Wie lebten die Menschen vor 1000 Jahren in Deutschland? So lautet die Leitfrage dieses Buches, welches in der Originalausgabe 1999 im Weltbild Verlag erschienen ist und nun nochmals neu im Bassermann Verlag aufgelegt wurde.
Verfasser ist der inzwischen 80-jährige Schriftsteller Rolf Schneider, welcher neben Sachbüchern auch zahlreiche Bühnenstücke, Hör- und Fernsehspiele, Erzählungen und Romane verfasst hat.

Ganz in diesem Sinne beginnt jedes Kapitel somit nicht mit einer sachlichen Darstellung, sondern mit einer fiktiven Erzählung, die als Einstimmung in die Lebenswelt des Mittelalters dienen soll.
Trotz der scheinbar eindeutigen Bezeichnung "vor tausend Jahren" umfasst der zeitliche Rahmen des Buches die Jahre des Hochmittelalters zwischen dem 10. bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts. Auch die Bezeichnung "das Leben" fasst Rolf Schneider weitaus differenzierter als der Titel vermuten lässt. So geht er der anfangs gestellten Leitfrage anhand der mittelalterlichen Stände nach, welche sich nach ihren Haupttätigkeitsfeldern in folgende Personengruppen unterscheiden lassen: Bauern, Stadtbürger, Kleriker, Ritter und Regierende. Jeder dieser Personengruppe widmet Schneider jeweils ein Kapitel.

Die Themenkreise innerhalb der Kapitel sind sehr weit gefasst und umfassen beispielsweise beim Ritterleben so unterschiedliche Aspekte wie Hierarchien, Burgenbau, Krieg, Gerechtigkeit, Kreuzzüge, höfisches Leben, Kathedralenbau oder Mythenbildung.

Trotz der Tatsache, dass es sich um einen Nachdruck der 1999 erschienen Erstauflage handelt und somit sicherlich nicht den aktuellsten Forschungsstand widerspiegelt, ist das Buch nach wie vor lesenswert. Dies liegt vor allem an Rolf Schneider Sprache, welche die aus heutiger Sicht ungewöhnlichen, teilweise befremdliche Lebensverhältnisse des Mittelalters anschaulich auf den Punkt bringen.

Hierbei erweist sich nicht nur seine eigene Sprachfertigkeit, sondern auch die Wertschätzung historisch gewachsener sprachlicher Bezeichnungen von unschätzbarem Wert für den Leser. Denn immer wieder geht Schneider auf Namen und Begriffe wie "Huber" oder "Bank" ein, die heutzutage täglich im Gebrauch sind, ihren Ursprung jedoch in der mittelalterlichen Lebenswelt haben. Zudem erläutert Schneider nahezu alle Fachbegriffe, so dass gerade jene Leser, die wenig Vorwissen mitbringen, eine Freude an dem Buch haben werden

Die Ausführungen werden weiterhin durch zahlreiche Abbildungen – der Verlag gibt die Zahl "über 400" an – illustriert. Mag dem unterhaltungsorientierten Leser diese hohe Zahl durchaus als angenehm erscheinen, da dies die Anschaulichkeit deutlich erhöht, so wird gerade der anspruchsvollere Leser eine bessere Verzahnung von Text und Bild sowie konkretere Angaben zu den Abbildungen vermissen. Letzterer muss zudem auch auf ein Literaturverzeichnis verzichten. Lediglich im Text selbst werden bisweilen Historiker erwähnt beziehungsweise zitiert, ohne dass konkretere Angaben zur relevanten Publikation gemacht werden.

Diese Wissenschaftlichkeit ist jedoch wohl auch nicht Rolf Schneiders Anspruch. Denn trotz einer nicht zu verleugnenden hohen Sachlichkeit in der Darstellung merkt man, dass hier ein Schriftsteller und kein Historiker spricht. Nicht umsonst zitiert Schneider immer wieder literarische Darstellungen wie jene des im 19. Jahrhunderts lebenden Schriftstellers Gustav Freytag, dessen "Bilder aus der Vergangenheit" vielleicht sogar eine Inspiration für dieses Buch gewesen sein mögen.

Diese Feststellungen mögen für den einen Leser der Anlass sein, auf dieses Buch zu verzichten, für den anderen Leser wird die Lektüre dagegen ein Genuss sein, da verklausulierte Argumentationen sowie unverständlicher Fachjargon fehlen. So entsteht ein unkompliziertes Werk, welches auch jenen einen umfassenden Einblick in die mittelalterliche Lebenswelt vermittelt kann, die Geschichte bisher als langweilig und zu verkopft empfunden haben.

Eine Leseprobe findet sich auf der Verlags-Website.