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 Starke Männer, schöne Frauen

Die Geschichte des Aktes


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Seit der Mensch Kunst schafft, gehören Darstellungen nackter Menschen zum Repertoire – man denke nur an die als "Venus von Willendorf" berühmt gewordene steinzeitliche Statuette. Ob man von einer rein künstlerisch motivierten Akt- oder einer pornografischen Darstellung sprechen sollte, lässt sich indes nicht immer objektiv beurteilen.
"Starke Männer, schöne Frauen" befasst sich mit Aktdarstellungen und ihrer Wandlung seit der Antike, ihrer Motivation und Rezeption, den Nischen in Zeiten strenger Reglementierung – etwa durch die dem Sinnlichen extrem abgeneigte christliche Religion in ihrer "amtlichen" Lesart -, richtungsweisenden Werken, dem allgemeinen Geschmack in den unterschiedlichen Epochen, den Modellen und vielen weiteren Aspekten.

Über das zunächst auf den männlichen Körper fixierte antike Griechenland und die ersten weiblichen Akte ebendort über die Darstellung leidender Heiliger, allen voran Christus, im Mittelalter, die Spielarten der Gotik diesseits und jenseits der Alpen, das neue Interesse am Körperlichen in der Renaissance, sich vom Christentum lösend und die antiken Ideale wieder aufgreifend, spannt sich der Themenbogen. Mit dem Barock und seinen neuen Idealen, dem verspielten und nicht selten frivolen Rokoko und Weichenstellungen durch einzelne Künstler des 19. Jahrhunderts wie Goya und Ingres setzt er sich fort und umfasst neben Impressionismus und Expressionismus auch einige weitere der bedeutendsten Künstler und Strömungen des ausgehenden 19. und des 20. Jahrhunderts.

Sabine Poeschel bringt dem Leser dieses komplexe und mit vielen Vor- und Fehlurteilen behaftete Thema wunderbar anschaulich und bei aller Sachlichkeit auch sensibel nahe. Die Gratwanderung zwischen dem künstlerischen Anspruch und der "billigen" Pornografie ist kein Spaziergang, wie die Autorin aufzeigt, kann doch das Motiv eine erotische Intention durchaus ein Stück weit kaschieren, gerade bei antikisierenden Darstellungen mit Protagonisten aus dem freizügigen griechischen Pantheon. Poeschel weist deutlich auf Einschränkungen der künstlerischen Freiheit hin, ohne zu richten. Umso deutlicher kommen kühne Ansätze zum Tragen, etwa die Nackte Maja des erwähnten Goya oder auch Michelangelos für seine Zeit revolutionärer David; nicht zu vergessen Manets "Olympia". Die Autorin geht auf die feinen Nuancen in der Gestik und Mimik der Portraitierten ein, auf Accessoires und die gesamte Staffage, die etliche dem heutigen (ungeschulten) Betrachter fremde Details zur Aussage des Bildes oder der Skulptur beisteuern. So erschließt sich dem Leser bei der Ansicht der Abbildungen stets regelrecht ein ganzes Zeitalter mit seinen Ideen, Symbolen, moralischen Grenzen und Grenzüberschreitungen.

Nicht zuletzt bestimmt die Auswahl der Abbildungen die Qualität eines solchen Kunstbandes, und auch diese ist bestens gelungen: Von der Antike bis in die Moderne hinein finden sich wegweisende Bilder und Skulpturen, zum Ende hin auch einige Fotografien; solche, die den jeweils zeitgenössischen Geschmack wiedergeben, und andere, die aufzeigen, woran sich der Protest des "Establishments" der vielen Jahrhunderte entzündete. Natürlich zeigt sich auch die Diskrepanz zwischen privaten Sammlern und offizieller Doktrin, der wir den Erhalt einiger kostbarer Kunstwerke verdanken.

Das Werk ist ein Sachbuch, kein eigentlicher Bildband – dennoch herrscht ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Text und Abbildungen. Zudem punkten die Bilder durch eine sehr gute Druckqualität, und sie werden in angemessenem Format präsentiert, sodass sie ihre Wirkung entfalten können.

Regina Károlyi



Hardcover | Erschienen: 1. Februar 2014 | ISBN: 9783805347525 | Preis: 39,95 Euro | 160 Seiten | Sprache: Deutsch

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