amerikaner, der nicht nur schnelle Autos liebt, sondern auch täglich Stunden damit verbringt, seinem Traum vom Fliegen nachzuhängen. Mit David Armstrong (Richard Arlen), einem jungen Mann aus wohlhabendem Hause, konkurriert er um die Gunst der hübschen Sylvia Lewis (Jobyna Ralston) und ist dabei blind für die Nachbarstochter Mary Preston (Clara Bow), die unsterblich in Jack verliebt ist. Als die USA in den Krieg eintreten, melden sich Jack und David freiwillig als Kampfpiloten. Das harte Training schweißt die beiden Rivalen zusammen und formt sie zu den besten Kampffliegern, die der Krieg hervorbringt. Doch als sich die US-Streitkräfte in Frankreich zur finalen Großoffensive gegen die deutschen Truppen formieren, nimmt die Tragödie ihren Lauf …

Er gilt als einer der besten Kriegsfilme aller Zeiten, war eine der aufwendigsten Stummfilm-Produktionen überhaupt und gewann 1929 den ersten Oscar als "Bester Film". Und doch ist "Wings" heute gänzlich in Vergessenheit geraten: Der US-amerikanische Kriegsfilm, der im Lindbergh-Jahr 1927 in die Kinos kam, spukt als Genre-Gespenst durch die National Film Registry, eine Handvoll engagierter Filmlexika sowie durch die Köpfe einiger weniger Filmhistoriker. Nun hat Voulez Vous Film den Streifen ausgegraben und als "Flügel aus Stahl" in seine Reihe "Vergessene Kriegsfilme" aufgenommen.

Dem modernen Kino wird gerne vorgeworfen, es konzentriere sich allein auf Effekte und lasse die Handlung im Hintergrund vermodern. Eine Anklage, die man angesichts der Filme eines Michael Bay oder eines Roland Emmerich nicht einfach als haltlos abtun kann. Doch "Wings" zeigt auf eindrucksvolle wie unverfälschte Weise, dass gerade dieser Akzent in der Inszenierung von Kino eine Urtradition Hollywoods ist. Gewiss, "Wings" hat eine Handlung, doch die ist mehr dekoratives Beiwerk und allein der Konvention geschuldet, dass Filme nun einmal grundsätzlich eine Geschichte erzählen – oder zumindest vorgeben, eine solche zu erzählen. Die verzwickte Liebesgeschichte und die Story über die einstigen Rivalen, die der Krieg zusammenschweißt, sind eine nette, aber unglaublich banale Klischee-Schatztruhe, die die Naivität des massentauglichen Stummfilms atmet. Es werden Herzen gebrochen, eherne Freundschaft geschworen und Katastrophen ins Rollen gebracht, dazwischen wird der Film von einigen humorvollen Einlagen aufgelockert, die gänzlich der Mentalität und dem Charme des Roaring-Twenties-Stummfilms verschrieben sind.

"Wings" kleidet sich in einigen Szenen zwar in tragische wie auch komische Kleider, doch in seinem Kern ist der Film pures Spektakelkino. Der Film ist die erste bekannte Zusammenarbeit zwischen Hollywood und der US-Armee, die Panzer, Flugzeuge und anderes Kriegsgerät zur Verfügung stellte. Diese Kooperation und das für die damalige Zeit ungeheure Budget von zwei Millionen Dollar (zum Vergleich: "King Kong und die weiße Frau" verfügte über geschätzte 675.000 Dollar) ermöglichten gewaltige Schlachtpanoramen und nie dagewesene Flugszenen, die das Publikum lange Zeit glauben machten, der Film griffe auf Originalaufnahmen aus dem Ersten Weltkrieg zurück. Und auch heute tut sich der kritische Zuschauer schwer, in den realistischen Kampfszenen lediglich einen Hollywoodfilm zu sehen. "Wings" schafft eine perfekte Illusion, die bis heute – mehr als achtzig Jahre später – nichts von ihrer Kraft eingebüßt hat und die dem Film zurecht neben dem Oscar als "Bester Film" auch den Goldburschen in der Kategorie "Engineering Effects" (in etwa: "Spezialeffekte") sicherte. Gleichzeitig markiert die Zusammenarbeit mit der US-Armee in "Wings" den Anfang einer langen Traditionslinie: Was heute mit Filmen wie "Pearl Harbor" oder "Transformers" als Hollywood-Alltag erscheint – nämlich Product Placement Marke Pentagon –, hat mit "Wings" seinen spektakulären Anfang genommen.

In seiner Botschaft zeigt sich "Wings" ausgesprochen zwiespältig: Zum einen stellt der Film den Krieg an den Pranger, gleichzeitig ist er von einem pathetischen Ton durchzogen, den Regisseur William A. Wellman permanent anschlägt: Luftgefechte werden stellenweise zu ritterlichen Turnieren verklärt, die Deutschen zu Kriegstreibern dämonisiert und Vaterlandsliebe wird als wertvollste Tugend hochstilisiert. So möchte sich ein junger Mann als Kampfpilot freiwillig melden, doch als er seinen Namen – Herman Schwimpf – nennt, mustert ihn der Leiter der Prüfstelle misstrauisch: "Herman Schwimpf?? That's a fine name to fight the Kaiser with!" Doch ein Stars 'n' Stripes-Tattoo am rechten Oberarm kann sämtliche Zweifel zerstreuen, mit Umarmungen und Bruderküssen wird Schwimpf bei der US-Luftwaffe willkommen geheißen.

Einige Worte zur DVD: Das Bild liegt im Originalformat von 4:3 vor und hat altersbedingt mit schwachen Schärfewerten, Rauschen, geringer Detailzeichnung, einem steilen Kontrast und zahlreichen analogen Defekten zu kämpfen. Für sein hohes Alter wirkt das Bild zwar nicht schlecht, dennoch kann der Transfer nicht wirklich überzeugen. Der Ton hingegen fällt schon besser aus: Angesichts der achtzig Jahre, die "Wings" auf dem Buckel hat, ist das Klangbild der Musikuntermalung zufriedenstellend, hier wurde gut abgemischt. In puncto Bonusmaterial blamiert sich die DVD bis auf die Knochen, denn mehr als eine Bildergalerie, Werbung und ein Wendecover hat die Disc nicht zu bieten. Gerade bei einem eine Zeitlang als verschollen geglaubten Klassiker wie "Wings" hätte man sich mehr gewünscht: Audiokommentare von Filmhistorikern, Features über Entstehung und Veröffentlichung des Films, Hintergrundinfos zu Cast und Crew, eine Doku über die Kampf- und Flugszenen, Berichte über die erste Oscar-Verleihung 1929, bei der "Wings" der große Sieger war – mit solchem und ähnlichen Bonusmaterial hätte der Cineast und Sammler seine wahre Freude gehabt.

Fazit:
Pathetisches US-Kriegsdrama aus der späten Stummfilmära, das den Zuschauer von einst wie heute erfolgreich glauben machen lässt, es enthalte Originalaufnahmen aus dem Ersten Weltkrieg. Nicht zuletzt die perfekte Inszenierung der Kriegsszenen macht "Wings" auch achtzig Jahre später zu einem Fest für Stummfilmfreunde, Cineasten und filmhistorisch Interessierte. Voulez Vous Film ist es zu verdanken, dass es der Film überhaupt in deutsche Landen geschafft. Bleibt nun zu hoffen, dass "Wings" die späte Anerkennung erlangt, die es verdient. Und eine würdigere DVD- oder gar Blu-ray-Veröffentlichung …

Michael Höfel



DVD | Disc-Anzahl: 1 | EAN: 807297057690 | Erschienen: 28. Januar 2011 | FSK: 12 | Laufzeit: 139 Minuten | Originaltitel: Wings | Preis: 8,99 Euro | Untertitel verfügbar in: Deutsch | Verfügbare Sprachen: Musik/Instrumental (Dolby Digital 2.0)

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