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 Am Rande der Zeit

Fotografien 1973-1989

Serie: Bilder und Zeiten, Band 10
Herausgeber: Matthias Bertram
Illustratoren: Roger Melis
Verlag: Lehmstedt

Cover
Gesamt ++++-
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Beinahe dem Rande der Zeit zu nähern scheint man sich, wenn man sich von der turbulent-atemlosen Metropole auf den Weg ins Berliner Umland macht: Nördlich der Hauptstadt liegt die verschlafene Uckermark, dünn besiedelt, wenn industrialisiert – wie ein Relikt aus vergangenen Tagen. Bereits in den 1970er Jahren wurde diese Region zum Zufluchtsort für viele Berliner, und sie war damals mehr als nur ein Ort, um dem Trubel des Stadtlebens zu entfliehen; man entfloh in der Brandenburgischen Provinz auch der Präsenz des DDR-Staates in eine abgeschiedene Privatheit. Viele Künstler und Intellektuelle führten eine Art Parallelleben auf ihren Landsitzen in verschiedenen Dörfern, nur wenige tauchten jedoch in das tatsächliche Leben der Dorfbewohner ein.
Anders die Familie des Fotografen Roger Melis: Obwohl in den Augen der Einheimischen als realitätsfremde Städter zunächst argwöhnisch beäugt, integrierten sie sich mit dem mühsamen Umbau eines verfallenen Hauses in das Leben eines kleinen Dorfes und wurden Teil der Gemeinschaft. Diese Nähe erlaubte Melis, der zuvor vor allem durch Künstlerporträts und Modefotografien bekannt geworden war, eine einmalige Dokumentation eines Lebensraumes "am Rande der Zeit".

Das Leben in dem abgelegenen Örtchen Hessenhagen, in der Nähe von Stegelitz, glich nämlich in vielem noch bis zur Wende dem am Ende des 19. Jahrhunderts: Es gab kein fließendes Wasser, keine Kanalisation, keine Müllabfuhr und nicht in jedem Haushalt einen Kühlschrank.

Für den Bildband "Am Rande der Zeit" hat der Herausgeber Mathias Bertram nach einer noch vor Roger Melis' Tod im Jahr 2009 von ihm selbst vorgenommenen Vorauswahl eine Reihe von Schwarzweiß-Fotografien zusammengestellt, die stimmungsvoll Szenen des uckermärkischen Dorflebens in den Jahren 1973 bis 1989 heraufbeschwören. Da gibt es atmosphärische Landschaftsaufnahmen: die Weite der Felder mit einem bewegten Wolkenhimmel oder ein halb versunkener Kahn in einem unberührten See vor einer sanften Hügellandschaft. Der Schwerpunkt liegt jedoch zum einen auf Gruppenszenen aus dem Alltag der Dorfgemeinschaft, sei es bei der gemeinsamen Forstarbeit, beim Schlachten eines Schweines, bei einer Feuerwehrübung, bei einer Hochzeitsfeier oder bei der gemeinsamen Silvesterparty. Zum anderen hat Melis wunderbar einfühlsame Porträts einzelner Dorfbewohner geschaffen, teils mitten aus einer Alltagsszene heraus, teils in bewusst typisierten Posen, die an die Charakterstudien eines August Sander denken lassen.

Herausgekommen ist ein empfehlenswerter Fotoband, der zugleich einen interessanten Einblick in einen für die meisten wohl überraschend archaischen Lebensalltag gibt und zugleich eine kleine Werkschau des Fotografen Roger Melis liefert.

Blick ins Buch: Am Rande der Zeit: Fotografien 1973-1989

Silke Hettich



Hardcover | Erschienen: 1. August 2010 | ISBN: 978-3937146706 | Preis: 24,90 Euro | 112 Seiten | Sprache: Deutsch

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