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Bereits die Erwähnung von Biowares "Dragon Age: Origins" versetzt Rollenspieler weltweit in Verzückung. Das Game heimste mit seiner außergewöhnlich packenden Inszenierung und der großen Entscheidungsfreiheit unzählige Awards und Höchstwertungen ein, weshalb es von vielen Kritikern und Fans zu Recht zum Rollenspiel des Jahres 2009 gekürt wurde. Dass die Erwartungshaltung an den Nachfolger eines der besten Spiele der letzten Jahre in schier unerreichbare Höhen schießen würden, war bereits seit der Ankündigung von "Dragon Age II" offenkundig. Ob das Sequel dem Anspruch gerecht werden kann, soll dieser Test zeigen.
Auf in den Kampf[PIC] Auch wenn die Ereignisse aus "Dragon Age: Origins" am Rande gestreift werden und man als Spieler sogar zu Beginn die Vorgeschichte mittels Spielstand aus dem Vorgänger importieren kann, erzählt "Dragon Age II" eine eigenständige Geschichte. Den Hauptcharakter kann man am Anfang optisch den eigenen Wünschen anpassen und einer der drei Standardklassen Krieger, Schurke oder Magier zuordnen. Erste bedeutende Änderung zum Erstling: Zwerge oder Elfen stehen nicht mehr zur Auswahl, und auch die Origin-Stories fallen ersatzlos weg – der Held ist in jedem Fall ein Mensch (Mann oder Frau), und er kommt aus Lothering. Lothering? Genau, das ist das Dorf, das im ersten Teil eine wichtige Rolle spielte. Der Charakter flieht zu Beginn des Spiels mit seiner Familie aus der Heimat, um der dunklen Brut zu entkommen. Dieser Teil ist als Tutorial gestaltet, in dem man die Grundfunktionen – Dialoge führen, sich bewegen und vor allem kämpfen – lernt.
Steuerung mit Stolpersteinen[PIC]Dabei offenbaren sich schnell weitere Neuerungen: Die isometrische Perspektive von schräg oben wurde abgeschafft, stattdessen kann man das Geschehen nur noch aus der leicht ein- und auszoombaren Schulterperspektive steuern. Dass das der Übersicht im Kampftrubel merklich schadet, ist bereits in den ersten Gefechten deutlich zu spüren. Die Steuerung über das mit R2 einblendbare Ringmenü, das zugleich das Spielgeschehen als "aktive Pause" anhält, geht dagegen gut von der Hand – schnell sind Tränke, Zauber oder Fähigkeiten einsatzbereit. Noch flotter kämpft es sich über die Aktionstasten, die - bis auf die X-Taste, die den Standardangriff auslöst - frei belegbar sind. Abgespeckt wurde auch das Inventarsystem: Die Begleiter tragen eine festgelegte Rüstung, lediglich die Waffen und Accessoires wie Ringe und Amulette sind frei wählbar. Bei der Auswahl hilft dem ungeübten Rollenspieler eine dem Level des Charakters angepasste Sterneanzeige – fünf Sterne für einen sehr guten, null für einen völlig ungeeigneten Gegenstand. All diese Aspekte zeigen bereits die Richtung an, in die "Dragon Age II" geht: Es ist schneller, direkter, actionlastiger und insgesamt weniger komplex als der Vorgänger. Aber auch besser?
Aller Anfang ist schwer[PIC]Das große Problem des Spiels ist der Beginn: Auch wenn dramatische Ereignisse den Anfang prägen, so bleiben die Geschehnisse doch seltsam unnahbar und wenig packend. Ob dies an der gehetzt wirkenden Erzählung oder an den noch fremden Begleitern liegt, ist schwer zu definieren – klar ist jedoch, dass alles ungewohnt und unpassend schnell abgehandelt wird. Im Nu ist man dann also in der Stadt Kirkwall angelangt, in der sich der Großteil der Handlung abspielen wird. Und der nächste Bruch folgt auf dem Fuße: Bereits kurz nach der Entscheidung, welcher Gruppierung man sich anschließen möchte, wird das erste Jahr in der Stadt mit einem kurzen Einspielfilm einfach übersprungen – was der Identifikation mit den Charakteren und der neuen Heimat natürlich nicht besonders zuträglich ist. Gut inszeniert ist dagegen die Rahmenhandlung, in der ein später hinzukommender Charakter gedrängt wird, die Geschichte des gewählten Helden zu erzählen – Flunkereien und Angeberei inklusive. Was man in Kirkwall erlebt, ist also eine Geschichte in der Geschichte, in der geschickt Spannung durch das Spiel mit (noch) unverbundenen Andeutungen erzeugt wird. Ein magerer Trost in einem ansonsten bislang wenig überzeugenden Spielerlebnis.
Zeit, in die Gänge zu kommen[PIC]Mangelnde Übersicht, Beschränkungen beim Inventar, schwache Inszenierung in der Anfangsphase, vereinfachtes und auf Action getrimmtes Kampfsystem – der Nachfolger zum Rollenspielknüller "Dragon Age: Origins" verspielt in der entscheidenden Motivationsphase so einige Sympathiepunkte. Jetzt das Handtuch zu werfen und die Flop-Karte zu ziehen, wäre so verständlich wie absolut falsch. Nach der Eingewöhnungsphase in Kirkwall spielt Bioware nämlich endlich die lang herbeigesehnten Trümpfe und alten Qualitäten aus. In der zunächst übersichtlich anmutenden Spielwelt tun sich so einige Probleme auf, deren Erforschung und Lösung sich zunehmend spannend und süchtig machend gestalten: Konflikte mit den in der Stadt gastierenden Qunari und Spannungen zwischen der Kirche und den sich auflehnenden Magiern sind nur zwei der vielen Baustellen, die förmlich nach Entscheidungen, Streitereien, Intrigen und letztendlich natürlich blutigen Kämpfen schreien. Apropos blutig: Bioware hat die Gewaltschraube mit reichlich Gemetzel und herumfliegenden Körperteilen im Vergleich zum Vorgänger nochmals angezogen, was das Spiel einerseits düsterer und brutalter, andererseits aber zum Teil auch überzogen und unglaubwürdig wirken lässt.
Die schönsten Nebensachen der Welt[PIC]Doch um sich über derlei Feinheiten Gedanken zu machen, hat man zum Glück kaum Zeit: Neben den Hauptaufgaben warten interessante und vielschichtige Begleiter darauf, rekrutiert und mit Attributspunkten sowie Fähigkeiten versehen zu werden. Auch tiefe Freundschaften dürfen wieder geschlossen werden, was immer die Erfüllung spezieller Begleiter-Quests voraussetzt.
Zwischen der großen Liebe und gebrochenen Herzen liegen nur wenige Knopfdrücke in den Gesprächen, die es zu führen gilt. Auch hier hat Bioware den Anspruch heruntergesetzt: Schnell merkt man, welche Art von Antwort beim Gegenüber gut ankommt – und mit einem Herzsymbol versehene Gesprächsoptionen signalisieren auch dem letzten Gefühlsignoranten, wo es in Richtung Tuchfühlung geht. Herausfordernd ist das leider nicht mehr wirklich, aber auch so sind die gut geschriebenen Dialoge und gepfefferten Sprüche noch eine wahre Freude. Zahlreiche abwechslungsreiche Nebenquests erweitern das Spielerlebnis noch weiter, sodass der eher dürftige Start schnell vergessen ist. Vorbildlich: Langweilige Fleißaufgaben nach dem Motto "Sammle dies, töte jenes" sucht man mit der Lupe, die meisten Quests sind motivierend und clever mit der Geschichte verwoben.
Große weite Welt?[PIC]Wie von den Bioware-Rollenspielen gewohnt, ist die Spielwelt nicht frei begehbar. Stattdessen besucht man über eine Karte verschiedene Gebiete innerhalb und außerhalb der Stadt, von denen manche nur zeitweise für bestimmte Quests, andere dagegen dauerhaft zur Verfügung stehen. Die meisten Orte kann man sowohl am Tage als auch in der Nacht besuchen; dies wählt man ebenfalls in der Karte aus – einen fließenden Übergang zwischen hell und dunkel gibt es dagegen nicht. Insgesamt sind die Austragungsorte des Spiels sehr überschaubar, dafür sind sie grafisch ansprechend gestaltet. Besonders die Tiefen Wege, die man leider selten besuchen muss, beeindrucken mit ihren gewaltigen Bauten und brodelnden Lavaabgründen – aber auch die anderen Bereiche überzeugen durch hübsche Lichteffekte und meist gelungene Texturen. Großer Wermutstropfen: Viele Höhlen und Innenbereiche werden mehrmals im Spiel für unterschiedliche Zwecke verwurstet. Oft hat man das Gefühl, eine Stelle bereits gesehen zu haben; betrachtet man den Aufbau dann genauer, stellt man fest, dass das Höhlenlayout exakt das gleiche ist – nur mit vertauschten Ein- und Ausgängen oder versperrten Bereichen an unterschiedlichen Stellen. Solch dreistes Recycling stößt sauer auf, und entschuldbar ist es für die Rollenspielprofis von Bioware nicht. Erklärbar ist es womöglich mit dem Zeitdruck, unter dem Bioware das Sequel in nur eineinhalb Jahren fertiggestellt hat.
Spielzeit auf dem Prüfstand[PIC]Gleich vorneweg: Die epische Spielzeit von "Dragon Age: Origins" erreicht der Nachfolger nicht. Das nun als Standard zu verlangen, wäre aber vermessen, zumal viele andere Vollpreisspiele nicht einmal fünfzehn Stunden Spielspaß bieten. Das in drei Kapitel aufgeteilte "Dragon Age II" wird den Durchschnittsspieler mindestens dreißig Stunden beschäftigen, mit allen Neben- und Begleiterquests kann man gut und gerne mit über vierzig Stunden rechnen. Wer nicht gerade rund um die Uhr spielt, dürfte also wochenlang mit dem Spiel beschäftigt sein – bei einem Durchgang wohlgemerkt. Wer die unterschiedlichen Charakterklassen durchprobieren und/oder mit den im Spiel zu treffenden Entscheidungen experimentieren will, kann ruhig die doppelte Zeit nehmen. Anschließend kann man noch auf die Jagd nach den PS3-Trophäen gehen, die man noch nicht gesammelt hat oder sich mit DLCs zum Spiel die Zeit vertreiben. Insofern bringt dieser zweite Teil viele Stunden abwechslungsreiche Unterhaltung auf den Bildschirm – ein großer Pluspunkt!
Ein schweres Erbe[PIC]Als Fortsetzung des grandiosen Vorgängers hat es "Dragon Age II" wahrlich nicht leicht. Egal, wo man hinblickt, in fast allen Bereichen ist das Sequel dem Erstling deutlich unterlegen. Dennoch, und das spricht wieder einmal für die Qualität der Bioware-Spiele, ist der zweite Teil ein sehr gutes Rollenspiel. Länger, spannender, emotionaler und vielfältiger – dem großen Rest der verfügbaren RPGs ist "Dragon Age II" trotz Abstrichen mehr als nur eine Nasenlänge voraus. Die Story ist, abgesehen vom verkorksten Start, schlichtweg ein Meisterstück mit viel Gefühl und geradezu brillanter Erzählweise. Weiter absacken sollte die Reihe mit einem etwaigen dritten Aufguss jedoch nicht: Wie der gehetzte Anfang und die vielen kleinen Ärgernisse zeigen, hat die schnelle Produktion des zweiten Teils der Qualität nicht gut getan. In diesem Sinne: Lasst euch Zeit, Bioware. Für ein besseres Spielerlebnis warten wir gerne etwas länger.