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 Wie der Hieroglyphen-Code geknackt wurd

Das revolutionäre Leben des Jean-François Champollion

Autoren: Andrew Robinson
Übersetzer: Josef Billen
Verlag: Philipp von Zabern

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Zwar war das Interesse der Europäer am alten Ägypten, das schon die Griechen und Römer der Antike empfunden hatten, nie erloschen, doch erwies sich Napoleons Ägyptenfeldzug als Auslöser einer wahren Ägyptomanie. Zahllose Gegenstände wurden geraubt und vor allem nach England, Frankreich und Italien überführt. Mit zunehmender Popularität der altägyptischen Kunst und Kultur entflammte ein erbitterter Wettlauf in Bezug auf die Entzifferung der Hieroglyphen, den der Brite Thomas Young und der Franzose Jean-François Champollion anführten.
Andrew Robinson, Autor des hier besprochenen Buchs, stellt nicht nur eine detaillierte Biografie des französischen Genies vor, sondern er befasst sich ebenfalls mit der Geschichte der Ägyptologie, die eng mit den Figuren des Protagonisten, seiner Feinde und Gönner verwoben ist. Er präsentiert den Buchhändlersohn aus der Provinz, allzu begabt für die dortige Umgebung, der schließlich von seinem wesentlich älteren Bruder gefördert und gelehrt wird, bis sich die Verhältnisse umkehren und der Jüngere dem Älteren immer wieder bahnbrechende Forschungsergebnisse berichten kann. Dieser wird ihn im Gegenzug "coachen", wie man heute sagen würde, die "PR" übernehmen. Wie notwendig das ist, zeigt Robinson gleichfalls auf: Die republikanisch beziehungsweise napoleonfreundlich gesinnten Brüder haben nach der Wiedereinsetzung der Bourbonen einen harten Stand und werden sogar aus ihrer Wahlheimat Grenoble verbannt.
Als Fix- und Angelpunkt der Entschlüsselung der Hieroglyphenschrift erweist sich der von der französischen Armee entdeckte, dann von den Engländern konfiszierte Stein von Rosette, der, wie Forscher rasch feststellen, denselben Text in Hieroglyphen, in der einfacheren demotischen Schrift und auf Griechisch enthält. Young, Champollion und einige weitere, weniger bedeutende Forscher entziffern, zunächst fehlerbehaftet, anfangs einige Herrschernamen. Dann gelingt Champollion, auf Youngs Arbeit basierend – was er nie zugeben wird –, der Durchbruch. Doch er stirbt erst 41-jährig, ohne seinen Ruhm auskosten zu können.

Robinsons Werk enthält den schwierigen Spagat zwischen einer Biografie mit allen wesentlichen Einzelheiten und der Historie zu einem ganzen, komplexen Wissenschaftszweig. Der Autor legt Wert auf nachprüfbare Fakten zur Lebensgeschichte, die nicht immer leicht zu finden sind; greift er auf nicht verifizierte Angaben aus früheren Biografien zurück, so macht er seine Zweifel stets kenntlich.
Ein wesentlicher Aspekt des Buchs ist der Wettstreit zwischen dem zurückhaltenden Universalgelehrten Young und dem überaus selbstbewussten, stolzen und auf seine Forschung fixierten Champollion. Robinson als Brite erliegt nicht der Versuchung, Champollions Bedeutung zu schmälern. Seine Darstellung zeugt von Respekt für alle Beteiligten. Gleichzeitig versteht der Leser, wie Intrigen und ebenso die politischen Verhältnisse und religiös motivierten Repressalien die Wissenschaft und nicht zuletzt Champollions Aktivitäten einschränkten und zurückwarfen – und nicht zuletzt die ohnehin empfindliche Gesundheit des Franzosen untergruben. In diesem umfassenden Buch fehlt nichts: Champollions Reise nach Ägypten etwa wird anschaulich nacherzählt, der Leser kann sich, wenn er möchte, selbst die Bedeutung der wichtigsten Hieroglyphen aneignen, da diese tabellarisch präsentiert werden – die Eigenschaften dieser besonderen Schrift lernt er nach und nach ohnehin genau kennen -, und die gesamte Wissenschaftskultur mit dem politischen und religiösen Umfeld ersteht vor dem Leser sehr plastisch. Dazu tragen auch die zahlreichen Illustrationen bei, die nicht nur bedeutende Funde aus Ägypten, sondern auch die Persönlichkeiten aus dem Buch zeigen.
Das Werk ist so lebendig wie sachlich verfasst. Des Öfteren verwundert der Übersetzer, wenn er eine englisch anmutende "word order" verwendet, ohne dass diese einen Beitrag zur besseren Verständlichkeit leisten würde, etwa: "… wusste nur wenig anzufangen mit dem Besucher aus Frankreich, …" (Seite 184). Ansonsten erweist sich das Buch als für ein Sachbuch mit so hohem Anspruch als erfreulich angenehm lesbar, auch und gerade für interessierte Laien. Robinson versteht es, eine spannende Epoche und einen genialen Protagonisten mit Ecken und Kanten sowie dessen Umfeld geradezu plastisch auferstehen zu lassen: sehr empfehlenswerte Lektüre – für jeden historisch Interessierten!

Regina Károlyi



Hardcover | Erschienen: 1. März 2014 | ISBN: 9783805347624 | Originaltitel: Cracking the Egyptian Code: The Revolutionary Life of Jean-Francois Champollion | Preis: 24,95 Euro | 328 Seiten | Sprache: Deutsch

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