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 Gulag

Spuren und Zeugnisse 1929-1956. Begleitband zur Ausstellung


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Unter dem Schlagwort Gulag wird das russiche Lagersystem zwischen 1929 und 1956 bezeichnet, das ausgedehnteste Lagersystem im 20. Jahrhundert. Die Gulags dienen gerade jenen Historikern, die von einer Wesenverwandtschaft zwischen Nationalsozialismus und Kommunismus ausgehen, als Beleg für ihren Standpunkt. Dass das System Gulag aber eine ganz andere Charakteristik besitzt und daher auch als eigener Forschungsgegenstand werden sollte, ohne die nationalsozialistischen Konzentrationslager als Messlatte anzulegen, zeigt der Katalog zur Ausstellung "Gulag - Spruen und Zeugnisse 1929 - 1956" der russischen Menschenrechtsorganisation "Memorial".

In fünf Kapiteln wird die Geschichte der Gulags erzählt. Die ersten Abschnitte behandeln die Phase der Oktoberrevolution und die ersten Jahre danach und gehen der Frage nach, inwiefern welche frühen Strafsysteme als Vorläufer der Gulags gelten können. In den weiteren Abschnitten werden die Entwicklung der Gulags in der stalinistischen Phase, der Post-Stalin-Ära und schließlich die Auflösung der Lager dargestellt.
Weitere Unterkapitel beschäftigen sich ausführlich mit dem Leben und der Organisation, mit den Arbeitsbedingungen und Überlebenschancen in den Lagern. Planvorgaben, Normerfüllung, Hunger, Krankheiten, Isolierung von der Außenwelt, alle Phänomene des Arbeits- und Straflagersystems werden angesprochen.
Der wichtigste Abschnitt präsentiert ausgewählte Häftlingsbiographien, die einen Eindruck vermitteln sollen, wer warum zu einem Leben im Gulag verurteilt wurde. Adelige, Bürgerliche, nationalistische Separatisten, Sozialisten und kommunistische Dissidenten oder Angehörige, aber auch Straftäter waren Insassen der Lager. "Memorial" hat mittels Interviews und Recherchen zahlreiche solcher Kurzbiographien und Erinnerungen gesammelt und damit einen Korpus an Quellen für die Erforschung des Gulags zusammengetragen. Die Ausstellung ist auch ein Ergebnis dieser Arbeit.

Der Katalog wird beschlossen mit zwei Essays, eines zur Geschichte der Gulags, eines zur Arbeit von "Memorial". Im Anhang finden sich zahlreiche Organigramme und Diagramme sowie eine Bibliographie und ein Glossar.

Der Ausstellungskatalog "Gulag - Spuren und Zeugnisse 1929 - 1956" bietet einen hervorragenden Einstieg ins Thema. Er führt mit seinen vielen kurzen Texten, Abbildungen, Karten und Graphiken nicht nur in die Geschichte und Verwaltung des riesigen Gulag-Systems ein, sondern gibt auch eine Vorstellung vom Leben im Gulag. Es ist vor allem eine Geschichte der Häftlinge, die hier erzählt wird.
Der Band und die Ausstellung wollen, so steht es auch im Vorwort, weder die Schrecken des Gulag zu relativieren, noch einer Gleichsetzung von KZ und Gulag das Wort zu reden. Das sowjetische Arbeits- und Straflagersystem wird in seiner Besonderheit und Spezifik herausgearbeitet. Natürlich erinnert vieles auch an Zuständen in den Lagern der Nationalsozialisten, aber der Zweck der Lager, die Organisation, das Leben in diesem Staat im Staate war ein anderes.

Der Katalog für sich allein kann als eigenständige Einführung ins Thema gelten. Das Essay von Nicolas Werth zur Geschichte der Gulag stellt die gesamte Zeitspanne zwischen 1929 und 1956 dar. Das sehr gute Kartenmaterial und die Zahlenaufbereitung im hinteren Teil des Buches geben einen guten Eindruck von den Dimensionen des Gulag. Und schließlich liefert der Hauptteil des Bandes, der die Geschichte durch Abbildungen und Erklärungen lebendig werden lässt, einen umfassenden ersten Gesamteindruck vom aktuellen Forschungsstand.

Daher ist dieser zwar kleine, aber auch günstige Katalog sehr zu empfehlen!

Weitere Informationen zu der Ausstellung unter www.ausstellung-gulag.org

Andreas Schmidt



Softcover | Erschienen: 1. Mai 2012 | ISBN: 978-3835310506 | Preis: 14,90 Euro | 153 Seiten | Sprache: Deutsch

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