Mrs. Bantry träumt. Es ist früh am Morgen und die ersten Geräusche dringen gedämpft durch ihre Schlafzimmertür. Sie möchte noch etwas liegen bleiben, aber plötzlich dringen seltsame Geräusche zu ihr. Ein Stöhnen, Türen schlagen und Mary stürzt ins Zimmer. "In der Bibliothek liegt eine Leiche!", ruft sie und ist wieder verschwunden.
Mrs. Bantry setzt sich aufrecht und überlegt, ob sie das alles nur geträumt hat. Aber die Geräusche sprechen eine andere Sprache. Das schluchzende Hausmädchen ist Beweis genug. Mrs. Bantry steht schnell auf, zieht ihren Morgenmantel über und geht ins Zimmer ihres Mannes. Der Colonel schläft noch, doch energisch weckt ihn seine Frau: In der Bibliothek liege eine Leiche, er solle bitte mal nach dem Rechten schauen, hört er und ist mit einem Mal hellwach. Er herrscht seine Frau an ob dieses offensichtlichen Unsinns an, doch die bleibt dabei und schließlich geht Colonel Bantry unwillig nach unten. So viel Aufruhr vor dem Morgenkaffee. Scheußlich.
Doch zu seinem Erstaunen und Entsetzen liegt tatsächlich eine junge Frau in der Bibliothek. Und sie ist ihm nicht mal bekannt. Unerhört, so was. Wie kann eine wildfremde junge Dame in seine Bibliothek eindringen und dort sterben. Wobei, genau genommen hat die junge Dame wohl nicht freiwillig das Zeitliche gesegnet. Der Colonel geht an den Telefonapparat und ruft die Polizei an. Die halten ihn für überspannt, aber als er das Wort "Mord" in den Mund nimmt, versprechen sie, einen Inspektor vorbei zu schicken.
Die Polizei glaubt ihm offensichtlich nicht, dass er die junge Frau noch nie gesehen hat und hält ihn für verdächtig, ihn, den Colonel des britischen Regiments in Indien. Er denkt einen Augenblick nach und beschließt, Miss Marple anzurufen. Sie wird der Polizei schon beibringen, wer das Mädchen ermordet hat!

Im Jahre 1941 schrieb Agatha Christie diesen spannenden und weltberühmt gewordenen Roman. Er begründete die riesigen Erfolge, die Miss Marple, die altjüngferliche Ermittlerin, in den nächsten Jahrzehnten haben sollte.
Alle ihre Eigenschaften sind in diesem Roman in Perfektion nachzulesen: ihre Geschwätzigkeit, ihre scheinbar belanglosen Unterhaltungen mit jedem armen Menschen, der ihr über den Weg läuft. Ihren überraschenden Scharfsinn bei der Beachtung kleinster Details. Ihre einzigartige Kombinationsgabe. Auch wenn der Leser über dieselben Informationen verfügt wie Miss Marple, so beweist sie ihm gerade in diesem äußerst komplexen Fall, dass sie einfach alles zu beachten scheint und dass sie über eine so reichhaltige Erfahrung in Menschenbeobachtung und Einschätzung verfügt, dass Freud ein Waisenknabe gegen sie gewesen sein muss.
Sie ermittelt in völlig anderer Richtung als die Polizei, beachtet unnötige Details und wertet Quellen aus, von denen die Polizei nicht auch nur den leisesten Hauch einer Ahnung hat, dass diese Quellen überhaupt existieren.
Wenn Sie einen Krimi mit dieser einmaligen Ermittlerin lesen wollen, der einfach wunderbar altmodisch, herrlich verdreht und komplex, amüsant und spannend sein soll und darüber hinaus eine Menge über das England der Kriegs- und Nachkriegszeit verrät, müssen Sie dieses Buch einfach kaufen.
Nichts an ihm verdient einen Tadel, nichts ist zu bemängeln. Der Fall ist brillant ersonnen, perfekt konstruiert und genial in Szene gesetzt. Einfach alles stimmt und es ist eine Freude, ihn zu lesen - auch mehrmals. Denn wie viele Details man auch immer bemerkt, oder zu bemerken glaubt, beim zweiten Lesen zieht man den Hut vor dieser alten Dame und ihrem Gedächtnis.

Dieser Band ist mein Lieblingsbuch von Agatha Christie. Auch nach fast siebzig Jahren sind die Schreibweise der Autorin, ihr Stil und ihre Noblesse köstlich und lehrreich zugleich. Wie viele Autoren versuchen ihr seitdem nachzueifern, wie wenigen von ihnen ist es gelungen, auch nur ein Meisterwerk wie dieses zu ersinnen.