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 Der schreckliche Papst, Band 2: Julius II

Serie: Der schreckliche Papst, Band 2
Autoren: Alejandro Jodorowsky
Illustratoren: Theo
Übersetzer: Tanja Krämling
Verlag: Splitter Verlag

Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Brutalität
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Aldosi kann nicht verwinden, dass Papst Julius II. ihn in nach seiner Wahl zum kirchlichen Oberhaupt in der Öffentlichkeit missachtet, ja zur Nichtperson degradiert. Er besorgt sich unter großen Mühen einen Zaubertrank, der den Geliebten in einen Liebeswahn verfallen lässt. Sein Plan gelingt und Giuliano della Rovere gehorcht dem jungen Adonis willenlos. Er krönt vor dem versammelten Rovere-Clan Aldosi zur Päpstin.
Wutschnaubend sinnen die gedemütigten Verwandten nach blutiger Rache. Ihr Ziel ist Aldosi, der entgegenkommenderweise nicht nur mit Papst Julius das Bett teilt, sondern auch regelmäßig dem Kutscher Josaphat seine Männlichkeit demonstriert. Sie ahnen nicht, dass sie mit ihrem blutigen Plan nicht nur den Papst demütigen, sondern auch ihr eigenes Todesurteil unterschreiben. Ja, dass sogar ganz Europa unter der furchtbaren Rache des Papstes leiden wird. Im maßlosen Blutrausch macht Julius bald vor niemandem mehr halt.

Ein Comic-Band aus dem Hause Splitter als Bestseller bei www.gay-and-lesbianbooks.de? Ein Szenario von Altmeister Alejandro Jodorowsky als Lektüre für die Homo-Szene? Ein von Seiten der katholischen Kirche blasphemischer Blick auf historische Ereignisse?
Das mutet zumindest seltsam an, ist aber, betrachtet man das betreffende "Objekt der Begierde" genauer, mehr als verständlich.
Denn nicht nur Jodorowsky füllt sein Szenario mit einem gerüttelt Maß an sexueller Grausamkeit an – Vergewaltigung von Männern oder "sich einen blasen lassen" scheint seiner Meinung nach für fast jeden Kirchenfürsten der damaligen Zeit zum guten Ton zu gehören – auch Illustrator Theo schwelgt nahezu in Bettszenen und sexueller Erniedrigung.

Wer nun aber glaubt, dieser Comic wäre eine Bildergeschichte über homosexuelle Neigungen, irrt sich gewaltig. Die Szenen sind nie als voyeuristische Einlagen angerichtet, noch sind sie eine bloße Aneinanderreihung von Altmännerfantasien. Und schon gar nicht bedienen sie Ressentiments gegenüber der katholischen Kirche und ihrem (unterdrückten) Sexualleben.
Sie sind ganz einfach Ausdruck der Machtausübung gegenüber Abhängigen oder Untergebenen. Ob Papst Julius oder irgendeiner der anderen am wilden Spiel beteiligten, es geht nicht um Liebe, sondern um Sex und Erniedrigung. Schlüsselszene ist die Vergewaltigung von Michelangelo – hier wird überdeutlich, dass diese Szenen nichts, aber auch gar nichts mir Erotik oder Sinnlichkeit zu tun haben.

Wer das alles ertragen kann – und dazu gehören schon eine Menge Menschenverachtung und eine hohe Ekelschwelle - wird mit einer hochspannenden Geschichte belohnt. Die historischen Begebenheiten – dazu zählen nicht nur die reinen Daten und Personen, sondern auch der maßlose und brutale Feldzug des Papstes gegen seine Gegner in ganz Europa – sind korrekt und werden von Jodorowsky nur extrem dramaturgisch überhöht – und mit reichlich Sex garniert. Doch spätestens bei der Szene, in der Julius den abgeschnittenen Penis eines Opfers einem anderen Toten aus dem Mund nimmt und ihn wütend emporreckt, kann einem schon schlecht werden – es sei ausdrücklich davor gewarnt, diesen Comic als jugendfrei zu betrachten.

"Julius II." ist ein gewagtes Vabanquespiel. Die Einen werden die historische Anmutung und das brutale In-Szene-setzen eines manisch, von Machtgier und Rache geleiteten, Papstes mit Genuss goutieren, die anderen werden voller Abscheu das Comic als Pamphlet eines Gottlosen ablehnen. Die meisten aber werden dieses Machwerk – auch angesichts der Kritiken – schlicht ignorieren.
Das aber haben weder Theo, der meisterhaft in Szene setzt, was Jodorowsky erdacht hat – noch der Szenarist verdient. Denn dem gelingt ein Schauspiel, das wie selten eines zuvor die Verblendung der Mächtigen versinnbildlicht.


Zur Online-Leseprobe beim Splitter-Verlag: Der schreckliche Papst: Julius II.

Stefan Erlemann



Hardcover | Erschienen: 26. September 2011 | ISBN: 9783868691627 | Originaltitel: Le pape terrible: Jules II | Preis: 13,80 Euro | 53 Seiten | Sprache: Deutsch

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