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 Dunkle Halunken

Autoren: Terry Pratchett
Übersetzer: Andreas Brandhorst
Verlag: ivi

Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
London im 19. Jahrhundert: Der junge Dodger lebt in Englands von Armut, Schmutz und Elend beherrschter Hauptstadt, wo er sich als "Tosher" durchschlägt – er durchsucht die Kanalisation der riesigen Stadt nach verloren gegangenen Schätzen. Da Dodger so talentiert wie clever ist und dem Leben immer etwas Positives abgewinnen kann, kann er von den erbeuteten Münzen, kleinen Schmuckstücken und anderen Kostbarkeiten recht gut leben. Doch eines Abends wird er zufällig in ein Verbrechen verwickelt: Er sieht mit an, wie eine junge Frau aus einer Kutsche flieht und von zwei Männern verfolgt und geschlagen wird. Dodger, der in seinem Inneren ein riesengroßes Herz und eine Abscheu gegen jede Art von Ungerechtigkeit trägt, geht dazwischen und rettet der jungen Frau das Leben. Zufällig werden zwei elegante Herren auf die Szene aufmerksam und bringen Dodger und die schwer misshandelte Frau in Sicherheit. Bald wird klar, dass Dodger nicht einfach nur irgendeinem Mädchen das Leben gerettet hat - die junge Dame, die den Namen Simplicity erhält, um ihre wahre Identität zu schützen, scheint im Mittelpunkt einer Affäre von internationaler Bedeutung zu stehen, die England sogar in einen Krieg stürzen könnte. In Dodger, der auf diplomatische Verstrickungen und Politik pfeift, wächst der Entschluss, Simplicity zu beschützen und ihre Verfolger zu bestrafen. So wird der Tosher in eine Reihe von ungewöhnlichen Ereignissen und Bekanntschaften verwickelt, die sein bisheriges Leben auf den Kopf stellen und ihn selbst in Lebensgefahr bringen ...

In "Dunkle Halunken" entführt Terry Pratchett seine Leser ausnahmsweise nicht auf die Scheibenwelt, sondern ins viktorianische London des 19. Jahrhunderts. Dodger, die Hauptfigur, ist inspiriert von der Figur des Jack Dawkins aus Oliver Twist ("The Artful Dodger"), und so trägt die Geschichte deutliche Züge von und viele Querverweise auf Charles Dickens' berühmtes Werk; tatsächlich tritt der Schriftsteller selbst als wichtige Figur im Roman auf.
"Dunkle Halunken" ist eine durchaus spannende Geschichte mit einem gefälligen, ja fast zu gefälligen Helden mit einem Herzen aus Gold, dem alles gelingt, was er anfasst. Das ist unterhaltsam zu lesen und stellenweise auch sehr lustig, es nimmt der Handlung aber auch sehr viel Spannung, denn Dodger schreitet durch das Buch, ohne auf echte Hindernisse zu stoßen.
Insgesamt präsentiert Terry Pratchett hier eine Version Londons zur damaligen Zeit, die auf humorvolle Weise entschärft und weich gezeichnet wirkt, was vor allem auffällt, weil Charles Dickens' Geist allgegenwärtig ist. Wo Dickens in seinen Romanen Elend, Ausbeutung und Leid leidenschaftlich und sehr plastisch anprangerte, hat Terry Pratchett eine humorvolle Variante und einen sympathischen Antihelden gewählt, es fehlt aber ein wenig der Biss, um die damalige Zeit vor dem Auge des Lesers glaubhaft auferstehen zu lassen.
Terry Pratchett gehört sicher zu den großartigsten Autoren dieser Zeit, daher schmerzt es, dass seine letzten Romane stetig nachgelassen haben und die Genialität früherer Werke vermissen lassen. Hier ist es vor allem auch die Sprache, die die Erzählung über weite Strecken dahinplätschern lässt (sicher zum Teil auch der deutschen Übersetzung geschuldet, aber eben nicht nur): Pratchett hat sich leider einen etwas schwatzhaften Stil angewöhnt, der jeden Satz endlos auswalzt und mit humorvollen Einschüben den letzten Rest Spannung herausnimmt; viele Gedanken und Ideen werden endlos wiederholt. Tiefgründige Gedanken und Figuren wie der Jude Solomin wirken daher eher klischeehaft als wirklich weise.

"Dunkle Halunken" bietet eine reizvolle Kulisse und eine vielversprechende Geschichte, welche aber im Verlauf der Erzählung leicht enttäuscht – was Schreibstil, Handlung und Spannung betrifft, kann dieses Buch Pratchetts älteren Werken leider nicht das Wasser reichen. Die Idee, die unglaublichen Zustände in London zur Zeit von Königin Victoria zu zeigen, gelingt nicht wirklich, auch nicht dadurch, dass Charles Dickens augenzwinkernd eingebunden wurde.

Eine Leseprobe gibt es hier: "Dunkle Halunken"

Christina Liebeck



Hardcover | Erschienen: 17. September 2013 | ISBN: 978-3492703017 | Originaltitel: Dodger | Preis: 19,99 Euro | 384 Seiten | Sprache: Deutsch

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