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 Gewalt ist eine Lösung

Morgens Polizist, abends Hooligan - Mein geheimes Doppelleben


Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
1998 musste der Polizist Stefan Schubert 'freiwillig' seinen Dienst quittieren. Ein Skandal war dem voraus gegangen. Die Medien berichteten, dass ein Mitglied der Bielefelder Hooligan-Szene Polizeibeamter sei. Nachdem Stefan Schubert jahrelang ein Doppelleben führte, brachen auf einen Schlag beide seiner Welten zusammen. In seinem Buch "Gewalt ist eine Lösung" berichtet der ehemalige Hooligan und Polizist von seinem Leben in den 1990er Jahren.

Das 330-seitige Buch ist autobiographisch geschrieben. Schubert beginnt mit seiner Kindheit, von drei Todesfällen in seiner Familie in relativ kurzer Zeit und von älteren Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die ihn und seine Freunde schikanierten. Schließlich beschließt seine Clique zu trainieren und eines Tages kommt es zu einer Schlägerei in einem Bus zwischen türkischen und deutschen Jugendlichen. Schubert und seine Freunde gewinnen. Seine Erfahrung daraus: Gewalt ist eine Lösung.

Mit den Jahren entwickelt er eine Affinität zur Bielefelder Hooligan-Szene, der er immer wieder bei den Spielen der Arminia begegnet. Schließlich werden er und ein Freund von ihm eingeladen, zu einem Auswärtsspiel mitzufahren. Sie werden Teil der Blue Army, wie sich die Bielefelder Hooligans nennen. Ab dem Zeitpunkt ist Schubert regelmäßig an Schlägereien und Ausschreitungen beteiligt. Parallel dazu beginnt er bei der Polizei, arbeitet in verschiedenen Einheiten, hat sogar Chancen auf eine vielversprechende Karriere.

Lange geht dieses Doppelleben gut. Die meisten Kapitel des Buches handeln von Erlebnissen und Ereignissen, die fast sicher zu einem Ende seines Polizeidienstes hätten führen müssen. Doch er hat immer wieder Glück. Er wird nie fest genommen, nie gibt es Zeugen oder Aufnahmen, die ihn bei einer Straftat zeigen, während seine Freunde ständig festgenommen werden und sich ihr Vorstrafenregister stetig verlängert. Doch 1996 fliegt durch Journalisten das Doppelleben auf. Nach zwei Jahren juristischer Auseinandersetzungen quittiert Stefan Schubert seinen Dienst und verlässt gleichzeitig die Hooligan-Szene.

In der Mitte des Buches sind einige Fotos aus Schuberts Leben abgedruckt.

"Gewalt ist eine Lösung" ist eine spannend wie auch brutal geschriebene Autobiographie. Spannend sind die vielen Szenen und Entwicklungen, durch die Stefan Schubert immer wieder Strafverfahren und der Enthüllung seines Doppellebens entgeht. Brutal ist die recht plastische Darstellung der vielen Schlägereien. Fast in jedem Kapitel erzählt der Autor von blutigen Schlägereien mit vielen gebrochenen Knochen. Schläge und Tritte, unnatürlich verdrehte Körper, berstende Nasen und aufquellende Gesichter, Adrenalinschübe, Gewaltexzesse, Blutrausch, das sind einige der regelmäßig verwendeten Vokabeln.

Der Skandal ist aber nicht die im Buch beschriebene Brutalität. Dass der Gewaltpegel in der Hooligan-Szene hoch ist, dürfte niemanden überraschen. Der Skandal ist tatsächlich, wie den Polizeibehörden entgehen konnte, dass jahrelang ein bekannter Hooligan in ihren Reihen seinen Dienst verrichtet hat. Schubert selbst schreibt, dass er im Grunde nie verstanden hat, ob er einfach Glück hatte, ob der Korpsgeist unter Polizisten ihn immer wieder schützte oder ob die Behörden einfach den Skandal fürchteten. Nach der Lektüre des Buches glaubt der Leser, dass die Kombination aus allen drei Faktoren letztlich der Grund ist.

Insbesondere der Korpsgeist ist hierbei hervorzuheben. Denn er ist das, was Schubert an beiden Welten reizte: Kameradschaft und uneingeschränktes gegenseitiges Vertrauen, mitunter über alle rechtlichen und moralischen Grenzen hinweg. Wer dazu gehört, kann auf seine Kameraden zählen. Das und die erhoffte Gewalterfahrung führte Schubert sowohl in die Hooligan-Szene wie auch in den Polizeidienst. Und bis zum Schluss wurde er in keiner der beiden Welten enttäuscht.

Das Buch ist spannend und flüssig geschrieben. Es geht um einen heiklen Skandal, der in unserem Rechtsstaat niemanden unberührt lassen kann. Allerdings ist das Buch auch reißerisch geschrieben. Der Leser fragt sich, müssen die Gewaltexzesse in der Menge und Intensität beschrieben werden? Die Message wäre auch angekommen, wenn auf die Hälfte der beschriebenen Schlägereien verzichtet worden wäre. Die Szenen und Formulierungen ähneln sich oft, die Redundanz ist hoch. Es ist offensichtlich, dass die Gewalterfahrungen Schuberts dem Text einen zusätzlich reißerischen Charakter geben sollen. Durch Charakter dürften kritische Leser auch Zweifel an der ein oder anderen Geschichte entwickeln.

Dennoch ist das Buch empfehlenswert, weniger um Neues über gewaltbereite Hooligans zu lernen, sondern mehr um das kritische Bewusstsein gegenüber staatlichen Organen der Exekutive zu schärfen. Korpsgeist und Affinität zu Gewalt in Polizeieinheiten dürfen in einer demokratischen Gesellschaft keinen Platz haben.

Eine Leseprobe gibt es auf der Verlagswebsite: "http://www.m-vg.de/riva/shop/article/2363-gewalt-ist-eine-loesung/"

Andreas Schmidt



Hardcover | Erschienen: 1. März 2010 | ISBN: 978-3868830644 | Preis: 19,90 Euro | 336 Seiten | Sprache: Deutsch

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