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 Das tibetische Zimmer

Autoren: Ulli Olvedi
Verlag: Pendo

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis
Zurückblickend muss sich Charlie eingestehen, dass ihre Reise bislang ganz und gar nicht nach Plan verlaufen ist. Angetrieben vom Wunsch nach einem Vater, der sich bereits vor ihrer Geburt aus ihrem Leben gestohlen hat, zieht es sie in die Ferne, jedoch nicht traurig darüber, ihrer Heimat den Rücken zu kehren.
Als sie ihren Vater letztlich in Indien aufspürt, bleibt dieser jedoch ein Fremder für sie und die ersehnte Vereinigung von Tochter und Vater stellt sich als weitere schmerzliche Enttäuschung in ihrem Leben heraus.
Charlies Weg führt sie weiter nach Tibet und endet in einem entlegenen Kloster am Rande der Welt. Warum hatte der Swami sie hierher geschickt? Wie sollte sie sich hier mit ihrem Anderssein versöhnen können? Wie sollte sie hier lernen, so ganz und gar außerhalb der Welt, in die Welt zu passen? Im Ashram sagte man ihr, sie solle Padmasambhava suchen. Würde er ihr zeigen können, wie sie mit ihrem ungewöhnlichen Gespür für das Leben und Leiden anderer und die beängstigenden Vorahnungen, die sie seit ihrer Kindheit zur Außenseiterin machten, fertig werden konnte? So verlockend dieser hoffnungsvolle Gedanke auch sein mag, so überwiegt zunächst ihre Angst vor einer weiteren Enttäuschung. Schritt für Schritt beginnt sich Charlie zu öffnen und erblickt nicht nur das Leben um sie herum, sondern auch die Frau, zu der sie am Ende ihrer Reise werden könnte.

Im Zentrum der Geschichte steht die feinfühlige und sensible Charlie, die in ihrem bisherigen Leben unter ihrer Andersartigkeit stark zu leiden hatte. Schon im Kindesalter zeigten sich ihre empathischen Fähigkeiten, die es ihr ermöglichen, Dinge zu sehen, die den meisten anderen verborgen bleiben. Darüber hinaus gilt sie als hochbegabt, was sie jedoch nur noch stärker zur Außenseiterin werden lässt. Überfordert von ihren Gaben, entwickelt sie sich zu einer verängstigten und neurotischen jungen Frau, die verzweifelt versucht, ihren Platz im Leben zu finden und mit sich ins Reine zu kommen. Durch Rückblenden in ihre Vergangenheit und die Schilderungen ihrer Gedanken und Gefühle wird dieser außergewöhnliche Charakter schnell sympathisch und lebendig. So fällt es dem Leser nicht schwer, Anteil an Charlies Schicksal zu nehmen.
Auf ihrer Reise sieht sich die Hauptfigur mit einem fremdartigen Menschenschlag konfrontiert, der aufgrund seines kulturellen und religiösen Hintergrundes schnell ihr Interesse weckt und den inneren Schutzwall der verstörten Frau zunächst zögerlich zum Wanken und letztlich zum Einstürzen bringt. Die unterschiedlichen Charaktere werden dabei nach und nach in die Handlung eingeführt und begeistern durch ihre außergewöhnliche, skurrile und teils geheimnisvolle Ausstrahlung und Wirkung. Inmitten der kargen Schönheit Tibets finden sich die beschriebenen Personen stimmig in das gewählte Szenario des Klosterlebens ein und es entsteht ein faszinierendes Gesamtbild.

Erneut ist es der deutschen Autorin Ulli Olvedi gelungen, den Leser in die eindrucksvolle Welt des tibetischen Buddhismus am Ende der Welt zu entführen. Dabei webt sie religiöse Inhalte geschickt in die Handlung ein, ohne die Geschichte damit zu überfrachten. Der Erzählstil wirkt zunächst etwas abgehackt und fragmentiert, was jedoch gut zum aufgewühlten Innenleben der Protagonisten passt und noch hervorhebt. "Das tibetische Zimmer" handelt von Selbstfindung, Spiritualität und dem Leben im fernen Tibet, wobei jedem dieser Aspekte ausgewogen viel Platz in der Handlung eingeräumt wird. Dadurch entsteht eine vielschichtige und fesselnde Geschichte, die den Leser berührt und sicher an der einen oder anderen Stelle zum Nachdenken anregt.

Axel Fischer



Hardcover | Erschienen: 1. Januar 2011 | ISBN: 9783866122383 | Preis: 19,95 Euro | 318 Seiten | Sprache: Deutsch

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