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 Roman ohne Eifersucht


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Jonathan und Karen führen ihrer Meinung nach seit drei Jahren eine glückliche Beziehung. Doch während für sie Glück bedeutet, jemanden gefunden zu haben, der ihr voll und ganz genügt, und gar nicht mehr auf der Suche nach etwas Besserem zu sein, ist Glück für ihn das Gefühl, jemanden so sehr zu lieben, dass sexuelle Eskapaden außerhalb dieser Liebe keine Bedrohung, sondern eine Bereicherung darstellen würden. Er, absolut nicht eifersüchtig, sondern eher angeregt, wenn er Männer dabei ertappt, wie sie seine Freundin anschauen. Sie, eifersüchtig, wenn er auf der Straße einer anderen Frau hinterhersieht, und unglücklich über seine Ex-Affären und Beziehungen. Und ausgerechnet diese beiden haben sich gefunden und lieben sich. Während Jonathan versucht, seine Gier nach dem Neuen, Einmaligen und Unverbrauchten zu unterdrücken, ist es Karen, die ihm ein Experiment vorschlägt. Ein gemeinsam gebuchter Urlaub muss von ihr abgesagt werden, da sie arbeiten muss. Aber Jonathan soll alleine fahren, und in dieser Zeit wollen beide ausprobieren, wieviel Freiheit ihre Liebe wirklich vertragen kann. Der Glaube der beiden, dass ihre Beziehung auch dafür stark genug sei, ist zunächst unerschütterlich. Doch attraktive Nachbarn und Reiseleiterinnen, Funklöcher, schlecht ausgebaute Internetstrukturen und die fühlbare Entfernung stellen diesen Glauben in den zwei Wochen stark auf die Probe.

Theresa Bäuerlein hat schon mit ihrem ersten Roman "Das war der gute Teil des Tages" ein spannendes Thema schriftstellerisch beleuchtet. Diesmal ist es kein politisches Thema, dessen sie sich annimmt, sondern ein zwischenmenschliches: Kann es das Konstrukt der "Liebe ohne Eifersucht" wirklich geben, ist man wirklich erst dann ein vollends Liebender, wenn man seinem Partner Sex mit anderen Partnern zugesteht, ohne an den Gefühlen und der Stabilität der Beziehung zu zweifeln?

Karen und Jonathan sind seit drei Jahren ein Paar, eigentlich ein glückliches. Doch Jonathan möchte gerne den Nervenkitzel einer neu beginnenden Affäre, voll mit ersten Malen, zusammen mit der Stabilität und dem Vertrauen einer festen Beziehung. Ausgerechnet Karen, diesem Plan gegenüber eigentlich komplett abgeneigt, schlägt ihm vor, eine Reise, die Jonathan alleine unternimmt, zur Testphase zu erklären. Während seiner Abwesenheit dürfen beide fremde Menschen treffen, sie küssen, mit ihnen schlafen. Nur einmalig muss die Sache sein und keiner darf sich verlieben, das sind die Bedingungen. Was als kleiner Testlauf gedacht war, wird für beide mehr und mehr zur Zerreißprobe, da sie sich fragen müssen, ob ihre bisherigen Einstellungen und Werte wirklich richtig waren.

Theresa Bäuerlein schafft es, beide Standpunkte glaubhaft und nachvollziehbar darzustellen, auch wenn der Leser natürlich von vorneherein mehr auf der einen oder der anderen stehen wird. Gleichgültig steht wohl niemand der Frage nach der Notwendigkeit körperlicher Treue gegenüber. Damit ist auch der größte Reiz des Buches zu finden: Zwangsweise setzt man sich mit seinen eigenen Werten auseinander, sieht diese auf dem Prüfstand und kann die Argumente für oder gegen die eigene Sichtweise anhand der Protagonisten nachvollziehen. Dabei gelingt es der Autorin, keine der beiden Sichtweisen zu bevorzugen. Komplett gleichberechtigt schildert sie, wie einerseits Jonathan die Vorstellung, wie seine Freundin von einem anderen Mann wahrgenommen wird, erregt, während Karen ihrerseits von der umgekehrten Vorstellung terrorisiert und verängstigt wird. Doch beide machen im Lauf der Kapitel einen Lernprozess mit, auch durch die Personen, denen sie begegnen.

Äußerst charmant sind viele der Nebenfiguren, die die Autorin den Weg ihrer Protagonisten kreuzen lässt. Sei es Aurelia, die fast wie Jonathan denkt, oder Ben, der Wissenschaftler, der Liebe, Erregung, Lust als körperliche Übel sieht, die er gerne abstellen würde. Im Zusammenhang mit Ben werden auch einige Kapitel aus der Sicht der Laborratte Borat gezeigt, die offenlegen, wie verwirrend und missverständlich das Spiel zwischen den Menschen eigentlich ist. Alle Figuren, auch die Protagonisten, wirken einerseits einzigartig mit ihren Macken und Angewohnheiten, gleichzeitig aber doch so allgemein, dass sich der Leser mit mindestens einer von ihnen gut identifizieren kann und so versucht wird, das gleiche Experiment zumindest gedanklich zu wagen.

"Roman ohne Eifersucht" thematisiert die Liebe ohne dieses nagende Gefühl, die vielleicht, vielleicht aber auch nicht, wirklich möglich ist. Darüber hinaus schafft es die Autorin, einerseits leicht und unbeschwert zu schreiben, in diese Sätze aber so viele Überlegungen und so viel Gefühl zu legen, dass man einzelne Passagen - oder gleich das gesamte Buch - noch einmal liest, um ja nichts zu verpassen.

Anja Thiemé



Taschenbuch | Erschienen: 14. Juli 2011 | ISBN: 9783810502698 | Preis: 14,95 Euro | 271 Seiten | Sprache: Deutsch

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