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 Zürcher Filmstudien, Band 25: Serielle Formen

Von den frühen Film-Serials zu aktuellen Quality-TV- und Onlineserien


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis
Bei der Fernsehrezeption hat sich etwas verändert: Seit geraumer Zeit gibt es Fans von einigen Fernsehformaten, die früher nur die Nase über quasi alles, was die Flimmerkiste zu bieten hatte, gerümpft hätten. Gemeint sind die sogenannten "Qualitätsserien", mit denen das US-amerikanische Fernsehen seit etwa Mitte der 1990er Jahre Publikum wie Feuilletons überzeugt: Serien wie "The Sopranos" (1999-2007), "Lost" (2004-2010), "Mad Men" (2007-) oder "The Wire" (2002-2008) werden mit einem Produktionsaufwand und einer Bildästhetik produziert, die es mit dem großen Kino aufnehmen kann, und ihre Drehbuchschreiber nutzen das Serienprinzip zur Entwicklung äußerst raffinierter Stories und dichter Charakterstudien.

Eine Änderung besteht aber auch darin, dass Fernsehformate nicht mehr zwangsläufig als solche rezipiert werden: Gerade eingefleischte Fans der amerikanischen Qualitätsserien begnügen sich meist nicht damit, diese nur als wöchentlichen Appetizer – und dann womöglich noch in deutscher Synchro und von Werbung unterbrochen – zu konsumieren. Stattdessen kultivieren sie das Sammeln von teils opulenten DVD-Boxen, über die sie im Zweifelsfall gleich eine ganze Staffel am Stück gucken können, streamen oder downloaden ihre Serie über Internet.

Dieses durch die neuen Serien gewandelte Bild des Seriellen näher zu beleuchten haben sich die Autorinnen und Autoren zur Aufgabe gemacht, deren Beiträge zu einer Tagung an der Universität Zürich nun in einem Sammelband im Schüren Verlag erschienen sind. Das Buch enthält 21 Aufsätze, die ein breites Spektrum behandeln. Sie setzen sich zum Teil grundsätzlich mit dem Phänomen der Qualitätsserie und seiner Geschichte auseinandersetzen, mit Theorien und Praktiken des Seriellen aus film-, medien-, kulturwissenschaftlicher sowie philosophischer Perspektive und sich dabei analytisch Fallbeispiele, vor allem aus den USA, aber auch aus anderen Ländern sowie dem Format der Online-Serie zuwenden.

Die in dem Band versammelten Aufsätze beleuchten das Phänomen der Qualitätsserie auf äußerst interessante und vielseitige Weise. Zwei Einführungstexte von Kristina Köhler und Robert Blanchet geben einen gut lesbaren Überblick über die Geschichte des Seriellen und die Entwicklung des Quality TV seit den 1980er Jahren, die mit anspruchsvollen Serien wie "Hill Street Blues" (1981-1987) einsetzte. Anschließend finden sich Texte zu den unterschiedlichsten Themen. Wer sich einmal mit speziellen Aspekten einzelner Serien beschäftigen will, der findet in den sieben Aufsätzen in dem Block "Fallstudien USA" aufschlussreiche Untersuchungen zum Beispiel zur Kameraarbeit in "Emergency Room" und in "Grey's Anatomy" oder über das Bild des Todes in "CSI" und "Six Feet Under". Auch wer sich für eher eine eher theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema interessiert, wird gut versorgt, z.B. mit Lorenz Engells Überlegungen zum Fernsehen als Gedächtnismedium, die sich in aktuelle medienphilosophische und kulturtheoretische Diskurse um die Rolle von Medien als Erinnerungsspeicher einordnen, oder mit Jason Mitchells Beitrag zum Aufkommen von Serien-DVD-Boxen, die eine radikale Verlagerung der Rezeptionsweise und des Status von Serien zur Folge hat. Eingang in das Buch haben ein filmhistorischer Beitrag zu dem speziellen Thema der "Distribution und Transformation US-amerikanischer Stummfilmserials in den Niederlanden" ebenso wie ein allgemeinerer Beitrag zur neuen Form der Online-Serie, wie sie wohl vor allem seit 2006 mit den YouTube-Videos von Lonelygirl15 bekannt wurde. Abschließend finden sich noch zwei Aufsätze zur in Mexiko populären Serienfigur der 'India María' und zur spanischen Fernsehserie "Historias para no dormir" sowie ein Interview mit Michael Bodmer, dem Leiter der Redaktion Film und Serien beim Schweizer Fernsehen.

Der Sammelband "Serielle Formen" bietet einen abwechslungsreichen Einblick in die aktuelle Fernsehforschung und lohnt sich für alle, die sich auf hohem Niveau mit Fragen des Seriellen und aktuellen Qualitätsserien auseinandersetzen wollen.

Eine Leseprobe und einen Einblick ins Inhaltsverzeichnis gibt es hier auf der Website des Schüren Verlags.

Silke Hettich



Softcover | Erschienen: 15. August 2011 | ISBN: 978-3894725259 | Preis: 34 Euro | 448 Seiten | Sprache: Deutsch

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