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Cover
Gesamt ++---
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


In einem 135-seitigen Taschenbuch veröffentlicht der Verlag Medusenblut insgesamt fünfzehn Geschichten von Hubert Katzmarz.

Die Geschichten variieren stark in ihrer Länge. Einige kurze Geschichten umfassen nur zwei Seiten, die längste Geschichte ist mit zwanzig Seiten "Willkommen in Bleiwenheim". Ironischerweise ist ausgerechnet diese längste Geschichte im Grunde unfertig. Zu Lebzeiten hat der Autor sie nicht mehr beendet, hatte sie allerdings komplett geplant, so dass die Herausgeber das Ende als eine Art Inhaltsangabe an Katzmarz’ Text angefügt haben.

Hubert Katzmarz starb 2003, ohne je sonderlichen Erfolg als Autor gehabt zu haben. Einige seiner Geschichten wurden in Magazinen veröffentlicht, er selbst war Herausgeber des Literaturmagazins "Daedalus". Dass seine Texte zu seinen Lebzeiten wenige Freunde fanden, lag nicht primär daran, dass sich niemand für sie interessiert hätte, sondern vielfach eher daran, dass der Autor selbst seine Geschichten als noch unfertig ansah und darum nicht herausgeben wollte.

Eine Inhaltsangabe der einzelnen Geschichten dieses Bandes ist zwecklos. Nur wenige Geschichten folgen einem klaren roten Faden, kaum eine vermittelt eine direkte Botschaft. Vielmehr setzte Hubert Katzmarz auf eine künstlerische Sprache und verborgene Botschaften, deren Sinn und Wille sich allerdings nur erschließt, wenn man sie wirklich bewusst liest.
Allen Geschichten gemeinsam ist allerdings, dass die Protagonisten letztlich verlieren. Ob dies wörtlich zu verstehen ist oder sich die Personen "nur" selbst verlieren, ist verschieden. Ebenso verschieden sind die Auslöser für diese Verluste.
Im Vorwort wird der Autor selbst zitiert. Er soll gesagt haben, dass "schmerzhafte Desorientierung und rauschhafte Zustände" sein Leben von jeher begleiteten. Liest man seine Geschichten, zweifelt man keinen Augenblick an dieser Aussage, denn ihnen allen haftet etwas Wahnhaftes an.

Tatsächlich dürfte der Kreis derer, die Hubert Katzmarz’ Geschichten gern lesen und zu würdigen wissen, eher gering sein. Sein Stil richtet sich an Freunde künstlerischer Sprache, an Leser, die gern über Gelesenes nachdenken und sich auch mit sehr offenen Enden oder recht vagen Geschichten zu eben diesem Zweck zufrieden geben.
Sehr bemerkenswert ist der Humor, der in fast allen Geschichten seinen Platz findet. Wie die Erzählungen selbst ist er meist ein wenig versteckt, doch fast immer gegeben. Tatsächlich habe ich selbst zuvor nie Geschichten dieser eher psychotisch anmutenden Art gelesen, die zudem noch solch gekonnt eingesetzten Humor darbieten.

Wer Gelesenes gern offensichtlich serviert bekommt oder wenig Sinn für Geschichten der eben beschriebenen Art hat, zudem vielleicht schreckliche oder blutige Geschichten erwartet, der wird wohl enttäuscht sein und sollte seine Lektüre woanders suchen.

Obwohl die Geschichten des verstorbenen Autors einiges zu bieten haben und in mancher Hinsicht einzigartig sind, bleibt jedoch leider ein etwas schaler Nachgeschmack. Gleich die erste Geschichte handelt von einem Schriftsteller, der keinen Ruhm erlangt, weil er - wie ihm ein alter Mann mitteilt - die falschen Motivationen mitbringt. Er versucht beinahe zwanghaft, künstlerisch zu sein, diese Kunst um keinen Preis auf’s Spiel zu setzen und Einzigartiges zu erschaffen, doch so gut einiges davon auch gelingt, die letzte Hürde zu seinem Ziel scheint für ihn unüberwindbar.
Diese Geschichte hat mich bis zur letzten Seite nicht losgelassen. Nicht, weil es die herausragendste Geschichte in diesem Buch wäre, sondern weil in jeder Geschichte ein Stück eben dieses beschriebenen Schriftstellers steckte, von dem mich der Eindruck nicht loslässt, Hubert Katzmarz habe über sich selbst geschrieben.

Tanja Elskamp



Taschenbuch | Erschienen: 01. März 2004 | ISBN: 3935901062 | Preis: 10 Euro | 135 Seiten | Sprache: Deutsch

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