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 Saubere Dienste

Ein Report


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis
Viele von uns nehmen sie selbst in Anspruch oder finden es zumindest selbstverständlich, dass andere sie in Anspruch nehmen: Putzfrauen, Kinderfrauen oder Babysitter, Haushaltshilfen, Altenpflegerinnen, die meist "schwarz" beschäftigt werden. Frauen aus Polen, der Slowakei, der Ukraine und einigen weiteren Ländern, die, gesetzliche Grauzonen nutzend, für ein paar Wochen auftauchen, wieder verschwunden sind, zurückkommen – oder ganz andere Lösungen auftun.
Im hier besprochenen Buch sind sie mehr als ein schattenhaftes Phänomen, Menschen, die für wenige Stunden pro Woche – oder, im Falle der Rundumpflege, 24 Stunden am Tag – ins Leben derer treten, die sie bezahlen, und dann diskret abtauchen, wer weiß wohin; obwohl sie zwangsläufig tief in die Intimsphäre ihrer Arbeitgeber eindringen.

Zunächst macht die Autorin jene Frauen fassbar, die in unserem direkten Umfeld aktiv sind, ohne dass wir sie wirklich wahrnehmen. Sie zeigt die Verlogenheit der Staaten (Deutschland und Österreich als dominante Beispiele auf), in denen die Dienste von illegalen oder halblegalen Migrantinnen beansprucht werden, sie weist sehr klar die Abhängigkeit unseres Gesellschaftsgefüges von solchen Dienstleisterinnen nach und gibt diesen durch konkrete Reportagen ein Gesicht.
Der Leser erfährt, was eine Frau aus einem ärmeren Land dazu treibt, ihre Familie und Heimat zugunsten einer fragwürdigen, aber voraussichtlich relativ gesehen gut bezahlten Existenz in der Fremde aufzugeben, die Risiken, die wenigen Chancen, die Gefühlswelten, die daraus entstehende weibliche Betreuungskette. Ein eigener Abschnitt befasst sich allerdings mit den Daheimgebliebenen: schier verwaisten Kindern, überforderten Großeltern, Gesellschaften, in denen eine ganze Generation schlicht und einfach fehlt.
Im abschließenden Abschnitt untersucht die Autorin die "Weltfamilie", das Geben und Nehmen, Kommen und Gehen innerhalb der Kernfamilien der Arbeitsmigrantinnen, aber auch ihrer Arbeitgeber. Es ergeben sich überraschende Schlussfolgerungen.

Putzen, Babysitten, Altenpflege sind keine Schande. Dem Tenor dieses Buchs würden wohl auch viele Menschen zustimmen, die halb- oder illegal eine Ausländerin für diese Aufgaben beschäftigen. Dennoch sind die meisten von uns froh, diese Frauen, die so selbstverständlich in den Alltag und intimste Abläufe desselben integriert sind, nicht wirklich zu kennen, nicht wahrnehmen zu müssen, sie hinzunehmen wie ein Möbelstück, ein Gerät.
Damit macht Sibylle Hamann Schluss. Sie hat sehr genau hinter die Kulissen geschaut, recherchiert, interviewt, nachgefragt, selbst annonciert und "undercover" als Putzfrau gearbeitet. Die Autorin weiß, wovon sie spricht. Dies zeigt sich in jedem Satz des Buchs.

Bestürzendes und Befreiendes kommt da zum Vorschein. Bestürzend sind die Verhältnisse in Moldawien, wo Kinder verwahrlost aufwachsen, weil sich die emigrierten Eltern nicht um sie kümmern und die Großeltern dies nicht mehr können. Bestürzend sind auch die Verhältnisse in den reicheren Ländern, in denen Arbeitsmigrantinnen arbeiten – ohne jegliche rechtliche Absicherung, Missbrauch und Übergriffen, Betrug und Verrat ausgeliefert und oft völlig preisgegeben. Diese Themen spielen in Sibylle Hamanns Buch eine große Rolle, dominieren aber nicht. Die Autorin interessiert sich vor allem für soziale Gefüge in allen betroffenen Bereichen – den Herkunftsländern, in die oft Hilfskräfte aus noch ärmeren Ländern nachziehen und ihrerseits Versorgungslücken füllen, und den "nehmenden" Ländern, aber auch allen Grauzonen, die sich im Rahmen solcher Abhängigkeiten ergeben. Erstaunliches kommt da zum Vorschein, und Leser jeglicher sozialer Schicht und politischer Couleur dürften stark angerührt sein.

Der Autorin kommt es zu, wohl erstmals dieses an allen "Fronten" hochkomplexe Gefüge von Abhängigkeiten, Ängsten, Seilschaften und labilen Gleichgewichten aufgezeigt zu haben, das uns alle umgibt, das wir brauchen; und sie gibt uns das Rüstzeug zu einem besseren, fairen und im wahren Sinn anständigen Umgang mit den Menschen, die unser Leben maßgeblich beeinflussen, ohne wirklich darin präsent zu sein.

Regina Károlyi



Hardcover | Erschienen: 21. Februar 2012 | ISBN: 9783701732586 | Preis: 21,90 Euro | 206 Seiten | Sprache: Deutsch

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